Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.derweil herumgehen, bis es gahr ist; du mußt aber nicht eher zu essen anfangen, als bis ich wieder zurück bin; ich will schon zu rechter Zeit kommen.' 'Geh nur,' sagte Bruder Lustig, 'ich verstehe mich aufs Kochen, ich wills schon machen.' Da gieng der heil. Petrus fort, und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm, machte Feuer an, warf das Fleisch in den Kessel, und kochte. Das Lamm war aber schon gahr, und der Apostel noch immer nicht zurück, da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel, zerschnitt es, und fand das Herz. 'Das soll das Beste sein,' sprach er, und versuchte es, zuletzt aber aß er es ganz auf. Endlich kam der heil. Petrus zurück, und sprach 'du kannst das ganze Lamm allein essen, ich will nur das Herz davon, das gib mir.' Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel, that als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum, könnte aber das Herz nicht finden; endlich sagte er kurz weg 'es ist keins da.' 'Nun, wo solls denn sein?' sagte der Apostel. 'Das weiß ich nicht,' antwortete der Bruder Lustig, 'aber schau, was sind wir alle beide für Narren, suchen das Herz vom Lamm, und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz.' 'Ei,' sprach der heil. Petrus, 'das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?' 'Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.' 'Nun, es ist schon gut,' sagte der heil. Petrus, 'ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.' 'Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen' sprach der Bruder derweil herumgehen, bis es gahr ist; du mußt aber nicht eher zu essen anfangen, als bis ich wieder zurück bin; ich will schon zu rechter Zeit kommen.’ ‘Geh nur,’ sagte Bruder Lustig, ‘ich verstehe mich aufs Kochen, ich wills schon machen.’ Da gieng der heil. Petrus fort, und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm, machte Feuer an, warf das Fleisch in den Kessel, und kochte. Das Lamm war aber schon gahr, und der Apostel noch immer nicht zurück, da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel, zerschnitt es, und fand das Herz. ‘Das soll das Beste sein,’ sprach er, und versuchte es, zuletzt aber aß er es ganz auf. Endlich kam der heil. Petrus zurück, und sprach ‘du kannst das ganze Lamm allein essen, ich will nur das Herz davon, das gib mir.’ Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel, that als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum, könnte aber das Herz nicht finden; endlich sagte er kurz weg ‘es ist keins da.’ ‘Nun, wo solls denn sein?’ sagte der Apostel. ‘Das weiß ich nicht,’ antwortete der Bruder Lustig, ‘aber schau, was sind wir alle beide für Narren, suchen das Herz vom Lamm, und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz.’ ‘Ei,’ sprach der heil. Petrus, ‘das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?’ ‘Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.’ ‘Nun, es ist schon gut,’ sagte der heil. Petrus, ‘ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.’ ‘Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen’ sprach der Bruder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0529" n="480"/> derweil herumgehen, bis es gahr ist; du mußt aber nicht eher zu essen anfangen, als bis ich wieder zurück bin; ich will schon zu rechter Zeit kommen.’ ‘Geh nur,’ sagte Bruder Lustig, ‘ich verstehe mich aufs Kochen, ich wills schon machen.’ Da gieng der heil. Petrus fort, und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm, machte Feuer an, warf das Fleisch in den Kessel, und kochte. Das Lamm war aber schon gahr, und der Apostel noch immer nicht zurück, da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel, zerschnitt es, und fand das Herz. ‘Das soll das Beste sein,’ sprach er, und versuchte es, zuletzt aber aß er es ganz auf. Endlich kam der heil. Petrus zurück, und sprach ‘du kannst das ganze Lamm allein essen, ich will nur das Herz davon, das gib mir.’ Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel, that als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum, könnte aber das Herz nicht finden; endlich sagte er kurz weg ‘es ist keins da.’ ‘Nun, wo solls denn sein?’ sagte der Apostel. ‘Das weiß ich nicht,’ antwortete der Bruder Lustig, ‘aber schau, was sind wir alle beide für Narren, suchen das Herz vom Lamm, und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz.’ ‘Ei,’ sprach der heil. Petrus, ‘das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?’ ‘Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.’ ‘Nun, es ist schon gut,’ sagte der heil. Petrus, ‘ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.’ ‘Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen’ sprach der Bruder </p> </div> </body> </text> </TEI> [480/0529]
derweil herumgehen, bis es gahr ist; du mußt aber nicht eher zu essen anfangen, als bis ich wieder zurück bin; ich will schon zu rechter Zeit kommen.’ ‘Geh nur,’ sagte Bruder Lustig, ‘ich verstehe mich aufs Kochen, ich wills schon machen.’ Da gieng der heil. Petrus fort, und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm, machte Feuer an, warf das Fleisch in den Kessel, und kochte. Das Lamm war aber schon gahr, und der Apostel noch immer nicht zurück, da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel, zerschnitt es, und fand das Herz. ‘Das soll das Beste sein,’ sprach er, und versuchte es, zuletzt aber aß er es ganz auf. Endlich kam der heil. Petrus zurück, und sprach ‘du kannst das ganze Lamm allein essen, ich will nur das Herz davon, das gib mir.’ Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel, that als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum, könnte aber das Herz nicht finden; endlich sagte er kurz weg ‘es ist keins da.’ ‘Nun, wo solls denn sein?’ sagte der Apostel. ‘Das weiß ich nicht,’ antwortete der Bruder Lustig, ‘aber schau, was sind wir alle beide für Narren, suchen das Herz vom Lamm, und fällt keinem von uns ein, ein Lamm hat ja kein Herz.’ ‘Ei,’ sprach der heil. Petrus, ‘das ist was ganz Neues, jedes Thier hat ja ein Herz, warum sollt ein Lamm kein Herz haben?’ ‘Nein, gewißlich, Bruder, ein Lamm hat kein Herz, denk nur recht nach, so wird dirs einfallen, es hat im Ernst keins.’ ‘Nun, es ist schon gut,’ sagte der heil. Petrus, ‘ist kein Herz da, so brauch ich auch nichts vom Lamm, du kannsts allein essen.’ ‘Was ich halt nicht aufessen kann, das nehm ich mit in meinem Ranzen’ sprach der Bruder
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-07-24T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |