Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.Tuch mit den Drachenzungen, und fuhr zum König. Als ihn der König kommen sah, sprach er zu seiner Tochter 'wie soll ich ihn empfangen?' Antwortete sie 'geht ihm entgegen, so werdet ihr wohl thun.' Da gieng ihm der König entgegen, und führte ihn herauf, und seine Thiere folgten ihm nach. Der König wies ihm einen Platz an neben sich und seiner Tochter, der Marschall saß auf der andern Seite, als Bräutigam, aber der kannte ihn nicht mehr. Nun wurden gerade die sieben Häupter des Drachen zur Schau aufgetragen, und der König sprach 'die sieben Häupter hat der Marschall dem Drachen abgeschlagen, darum geb ich ihm heute meine Tochter zur Gemahlin.' Da stand der Jäger auf, öffnete die sieben Rachen und sprach 'wo sind die sieben Zungen des Drachen?' Da erschrak der Marschall, ward bleich, und wußte nicht was er antworten sollte, endlich sagte er in der Angst 'Drachen haben keine Zungen.' Sprach der Jäger 'die Lügner sollten keine haben, aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers,' und wickelte das Tuch auf, da lagen sie alle siebene darin, und dann steckte er jede Zunge in den Rachen, in den sie gehörte, und sie paßte genau. Darauf nahm er das Tuch, in welches der Name der Königstochter gestickt war, und zeigte es der Jungfrau, und fragte sie wem sie es gegeben hätte, da antwortete sie 'dem, der den Drachen getödtet hat.' Und dann rief er sein Gethier, nahm jedem das Halsband und dem Löwen das goldene Schloß ab, und zeigte es der Jungfrau, und fragte wem es angehörte. Antwortete sie 'das Halsband und das goldene Schloß waren Tuch mit den Drachenzungen, und fuhr zum Koͤnig. Als ihn der Koͤnig kommen sah, sprach er zu seiner Tochter ‘wie soll ich ihn empfangen?’ Antwortete sie ‘geht ihm entgegen, so werdet ihr wohl thun.’ Da gieng ihm der Koͤnig entgegen, und fuͤhrte ihn herauf, und seine Thiere folgten ihm nach. Der Koͤnig wies ihm einen Platz an neben sich und seiner Tochter, der Marschall saß auf der andern Seite, als Braͤutigam, aber der kannte ihn nicht mehr. Nun wurden gerade die sieben Haͤupter des Drachen zur Schau aufgetragen, und der Koͤnig sprach ‘die sieben Haͤupter hat der Marschall dem Drachen abgeschlagen, darum geb ich ihm heute meine Tochter zur Gemahlin.’ Da stand der Jaͤger auf, oͤffnete die sieben Rachen und sprach ‘wo sind die sieben Zungen des Drachen?’ Da erschrak der Marschall, ward bleich, und wußte nicht was er antworten sollte, endlich sagte er in der Angst ‘Drachen haben keine Zungen.’ Sprach der Jaͤger ‘die Luͤgner sollten keine haben, aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers,’ und wickelte das Tuch auf, da lagen sie alle siebene darin, und dann steckte er jede Zunge in den Rachen, in den sie gehoͤrte, und sie paßte genau. Darauf nahm er das Tuch, in welches der Name der Koͤnigstochter gestickt war, und zeigte es der Jungfrau, und fragte sie wem sie es gegeben haͤtte, da antwortete sie ‘dem, der den Drachen getoͤdtet hat.’ Und dann rief er sein Gethier, nahm jedem das Halsband und dem Loͤwen das goldene Schloß ab, und zeigte es der Jungfrau, und fragte wem es angehoͤrte. Antwortete sie ‘das Halsband und das goldene Schloß waren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0419" n="388"/> Tuch mit den Drachenzungen, und fuhr zum Koͤnig. Als ihn der Koͤnig kommen sah, sprach er zu seiner Tochter ‘wie soll ich ihn empfangen?’ Antwortete sie ‘geht ihm entgegen, so werdet ihr wohl thun.’ Da gieng ihm der Koͤnig entgegen, und fuͤhrte ihn herauf, und seine Thiere folgten ihm nach. Der Koͤnig wies ihm einen Platz an neben sich und seiner Tochter, der Marschall saß auf der andern Seite, als Braͤutigam, aber der kannte ihn nicht mehr. Nun wurden gerade die sieben Haͤupter des Drachen zur Schau aufgetragen, und der Koͤnig sprach ‘die sieben Haͤupter hat der Marschall dem Drachen abgeschlagen, darum geb ich ihm heute meine Tochter zur Gemahlin.’ Da stand der Jaͤger auf, oͤffnete die sieben Rachen und sprach ‘wo sind die sieben Zungen des Drachen?’ Da erschrak der Marschall, ward bleich, und wußte nicht was er antworten sollte, endlich sagte er in der Angst ‘Drachen haben keine Zungen.’ Sprach der Jaͤger ‘die Luͤgner sollten keine haben, aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers,’ und wickelte das Tuch auf, da lagen sie alle siebene darin, und dann steckte er jede Zunge in den Rachen, in den sie gehoͤrte, und sie paßte genau. Darauf nahm er das Tuch, in welches der Name der Koͤnigstochter gestickt war, und zeigte es der Jungfrau, und fragte sie wem sie es gegeben haͤtte, da antwortete sie ‘dem, der den Drachen getoͤdtet hat.’ Und dann rief er sein Gethier, nahm jedem das Halsband und dem Loͤwen das goldene Schloß ab, und zeigte es der Jungfrau, und fragte wem es angehoͤrte. Antwortete sie ‘das Halsband und das goldene Schloß waren </p> </div> </body> </text> </TEI> [388/0419]
Tuch mit den Drachenzungen, und fuhr zum Koͤnig. Als ihn der Koͤnig kommen sah, sprach er zu seiner Tochter ‘wie soll ich ihn empfangen?’ Antwortete sie ‘geht ihm entgegen, so werdet ihr wohl thun.’ Da gieng ihm der Koͤnig entgegen, und fuͤhrte ihn herauf, und seine Thiere folgten ihm nach. Der Koͤnig wies ihm einen Platz an neben sich und seiner Tochter, der Marschall saß auf der andern Seite, als Braͤutigam, aber der kannte ihn nicht mehr. Nun wurden gerade die sieben Haͤupter des Drachen zur Schau aufgetragen, und der Koͤnig sprach ‘die sieben Haͤupter hat der Marschall dem Drachen abgeschlagen, darum geb ich ihm heute meine Tochter zur Gemahlin.’ Da stand der Jaͤger auf, oͤffnete die sieben Rachen und sprach ‘wo sind die sieben Zungen des Drachen?’ Da erschrak der Marschall, ward bleich, und wußte nicht was er antworten sollte, endlich sagte er in der Angst ‘Drachen haben keine Zungen.’ Sprach der Jaͤger ‘die Luͤgner sollten keine haben, aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers,’ und wickelte das Tuch auf, da lagen sie alle siebene darin, und dann steckte er jede Zunge in den Rachen, in den sie gehoͤrte, und sie paßte genau. Darauf nahm er das Tuch, in welches der Name der Koͤnigstochter gestickt war, und zeigte es der Jungfrau, und fragte sie wem sie es gegeben haͤtte, da antwortete sie ‘dem, der den Drachen getoͤdtet hat.’ Und dann rief er sein Gethier, nahm jedem das Halsband und dem Loͤwen das goldene Schloß ab, und zeigte es der Jungfrau, und fragte wem es angehoͤrte. Antwortete sie ‘das Halsband und das goldene Schloß waren
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/419 |
Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/419>, abgerufen am 26.06.2024. |