Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.auf die Erde herabregnete. 'Ei der tausend,' sagte der Wirth, 'da sind die Ducaten bald geprägt! so ein Geldbeutel ist nicht übel!' Der Gast bezahlte seine Zeche, und legte sich schlafen, der Wirth aber schlich in der Nacht herab in den Stall, führte den Münzmeister weg, und band einen andern Esel an seine Stelle. Den folgenden Morgen in der Frühe zog der Geselle mit seinem Esel ab, und meinte er hätte seinen Goldesel. Mittags kam er bei seinem Vater an, der sich freute als er ihn wiedersah, und ihn gerne aufnahm. 'Was ist aus dir geworden, mein Sohn? fragte der Alte. 'Ein Müller, lieber Vater,' antwortete er. 'Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?' 'Weiter nichts als einen Esel.' 'Esel gibts hier genug,' sagte der Vater, 'da wäre mir doch eine gute Ziege lieber gewesen.' 'Ja,' antwortete der Sohn, 'aber es ist kein gemeiner Esel, sondern ein Goldesel: wenn ich sage 'Bricklebrit,' so speit euch das gute Thier ein ganzes Tuch voll Goldstücke. Laßt nur alle Verwandte herbei rufen, ich mache sie alle zu reichen Leuten.' 'Das laß ich mir gefallen' sagte der Schneider, 'dann brauch ich mich mit der Nadel nicht weiter zu quälen,' sprang selbst fort, und rief die Verwandten herbei. Sobald sie beisammen waren, hieß sie der Müller Platz machen, breitete sein Tuch aus, und brachte den Esel in die Stube. 'Jetzt gebt acht' sagte er, und rief 'Bricklebrit,' aber es waren keine Goldstücke was herabfiel, und es zeigte sich, daß das Thier nichts von der Kunst verstand, denn es bringts nicht jeder Esel so weit. Da machte der arme Müller ein langes Gesicht, sah daß er betrogen war, und bat auf die Erde herabregnete. ‘Ei der tausend,’ sagte der Wirth, ‘da sind die Ducaten bald geprägt! so ein Geldbeutel ist nicht übel!’ Der Gast bezahlte seine Zeche, und legte sich schlafen, der Wirth aber schlich in der Nacht herab in den Stall, führte den Münzmeister weg, und band einen andern Esel an seine Stelle. Den folgenden Morgen in der Frühe zog der Geselle mit seinem Esel ab, und meinte er hätte seinen Goldesel. Mittags kam er bei seinem Vater an, der sich freute als er ihn wiedersah, und ihn gerne aufnahm. ‘Was ist aus dir geworden, mein Sohn? fragte der Alte. ‘Ein Müller, lieber Vater,’ antwortete er. ‘Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?’ ‘Weiter nichts als einen Esel.’ ‘Esel gibts hier genug,’ sagte der Vater, ‘da wäre mir doch eine gute Ziege lieber gewesen.’ ‘Ja,’ antwortete der Sohn, ‘aber es ist kein gemeiner Esel, sondern ein Goldesel: wenn ich sage ‘Bricklebrit,’ so speit euch das gute Thier ein ganzes Tuch voll Goldstücke. Laßt nur alle Verwandte herbei rufen, ich mache sie alle zu reichen Leuten.’ ‘Das laß ich mir gefallen’ sagte der Schneider, ‘dann brauch ich mich mit der Nadel nicht weiter zu quälen,’ sprang selbst fort, und rief die Verwandten herbei. Sobald sie beisammen waren, hieß sie der Müller Platz machen, breitete sein Tuch aus, und brachte den Esel in die Stube. ‘Jetzt gebt acht’ sagte er, und rief ‘Bricklebrit,’ aber es waren keine Goldstücke was herabfiel, und es zeigte sich, daß das Thier nichts von der Kunst verstand, denn es bringts nicht jeder Esel so weit. Da machte der arme Müller ein langes Gesicht, sah daß er betrogen war, und bat <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0271" n="222"/> auf die Erde herabregnete. ‘Ei der tausend,’ sagte der Wirth, ‘da sind die Ducaten bald geprägt! so ein Geldbeutel ist nicht übel!’ Der Gast bezahlte seine Zeche, und legte sich schlafen, der Wirth aber schlich in der Nacht herab in den Stall, führte den Münzmeister weg, und band einen andern Esel an seine Stelle. Den folgenden Morgen in der Frühe zog der Geselle mit seinem Esel ab, und meinte er hätte seinen Goldesel. Mittags kam er bei seinem Vater an, der sich freute als er ihn wiedersah, und ihn gerne aufnahm. ‘Was ist aus dir geworden, mein Sohn? fragte der Alte. ‘Ein Müller, lieber Vater,’ antwortete er. ‘Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?’ ‘Weiter nichts als einen Esel.’ ‘Esel gibts hier genug,’ sagte der Vater, ‘da wäre mir doch eine gute Ziege lieber gewesen.’ ‘Ja,’ antwortete der Sohn, ‘aber es ist kein gemeiner Esel, sondern ein Goldesel: wenn ich sage ‘Bricklebrit,’ so speit euch das gute Thier ein ganzes Tuch voll Goldstücke. Laßt nur alle Verwandte herbei rufen, ich mache sie alle zu reichen Leuten.’ ‘Das laß ich mir gefallen’ sagte der Schneider, ‘dann brauch ich mich mit der Nadel nicht weiter zu quälen,’ sprang selbst fort, und rief die Verwandten herbei. Sobald sie beisammen waren, hieß sie der Müller Platz machen, breitete sein Tuch aus, und brachte den Esel in die Stube. ‘Jetzt gebt acht’ sagte er, und rief ‘Bricklebrit,’ aber es waren keine Goldstücke was herabfiel, und es zeigte sich, daß das Thier nichts von der Kunst verstand, denn es bringts nicht jeder Esel so weit. Da machte der arme Müller ein langes Gesicht, sah daß er betrogen war, und bat </p> </div> </body> </text> </TEI> [222/0271]
auf die Erde herabregnete. ‘Ei der tausend,’ sagte der Wirth, ‘da sind die Ducaten bald geprägt! so ein Geldbeutel ist nicht übel!’ Der Gast bezahlte seine Zeche, und legte sich schlafen, der Wirth aber schlich in der Nacht herab in den Stall, führte den Münzmeister weg, und band einen andern Esel an seine Stelle. Den folgenden Morgen in der Frühe zog der Geselle mit seinem Esel ab, und meinte er hätte seinen Goldesel. Mittags kam er bei seinem Vater an, der sich freute als er ihn wiedersah, und ihn gerne aufnahm. ‘Was ist aus dir geworden, mein Sohn? fragte der Alte. ‘Ein Müller, lieber Vater,’ antwortete er. ‘Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht?’ ‘Weiter nichts als einen Esel.’ ‘Esel gibts hier genug,’ sagte der Vater, ‘da wäre mir doch eine gute Ziege lieber gewesen.’ ‘Ja,’ antwortete der Sohn, ‘aber es ist kein gemeiner Esel, sondern ein Goldesel: wenn ich sage ‘Bricklebrit,’ so speit euch das gute Thier ein ganzes Tuch voll Goldstücke. Laßt nur alle Verwandte herbei rufen, ich mache sie alle zu reichen Leuten.’ ‘Das laß ich mir gefallen’ sagte der Schneider, ‘dann brauch ich mich mit der Nadel nicht weiter zu quälen,’ sprang selbst fort, und rief die Verwandten herbei. Sobald sie beisammen waren, hieß sie der Müller Platz machen, breitete sein Tuch aus, und brachte den Esel in die Stube. ‘Jetzt gebt acht’ sagte er, und rief ‘Bricklebrit,’ aber es waren keine Goldstücke was herabfiel, und es zeigte sich, daß das Thier nichts von der Kunst verstand, denn es bringts nicht jeder Esel so weit. Da machte der arme Müller ein langes Gesicht, sah daß er betrogen war, und bat
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Zitationshilfe: | Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/271>, abgerufen am 26.06.2024. |