Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

rief seinen Gesellen zu, es müßte nicht gar weit ein Haus seyn, denn es scheine ein Licht. Sprach der Esel: "so müssen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht" und der Hund sagte: "ja ein paar Knochen und etwas Fleisch daran thäten mir auch gut!" Nun machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war und sahen es bald heller schimmern und es ward immer größer, bis sie vor ein hell erleuchtetes Räuberhaus kamen. Der Esel, als der größte, machte sich ans Fenster und schaute hinein. "Was siehst du? Grauschimmel," fragte der Hahn. "Was ich sehe? antwortete der Esel, einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken, und Räuber sitzen daran und lassens sich wohl sein." "Das wär was für uns" sprach der Hahn. "Ya, Ya, ach wären wir da!" sagte der Esel. Da rathschlagten die Thiere, wies anzufangen wäre, um die Räuber fortzubringen, endlich fanden sie ein Mittel. Der Esel mußte sich mit den Vorderfüßen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Rücken, die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie das geschehen war, fingen sie insgesammt auf ein Zeichen an, ihre Musik zu machen; der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute und der Hahn krähte, indem stürzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, daß die Scheiben klirrend niederfielen. Die Räuber, die schon über das entsetzliche Geschrei erschrocken waren, meinten nicht anders als ein Gespenst käm herein und entflohn in größter Furcht in den Wald. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb,

rief seinen Gesellen zu, es muͤßte nicht gar weit ein Haus seyn, denn es scheine ein Licht. Sprach der Esel: „so muͤssen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht“ und der Hund sagte: „ja ein paar Knochen und etwas Fleisch daran thaͤten mir auch gut!“ Nun machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war und sahen es bald heller schimmern und es ward immer groͤßer, bis sie vor ein hell erleuchtetes Raͤuberhaus kamen. Der Esel, als der groͤßte, machte sich ans Fenster und schaute hinein. „Was siehst du? Grauschimmel,“ fragte der Hahn. „Was ich sehe? antwortete der Esel, einen gedeckten Tisch mit schoͤnem Essen und Trinken, und Raͤuber sitzen daran und lassens sich wohl sein.“ „Das waͤr was fuͤr uns“ sprach der Hahn. „Ya, Ya, ach waͤren wir da!“ sagte der Esel. Da rathschlagten die Thiere, wies anzufangen waͤre, um die Raͤuber fortzubringen, endlich fanden sie ein Mittel. Der Esel mußte sich mit den Vorderfuͤßen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Ruͤcken, die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie das geschehen war, fingen sie insgesammt auf ein Zeichen an, ihre Musik zu machen; der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute und der Hahn kraͤhte, indem stuͤrzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, daß die Scheiben klirrend niederfielen. Die Raͤuber, die schon uͤber das entsetzliche Geschrei erschrocken waren, meinten nicht anders als ein Gespenst kaͤm herein und entflohn in groͤßter Furcht in den Wald. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0207" n="143"/>
rief seinen Gesellen zu, es mu&#x0364;ßte nicht gar weit ein Haus seyn, denn es scheine ein Licht. Sprach der Esel: &#x201E;so mu&#x0364;ssen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht&#x201C; und der Hund sagte: &#x201E;ja ein paar Knochen und etwas Fleisch daran tha&#x0364;ten mir auch gut!&#x201C; Nun machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war und sahen es bald heller schimmern und es ward immer gro&#x0364;ßer, bis sie vor ein hell erleuchtetes Ra&#x0364;uberhaus kamen. Der Esel, als der gro&#x0364;ßte, machte sich ans Fenster und schaute hinein. &#x201E;Was siehst du? Grauschimmel,&#x201C; fragte der Hahn. &#x201E;Was ich sehe? antwortete der Esel, einen gedeckten Tisch mit scho&#x0364;nem Essen und Trinken, und Ra&#x0364;uber sitzen daran und lassens sich wohl sein.&#x201C; &#x201E;Das wa&#x0364;r was fu&#x0364;r uns&#x201C; sprach der Hahn. &#x201E;Ya, Ya, ach wa&#x0364;ren wir da!&#x201C; sagte der Esel. Da rathschlagten die Thiere, wies anzufangen wa&#x0364;re, um die Ra&#x0364;uber fortzubringen, endlich fanden sie ein Mittel. Der Esel mußte sich mit den Vorderfu&#x0364;ßen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Ru&#x0364;cken, die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie das geschehen war, fingen sie insgesammt auf ein Zeichen an, ihre Musik zu machen; der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute und der Hahn kra&#x0364;hte, indem stu&#x0364;rzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, daß die Scheiben klirrend niederfielen. Die Ra&#x0364;uber, die schon u&#x0364;ber das entsetzliche Geschrei erschrocken waren, meinten nicht anders als ein Gespenst ka&#x0364;m herein und entflohn in gro&#x0364;ßter Furcht in den Wald. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0207] rief seinen Gesellen zu, es muͤßte nicht gar weit ein Haus seyn, denn es scheine ein Licht. Sprach der Esel: „so muͤssen wir uns aufmachen und noch hingehen, denn hier ist die Herberge schlecht“ und der Hund sagte: „ja ein paar Knochen und etwas Fleisch daran thaͤten mir auch gut!“ Nun machten sie sich auf den Weg nach der Gegend, wo das Licht war und sahen es bald heller schimmern und es ward immer groͤßer, bis sie vor ein hell erleuchtetes Raͤuberhaus kamen. Der Esel, als der groͤßte, machte sich ans Fenster und schaute hinein. „Was siehst du? Grauschimmel,“ fragte der Hahn. „Was ich sehe? antwortete der Esel, einen gedeckten Tisch mit schoͤnem Essen und Trinken, und Raͤuber sitzen daran und lassens sich wohl sein.“ „Das waͤr was fuͤr uns“ sprach der Hahn. „Ya, Ya, ach waͤren wir da!“ sagte der Esel. Da rathschlagten die Thiere, wies anzufangen waͤre, um die Raͤuber fortzubringen, endlich fanden sie ein Mittel. Der Esel mußte sich mit den Vorderfuͤßen auf das Fenster stellen, der Hund auf des Esels Ruͤcken, die Katze auf den Hund klettern, und endlich flog der Hahn hinauf und setzte sich der Katze auf den Kopf. Wie das geschehen war, fingen sie insgesammt auf ein Zeichen an, ihre Musik zu machen; der Esel schrie, der Hund bellte, die Katze miaute und der Hahn kraͤhte, indem stuͤrzten sie durch das Fenster in die Stube hinein, daß die Scheiben klirrend niederfielen. Die Raͤuber, die schon uͤber das entsetzliche Geschrei erschrocken waren, meinten nicht anders als ein Gespenst kaͤm herein und entflohn in groͤßter Furcht in den Wald. Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch, nahmen mit dem vorlieb,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/207
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/207>, abgerufen am 17.05.2024.