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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

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Zwergen oder Kobolden ihre übernatürlichen Schätze abgewinnen will), das setzt einen Zusammenhang der Überlieferung voraus. Dies Gemeinsame gleicht einem Brunnen, dessen Tiefe man nicht kennt, aus dem aber jeder nach seinem Bedürfnis schöpft.

Jch leugne nicht die Möglichkeit, in einzelnen Fällen nicht die Wahrscheinlichkeit des Übergangs eines Märchens von einem Volk zum andern, das dann auf dem fremden Boden fest wurzelt: ist doch das Siegfriedslied schon frühe von dem Norden aufgenommen worden. Aber mit einzelnen Ausnahmen erklärt man noch nicht den großen Umfang und die weite Verbreitung des gemeinsamen Besitzes: tauchen nicht dieselben Märchen an den entferntesten Orten wieder auf, wie eine Quelle an weit abliegenden Stellen wieder durchbricht? Wie die Hausthiere, das Getreide, Acker- Küchen- und Stubengeräthe, die Waffen, überhaupt die Dinge, ohne welche das Zusammenleben der Menschen nicht möglich scheint, so zeigen sich auch Sage und Märchen, der befeuchtende Thau der Poesie, so weit der Blick reicht, in jener auffallenden und zugleich unabhängigen Übereinstimmung. Auch in gleicher Nothwendigkeit des Daseins, denn nur wo Geldgier und die schnarrenden Räder der Maschinen jeden andern Gedanken betäuben, meint man ihrer entrathen zu können. Wo noch gesicherte, herkömmliche Ordnung und Sitte des Lebens herrscht, dauern sie fort: die besten habe ich von Bauern vernommen, und ich weiß daß dies Buch von ihnen mit der größten Freude ist gelesen, ja im eigentlichen Sinne vergriffen worden; selbst bei den schon lange dem Vaterland entfremdeten Deutschen in Pensilvanien, hat sich noch Empfänglichkeit dafür gezeigt. Will man sich eine plötzliche Ankunft der Sage denken, etwa wie den Strom eines wandernden Volks, der sich in unbewohnte Landesstrecken, in eine nach der andern, ergießt und sie erfüllt? Wie will man es erklären, wenn die Erzählung in einem einsamen hessischen Gebirgsdorf mit einem indischen

Zwergen oder Kobolden ihre übernatürlichen Schätze abgewinnen will), das setzt einen Zusammenhang der Überlieferung voraus. Dies Gemeinsame gleicht einem Brunnen, dessen Tiefe man nicht kennt, aus dem aber jeder nach seinem Bedürfnis schöpft.

Jch leugne nicht die Möglichkeit, in einzelnen Fällen nicht die Wahrscheinlichkeit des Übergangs eines Märchens von einem Volk zum andern, das dann auf dem fremden Boden fest wurzelt: ist doch das Siegfriedslied schon frühe von dem Norden aufgenommen worden. Aber mit einzelnen Ausnahmen erklärt man noch nicht den großen Umfang und die weite Verbreitung des gemeinsamen Besitzes: tauchen nicht dieselben Märchen an den entferntesten Orten wieder auf, wie eine Quelle an weit abliegenden Stellen wieder durchbricht? Wie die Hausthiere, das Getreide, Acker- Küchen- und Stubengeräthe, die Waffen, überhaupt die Dinge, ohne welche das Zusammenleben der Menschen nicht möglich scheint, so zeigen sich auch Sage und Märchen, der befeuchtende Thau der Poesie, so weit der Blick reicht, in jener auffallenden und zugleich unabhängigen Übereinstimmung. Auch in gleicher Nothwendigkeit des Daseins, denn nur wo Geldgier und die schnarrenden Räder der Maschinen jeden andern Gedanken betäuben, meint man ihrer entrathen zu können. Wo noch gesicherte, herkömmliche Ordnung und Sitte des Lebens herrscht, dauern sie fort: die besten habe ich von Bauern vernommen, und ich weiß daß dies Buch von ihnen mit der größten Freude ist gelesen, ja im eigentlichen Sinne vergriffen worden; selbst bei den schon lange dem Vaterland entfremdeten Deutschen in Pensilvanien, hat sich noch Empfänglichkeit dafür gezeigt. Will man sich eine plötzliche Ankunft der Sage denken, etwa wie den Strom eines wandernden Volks, der sich in unbewohnte Landesstrecken, in eine nach der andern, ergießt und sie erfüllt? Wie will man es erklären, wenn die Erzählung in einem einsamen hessischen Gebirgsdorf mit einem indischen

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[LXIII/0069] Zwergen oder Kobolden ihre übernatürlichen Schätze abgewinnen will), das setzt einen Zusammenhang der Überlieferung voraus. Dies Gemeinsame gleicht einem Brunnen, dessen Tiefe man nicht kennt, aus dem aber jeder nach seinem Bedürfnis schöpft. Jch leugne nicht die Möglichkeit, in einzelnen Fällen nicht die Wahrscheinlichkeit des Übergangs eines Märchens von einem Volk zum andern, das dann auf dem fremden Boden fest wurzelt: ist doch das Siegfriedslied schon frühe von dem Norden aufgenommen worden. Aber mit einzelnen Ausnahmen erklärt man noch nicht den großen Umfang und die weite Verbreitung des gemeinsamen Besitzes: tauchen nicht dieselben Märchen an den entferntesten Orten wieder auf, wie eine Quelle an weit abliegenden Stellen wieder durchbricht? Wie die Hausthiere, das Getreide, Acker- Küchen- und Stubengeräthe, die Waffen, überhaupt die Dinge, ohne welche das Zusammenleben der Menschen nicht möglich scheint, so zeigen sich auch Sage und Märchen, der befeuchtende Thau der Poesie, so weit der Blick reicht, in jener auffallenden und zugleich unabhängigen Übereinstimmung. Auch in gleicher Nothwendigkeit des Daseins, denn nur wo Geldgier und die schnarrenden Räder der Maschinen jeden andern Gedanken betäuben, meint man ihrer entrathen zu können. Wo noch gesicherte, herkömmliche Ordnung und Sitte des Lebens herrscht, dauern sie fort: die besten habe ich von Bauern vernommen, und ich weiß daß dies Buch von ihnen mit der größten Freude ist gelesen, ja im eigentlichen Sinne vergriffen worden; selbst bei den schon lange dem Vaterland entfremdeten Deutschen in Pensilvanien, hat sich noch Empfänglichkeit dafür gezeigt. Will man sich eine plötzliche Ankunft der Sage denken, etwa wie den Strom eines wandernden Volks, der sich in unbewohnte Landesstrecken, in eine nach der andern, ergießt und sie erfüllt? Wie will man es erklären, wenn die Erzählung in einem einsamen hessischen Gebirgsdorf mit einem indischen

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. LXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/69>, abgerufen am 21.11.2024.