Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.die Sagen und Märchen als eine fast regelmäßige Vergnügung der Feiertage erhalten, und das Land ist noch reich an ererbten Gebräuchen und Liedern. Da, wo die Schrift theils noch nicht durch Einführung des Fremden stört, oder durch Überladung abstumpft, theils, weil sie sichert, dem Gedächtniß noch nicht nachlässig zu werden gestattet, überhaupt bei Völkern, deren Literatur unbedeutend ist, pflegt sich als Ersatz die Überlieferung stärker und ungetrübter zu zeigen. So scheint auch Niedersachsen mehr als alle andere Gegenden behalten zu haben. Was für eine viel vollständigere und innerlich reichere Sammlung wäre im 15ten Jahrhundert, oder auch noch im 16. zu Hans Sachsens und Fischarts Zeiten in Deutschland möglich gewesen.*) Einer jener guten Zufälle aber war es, daß wir aus *) Merkwürdig ist daß es bei den Galliern nicht erlaubt war, die überlieferten Gesänge aufzuschreiben, während man sich der Schrift in allen übrigen Angelegenheiten bediente. Cäsar, der dies anmerkt (de B. G. VI. 4.), glaubt daß man damit habe verhüten wollen, im Vertrauen auf die Schrift, leichtsinnig im Erlernen und Behalten der Lieder zu werden. Auch Thamus hält dem Theuth (im Phädrus des Plato) bei Erfindung der Buchstaben den Nachtheil vor, den die Schrift auf die Ausbildung des Gedächtnisses haben würde.
die Sagen und Maͤrchen als eine fast regelmaͤßige Vergnuͤgung der Feiertage erhalten, und das Land ist noch reich an ererbten Gebraͤuchen und Liedern. Da, wo die Schrift theils noch nicht durch Einfuͤhrung des Fremden stoͤrt, oder durch Überladung abstumpft, theils, weil sie sichert, dem Gedaͤchtniß noch nicht nachlaͤssig zu werden gestattet, uͤberhaupt bei Voͤlkern, deren Literatur unbedeutend ist, pflegt sich als Ersatz die Überlieferung staͤrker und ungetruͤbter zu zeigen. So scheint auch Niedersachsen mehr als alle andere Gegenden behalten zu haben. Was fuͤr eine viel vollstaͤndigere und innerlich reichere Sammlung waͤre im 15ten Jahrhundert, oder auch noch im 16. zu Hans Sachsens und Fischarts Zeiten in Deutschland moͤglich gewesen.*) Einer jener guten Zufaͤlle aber war es, daß wir aus *) Merkwuͤrdig ist daß es bei den Galliern nicht erlaubt war, die uͤberlieferten Gesaͤnge aufzuschreiben, waͤhrend man sich der Schrift in allen uͤbrigen Angelegenheiten bediente. Caͤsar, der dies anmerkt (de B. G. VI. 4.), glaubt daß man damit habe verhuͤten wollen, im Vertrauen auf die Schrift, leichtsinnig im Erlernen und Behalten der Lieder zu werden. Auch Thamus haͤlt dem Theuth (im Phaͤdrus des Plato) bei Erfindung der Buchstaben den Nachtheil vor, den die Schrift auf die Ausbildung des Gedaͤchtnisses haben wuͤrde.
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die Sagen und Maͤrchen als eine fast regelmaͤßige Vergnuͤgung der Feiertage erhalten, und das Land ist noch reich an ererbten Gebraͤuchen und Liedern. Da, wo die Schrift theils noch nicht durch Einfuͤhrung des Fremden stoͤrt, oder durch Überladung abstumpft, theils, weil sie sichert, dem Gedaͤchtniß noch nicht nachlaͤssig zu werden gestattet, uͤberhaupt bei Voͤlkern, deren Literatur unbedeutend ist, pflegt sich als Ersatz die Überlieferung staͤrker und ungetruͤbter zu zeigen. So scheint auch Niedersachsen mehr als alle andere Gegenden behalten zu haben. Was fuͤr eine viel vollstaͤndigere und innerlich reichere Sammlung waͤre im 15ten Jahrhundert, oder auch noch im 16. zu Hans Sachsens und Fischarts Zeiten in Deutschland moͤglich gewesen. *)
Einer jener guten Zufaͤlle aber war es, daß wir aus
*) Merkwuͤrdig ist daß es bei den Galliern nicht erlaubt war, die uͤberlieferten Gesaͤnge aufzuschreiben, waͤhrend man sich der Schrift in allen uͤbrigen Angelegenheiten bediente. Caͤsar, der dies anmerkt (de B. G. VI. 4.), glaubt daß man damit habe verhuͤten wollen, im Vertrauen auf die Schrift, leichtsinnig im Erlernen und Behalten der Lieder zu werden. Auch Thamus haͤlt dem Theuth (im Phaͤdrus des Plato) bei Erfindung der Buchstaben den Nachtheil vor, den die Schrift auf die Ausbildung des Gedaͤchtnisses haben wuͤrde.
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