Der vorstehende Refrain ist aus einem chaldäischen Osterlied der Juden, welches sich wie auch das bei Wagenseil in Bodenschatzens kirchlicher Verfassung der Juden (II, 2. Sect. 8.) findet.
Herr Gräter theilt dies alles in seiner Alter- thumszeitung No. 40 u. 41. 1812. unser Volkslied aber nicht ganz vollständig, mit, auch bemerkt er ein anderes jüdisches, das durch eine etwas ähn- liche Manier auf dieses zu deuten scheint, indessen ergiebt sich durch das aus Wagenseil der vermu- thete Zusammenhang viel näher. Die mystische Bedeutung eines Leberecht, die dort gleichfalls an- geführt wird, ist uns nicht so wahrscheinlich als Herrn Gräter: das Lied scheint die Macht Gottes, als die letzte und größte darstellen zu wollen, nennt man es albern, so sind es die Mythen der Rabbiner, und im Talmud noch mehr. Interessant ist noch die ebendaselbst abgedruckte lateinische Recension des Volkslieds, welche nicht bloß an manche Stu- dentenlieder (in dem bekannten: Laurentia schönste Laurentia mein etc., wachsen die Strophen gleich- falls immer mehr an), sondern an andere Kinder- lieder erinnert, worin lateinische Brocken ange- bracht sind. Viele Rhein- und Mainbewohner ge- denken wenigstens noch des Lieds von einem Hund, der in der Küche die Bratwurst frißt und dem der Koch den Schwanz abhaut, worin auch ähnliche Wiederholungen vorkommen.
Zum Mordschloß. No. 73.
eine Art Blaubart, aber mit anderm, auch sonst schon bekanntem Ausgang. Der Reim im Anfang erinnert auch an das Todtenreiterlied. Das Ganze aus dem Holländischen übersetzt, das wir aus dem Munde einer Fräulein aufgeschrieben haben. Hier möge das Original selbst stehen:
't Moord-Castel.
Daar was eens een Schoen-Maker, welke drie Dochters had, op een tyd, als de Schoen-Maker uyt waar, kwaam daar een Heer, welke seer goed gekled was, en welke prachtige Ekipagie hieldt,
zo
Der vorſtehende Refrain iſt aus einem chaldaͤiſchen Oſterlied der Juden, welches ſich wie auch das bei Wagenſeil in Bodenſchatzens kirchlicher Verfaſſung der Juden (II, 2. Sect. 8.) findet.
Herr Graͤter theilt dies alles in ſeiner Alter- thumszeitung No. 40 u. 41. 1812. unſer Volkslied aber nicht ganz vollſtaͤndig, mit, auch bemerkt er ein anderes juͤdiſches, das durch eine etwas aͤhn- liche Manier auf dieſes zu deuten ſcheint, indeſſen ergiebt ſich durch das aus Wagenſeil der vermu- thete Zuſammenhang viel naͤher. Die myſtiſche Bedeutung eines Leberecht, die dort gleichfalls an- gefuͤhrt wird, iſt uns nicht ſo wahrſcheinlich als Herrn Graͤter: das Lied ſcheint die Macht Gottes, als die letzte und groͤßte darſtellen zu wollen, nennt man es albern, ſo ſind es die Mythen der Rabbiner, und im Talmud noch mehr. Intereſſant iſt noch die ebendaſelbſt abgedruckte lateiniſche Recenſion des Volkslieds, welche nicht bloß an manche Stu- dentenlieder (in dem bekannten: Laurentia ſchoͤnſte Laurentia mein ꝛc., wachſen die Strophen gleich- falls immer mehr an), ſondern an andere Kinder- lieder erinnert, worin lateiniſche Brocken ange- bracht ſind. Viele Rhein- und Mainbewohner ge- denken wenigſtens noch des Lieds von einem Hund, der in der Kuͤche die Bratwurſt frißt und dem der Koch den Schwanz abhaut, worin auch aͤhnliche Wiederholungen vorkommen.
Zum Mordſchloß. No. 73.
eine Art Blaubart, aber mit anderm, auch ſonſt ſchon bekanntem Ausgang. Der Reim im Anfang erinnert auch an das Todtenreiterlied. Das Ganze aus dem Hollaͤndiſchen uͤberſetzt, das wir aus dem Munde einer Fraͤulein aufgeſchrieben haben. Hier moͤge das Original ſelbſt ſtehen:
't Moord-Caſtel.
Daar was eens een Schoen-Maker, welke drie Dochters had, op een tyd, als de Schoen-Maker uyt waar, kwaam daar een Heer, welke ſeer goed gekled was, en welke prachtige Ekipagie hieldt,
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[XLVIII/0470]
Der vorſtehende Refrain iſt aus einem chaldaͤiſchen
Oſterlied der Juden, welches ſich wie auch das bei
Wagenſeil in Bodenſchatzens kirchlicher Verfaſſung
der Juden (II, 2. Sect. 8.) findet.
Herr Graͤter theilt dies alles in ſeiner Alter-
thumszeitung No. 40 u. 41. 1812. unſer Volkslied
aber nicht ganz vollſtaͤndig, mit, auch bemerkt er
ein anderes juͤdiſches, das durch eine etwas aͤhn-
liche Manier auf dieſes zu deuten ſcheint, indeſſen
ergiebt ſich durch das aus Wagenſeil der vermu-
thete Zuſammenhang viel naͤher. Die myſtiſche
Bedeutung eines Leberecht, die dort gleichfalls an-
gefuͤhrt wird, iſt uns nicht ſo wahrſcheinlich als
Herrn Graͤter: das Lied ſcheint die Macht Gottes,
als die letzte und groͤßte darſtellen zu wollen, nennt
man es albern, ſo ſind es die Mythen der Rabbiner,
und im Talmud noch mehr. Intereſſant iſt noch
die ebendaſelbſt abgedruckte lateiniſche Recenſion
des Volkslieds, welche nicht bloß an manche Stu-
dentenlieder (in dem bekannten: Laurentia ſchoͤnſte
Laurentia mein ꝛc., wachſen die Strophen gleich-
falls immer mehr an), ſondern an andere Kinder-
lieder erinnert, worin lateiniſche Brocken ange-
bracht ſind. Viele Rhein- und Mainbewohner ge-
denken wenigſtens noch des Lieds von einem Hund,
der in der Kuͤche die Bratwurſt frißt und dem der
Koch den Schwanz abhaut, worin auch aͤhnliche
Wiederholungen vorkommen.
Zum Mordſchloß. No. 73.
eine Art Blaubart, aber mit anderm, auch ſonſt
ſchon bekanntem Ausgang. Der Reim im Anfang
erinnert auch an das Todtenreiterlied. Das Ganze
aus dem Hollaͤndiſchen uͤberſetzt, das wir aus dem
Munde einer Fraͤulein aufgeſchrieben haben. Hier
moͤge das Original ſelbſt ſtehen:
't Moord-Caſtel.
Daar was eens een Schoen-Maker, welke drie
Dochters had, op een tyd, als de Schoen-Maker
uyt waar, kwaam daar een Heer, welke ſeer goed
gekled was, en welke prachtige Ekipagie hieldt,
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. XLVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/470>, abgerufen am 21.11.2024.
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