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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

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Es sei mir erlaubt mit einigen allgemeinen Betrachtungen diese Übersicht zu schließen.

Die Übereinstimmung zwischen Märchen durch Zeit und Entfernung weit getrennter nicht minder als nahe an einander gränzender Völker beruht, theils in der ihnen zu Grund liegenden Jdee und der Darstellung bestimmter Charaktere, theils in der besondern Verflechtung und Lösung der Verhältnisse. Es gibt aber Zustände, die so einfach und natürlich sind, daß sie überall wieder kehren, wie es Gedanken gibt, die sich wie von selbst einfinden, es konnten sich daher in den verschiedensten Ländern dieselben oder doch sehr ähnliche Märchen unabhängig von einander erzeugen: sie sind den einzelnen Wörtern vergleichbar, welche auch nicht verwandte Sprachen durch Nachahmung der Naturlaute mit geringer Abweichung oder auch ganz übereinstimmend hervor bringen. Man begegnet Märchen dieser Art, wo man die Übereinstimmung als Zufall betrachten kann, aber in den meisten Fällen wird der gemeinsame Grundgedanke durch die besondere, oft unerwartete, ja eigensinnige Ausführung eine Gestalt gewonnen haben, welche die Annahme einer bloß scheinbaren Verwandtschaft nicht zuläßt. Jch will einige Beispiele anführen. Nichts ist natürlicher als die Erfüllung einer Bitte an die Lösung schwieriger Aufgaben zu knüpfen, aber wenn die Aufgaben die seltsamsten von der Welt sind, wie bei der klugen Bauerntochter (Nr 94) und sie stimmen überein, so kann dies nicht mehr Zufall sein. Daß man in schwierigen Fällen einen Schiedsrichter anruft, versteht sich fast von selbst, aber daß aller Orten gerade drei uneins sind, und zwar mit höheren Kräften ausgestattete Wesen, daß es eine Erbschaft ist, die getheilt werden soll, und diese aus drei wunderbaren Dingen besteht, daß endlich der als Schiedsmann angerufene Mensch die Eigenthümer listig darum betrügt (der Mensch muß die selten sich darbietende Gelegenheit benutzen, wenn er den

Es sei mir erlaubt mit einigen allgemeinen Betrachtungen diese Übersicht zu schließen.

Die Übereinstimmung zwischen Märchen durch Zeit und Entfernung weit getrennter nicht minder als nahe an einander gränzender Völker beruht, theils in der ihnen zu Grund liegenden Jdee und der Darstellung bestimmter Charaktere, theils in der besondern Verflechtung und Lösung der Verhältnisse. Es gibt aber Zustände, die so einfach und natürlich sind, daß sie überall wieder kehren, wie es Gedanken gibt, die sich wie von selbst einfinden, es konnten sich daher in den verschiedensten Ländern dieselben oder doch sehr ähnliche Märchen unabhängig von einander erzeugen: sie sind den einzelnen Wörtern vergleichbar, welche auch nicht verwandte Sprachen durch Nachahmung der Naturlaute mit geringer Abweichung oder auch ganz übereinstimmend hervor bringen. Man begegnet Märchen dieser Art, wo man die Übereinstimmung als Zufall betrachten kann, aber in den meisten Fällen wird der gemeinsame Grundgedanke durch die besondere, oft unerwartete, ja eigensinnige Ausführung eine Gestalt gewonnen haben, welche die Annahme einer bloß scheinbaren Verwandtschaft nicht zuläßt. Jch will einige Beispiele anführen. Nichts ist natürlicher als die Erfüllung einer Bitte an die Lösung schwieriger Aufgaben zu knüpfen, aber wenn die Aufgaben die seltsamsten von der Welt sind, wie bei der klugen Bauerntochter (Nr 94) und sie stimmen überein, so kann dies nicht mehr Zufall sein. Daß man in schwierigen Fällen einen Schiedsrichter anruft, versteht sich fast von selbst, aber daß aller Orten gerade drei uneins sind, und zwar mit höheren Kräften ausgestattete Wesen, daß es eine Erbschaft ist, die getheilt werden soll, und diese aus drei wunderbaren Dingen besteht, daß endlich der als Schiedsmann angerufene Mensch die Eigenthümer listig darum betrügt (der Mensch muß die selten sich darbietende Gelegenheit benutzen, wenn er den

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[LXII/0068] Es sei mir erlaubt mit einigen allgemeinen Betrachtungen diese Übersicht zu schließen. Die Übereinstimmung zwischen Märchen durch Zeit und Entfernung weit getrennter nicht minder als nahe an einander gränzender Völker beruht, theils in der ihnen zu Grund liegenden Jdee und der Darstellung bestimmter Charaktere, theils in der besondern Verflechtung und Lösung der Verhältnisse. Es gibt aber Zustände, die so einfach und natürlich sind, daß sie überall wieder kehren, wie es Gedanken gibt, die sich wie von selbst einfinden, es konnten sich daher in den verschiedensten Ländern dieselben oder doch sehr ähnliche Märchen unabhängig von einander erzeugen: sie sind den einzelnen Wörtern vergleichbar, welche auch nicht verwandte Sprachen durch Nachahmung der Naturlaute mit geringer Abweichung oder auch ganz übereinstimmend hervor bringen. Man begegnet Märchen dieser Art, wo man die Übereinstimmung als Zufall betrachten kann, aber in den meisten Fällen wird der gemeinsame Grundgedanke durch die besondere, oft unerwartete, ja eigensinnige Ausführung eine Gestalt gewonnen haben, welche die Annahme einer bloß scheinbaren Verwandtschaft nicht zuläßt. Jch will einige Beispiele anführen. Nichts ist natürlicher als die Erfüllung einer Bitte an die Lösung schwieriger Aufgaben zu knüpfen, aber wenn die Aufgaben die seltsamsten von der Welt sind, wie bei der klugen Bauerntochter (Nr 94) und sie stimmen überein, so kann dies nicht mehr Zufall sein. Daß man in schwierigen Fällen einen Schiedsrichter anruft, versteht sich fast von selbst, aber daß aller Orten gerade drei uneins sind, und zwar mit höheren Kräften ausgestattete Wesen, daß es eine Erbschaft ist, die getheilt werden soll, und diese aus drei wunderbaren Dingen besteht, daß endlich der als Schiedsmann angerufene Mensch die Eigenthümer listig darum betrügt (der Mensch muß die selten sich darbietende Gelegenheit benutzen, wenn er den

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. LXII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/68>, abgerufen am 21.11.2024.