Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

es an und besah die Wohnungen des Himmelreichs, jeden Tag schloß es eine auf, bis die zwölfe herum waren. Jn jeder aber saß ein Apostel und war so viel Glanz umher, daß es sein Lebtag solche Pracht und Herrlichkeit nicht gesehen und es freute sich darüber und die Englein, die es immer begleiteten, freuten sich mit ihm. Nun war nur noch die verbotene Thüre übrig, da empfand es doch eine große Lust, zu wissen was dahinter verborgen wäre und sprach zu den Englein: "ganz aufmachen will ich sie nicht, aber ein bischen aufschließen, damit wir durch den Ritz sehen." "Ach nein, sagten die Englein, das wär Sünde, die Jungfrau Maria hats verboten und könnte leicht dein Unglück werden." Da schwieg es still, aber die Lust und Neugier in seinem Herzen schwieg nicht still und pickte ordentlich daran. Und als die Englein einmal weggegangen waren, dachte es, nun bin ich ganz allein, wer siehts dann! und holte den Schlüssel. Und als es ihn geholt hatte, steckte es ihn auch in das Schlüsselloch und als es ihn hineingesteckt hatte, drehte es auch um. Da sprang die Thüre auf und es sah im Feuer und Glanz die Dreieinigkeit sitzen und rührte ein klein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward er ganz golden. Da ward ihm Angst und es schlug die Thüre heftig zu und lief fort. Die Angst wollt auch nicht wieder weichen, es mocht anfangen was es wollte und das Herz klopfte in einem fort und wollt nicht ruhig werden, auch das Gold blieb an dem Finger und ging nicht ab, es mochte waschen so viel es wollte.

Nach wenigen Tagen kam die Jungfrau Maria von ihrer

es an und besah die Wohnungen des Himmelreichs, jeden Tag schloß es eine auf, bis die zwoͤlfe herum waren. Jn jeder aber saß ein Apostel und war so viel Glanz umher, daß es sein Lebtag solche Pracht und Herrlichkeit nicht gesehen und es freute sich daruͤber und die Englein, die es immer begleiteten, freuten sich mit ihm. Nun war nur noch die verbotene Thuͤre uͤbrig, da empfand es doch eine große Lust, zu wissen was dahinter verborgen waͤre und sprach zu den Englein: „ganz aufmachen will ich sie nicht, aber ein bischen aufschließen, damit wir durch den Ritz sehen.“ „Ach nein, sagten die Englein, das waͤr Suͤnde, die Jungfrau Maria hats verboten und koͤnnte leicht dein Ungluͤck werden.“ Da schwieg es still, aber die Lust und Neugier in seinem Herzen schwieg nicht still und pickte ordentlich daran. Und als die Englein einmal weggegangen waren, dachte es, nun bin ich ganz allein, wer siehts dann! und holte den Schluͤssel. Und als es ihn geholt hatte, steckte es ihn auch in das Schluͤsselloch und als es ihn hineingesteckt hatte, drehte es auch um. Da sprang die Thuͤre auf und es sah im Feuer und Glanz die Dreieinigkeit sitzen und ruͤhrte ein klein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward er ganz golden. Da ward ihm Angst und es schlug die Thuͤre heftig zu und lief fort. Die Angst wollt auch nicht wieder weichen, es mocht anfangen was es wollte und das Herz klopfte in einem fort und wollt nicht ruhig werden, auch das Gold blieb an dem Finger und ging nicht ab, es mochte waschen so viel es wollte.

Nach wenigen Tagen kam die Jungfrau Maria von ihrer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0073" n="9"/>
es an und besah die Wohnungen des Himmelreichs, jeden Tag schloß es eine auf, bis die zwo&#x0364;lfe herum waren. Jn jeder aber saß ein Apostel und war so viel Glanz umher, daß es sein Lebtag solche Pracht und Herrlichkeit nicht gesehen und es freute sich daru&#x0364;ber und die Englein, die es immer begleiteten, freuten sich mit ihm. Nun war nur noch die verbotene Thu&#x0364;re u&#x0364;brig, da empfand es doch eine große Lust, zu wissen was dahinter verborgen wa&#x0364;re und sprach zu den Englein: &#x201E;ganz aufmachen will ich sie nicht, aber ein bischen aufschließen, damit wir durch den Ritz sehen.&#x201C; &#x201E;Ach nein, sagten die Englein, das wa&#x0364;r Su&#x0364;nde, die Jungfrau Maria hats verboten und ko&#x0364;nnte leicht dein Unglu&#x0364;ck werden.&#x201C; Da schwieg es still, aber die Lust und Neugier in seinem Herzen schwieg nicht still und pickte ordentlich daran. Und als die Englein einmal weggegangen waren, dachte es, nun bin ich ganz allein, wer siehts dann! und holte den Schlu&#x0364;ssel. Und als es ihn geholt hatte, steckte es ihn auch in das Schlu&#x0364;sselloch und als es ihn hineingesteckt hatte, drehte es auch um. Da sprang die Thu&#x0364;re auf und es sah im Feuer und Glanz die Dreieinigkeit sitzen und ru&#x0364;hrte ein klein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward er ganz golden. Da ward ihm Angst und es schlug die Thu&#x0364;re heftig zu und lief fort. Die Angst wollt auch nicht wieder weichen, es mocht anfangen was es wollte und das Herz klopfte in einem fort und wollt nicht ruhig werden, auch das Gold blieb an dem Finger und ging nicht ab, es mochte waschen so viel es wollte.</p><lb/>
        <p>Nach wenigen Tagen kam die Jungfrau Maria von ihrer
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0073] es an und besah die Wohnungen des Himmelreichs, jeden Tag schloß es eine auf, bis die zwoͤlfe herum waren. Jn jeder aber saß ein Apostel und war so viel Glanz umher, daß es sein Lebtag solche Pracht und Herrlichkeit nicht gesehen und es freute sich daruͤber und die Englein, die es immer begleiteten, freuten sich mit ihm. Nun war nur noch die verbotene Thuͤre uͤbrig, da empfand es doch eine große Lust, zu wissen was dahinter verborgen waͤre und sprach zu den Englein: „ganz aufmachen will ich sie nicht, aber ein bischen aufschließen, damit wir durch den Ritz sehen.“ „Ach nein, sagten die Englein, das waͤr Suͤnde, die Jungfrau Maria hats verboten und koͤnnte leicht dein Ungluͤck werden.“ Da schwieg es still, aber die Lust und Neugier in seinem Herzen schwieg nicht still und pickte ordentlich daran. Und als die Englein einmal weggegangen waren, dachte es, nun bin ich ganz allein, wer siehts dann! und holte den Schluͤssel. Und als es ihn geholt hatte, steckte es ihn auch in das Schluͤsselloch und als es ihn hineingesteckt hatte, drehte es auch um. Da sprang die Thuͤre auf und es sah im Feuer und Glanz die Dreieinigkeit sitzen und ruͤhrte ein klein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward er ganz golden. Da ward ihm Angst und es schlug die Thuͤre heftig zu und lief fort. Die Angst wollt auch nicht wieder weichen, es mocht anfangen was es wollte und das Herz klopfte in einem fort und wollt nicht ruhig werden, auch das Gold blieb an dem Finger und ging nicht ab, es mochte waschen so viel es wollte. Nach wenigen Tagen kam die Jungfrau Maria von ihrer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/73
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/73>, abgerufen am 21.11.2024.