Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 2. Berlin, 1819.weh'! weh'! Windchen,
nimm dem Kürdchen sein Hütchen und laß'n sich mit jagen, bis ich mich geflochten und geschnatzt und wieder aufgesatzt. Da wehte der Wind und wehte ihm das Hütchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte sie längst ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwischen, und sie hüteten die Gänse bis es Abend wurde. Abends aber, nachdem sie heim kamen, ging Kürdchen vor den alten König und sagte: "mit dem Mädchen will ich nicht länger Gänse hüten." " Warum denn?" sprach der alte König. "Ei, das ärgert mich den ganzen Tag." Da befahl ihm der alte König, zu erzählen, wie's ihm denn mit ihr ginge. Da sagte Kürdchen: "des Morgens, wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie: Falada, da du hangest,
da antwortet der Kopf: o du Königsjungfer, da du gangest,
wenn das deine Mutter wüßte, das Herz thät ihr zerspringen! Und so erzählte Kürdchen weiter was auf der Ganswiese geschähe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen müßte. Der alte König befahl ihm aber, den nächsten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgens war, setzte sich weh’! weh’! Windchen,
nimm dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen und laß’n sich mit jagen, bis ich mich geflochten und geschnatzt und wieder aufgesatzt. Da wehte der Wind und wehte ihm das Huͤtchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte sie laͤngst ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwischen, und sie huͤteten die Gaͤnse bis es Abend wurde. Abends aber, nachdem sie heim kamen, ging Kuͤrdchen vor den alten Koͤnig und sagte: „mit dem Maͤdchen will ich nicht laͤnger Gaͤnse huͤten.“ „ Warum denn?“ sprach der alte Koͤnig. „Ei, das aͤrgert mich den ganzen Tag.“ Da befahl ihm der alte Koͤnig, zu erzaͤhlen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da sagte Kuͤrdchen: „des Morgens, wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie: Falada, da du hangest,
da antwortet der Kopf: o du Koͤnigsjungfer, da du gangest,
wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz thaͤt ihr zerspringen! Und so erzaͤhlte Kuͤrdchen weiter was auf der Ganswiese geschaͤhe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen muͤßte. Der alte Koͤnig befahl ihm aber, den naͤchsten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgens war, setzte sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0097" n="19"/> <lg type="poem"> <l>weh’! weh’! Windchen,</l><lb/> <l>nimm dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen</l><lb/> <l>und laß’n sich mit jagen,</l><lb/> <l>bis ich mich geflochten und geschnatzt</l><lb/> <l>und wieder aufgesatzt.</l><lb/> </lg> <p>Da wehte der Wind und wehte ihm das Huͤtchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte sie laͤngst ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwischen, und sie huͤteten die Gaͤnse bis es Abend wurde.</p><lb/> <p>Abends aber, nachdem sie heim kamen, ging Kuͤrdchen vor den alten Koͤnig und sagte: „mit dem Maͤdchen will ich nicht laͤnger Gaͤnse huͤten.“ „ Warum denn?“ sprach der alte Koͤnig. „Ei, das aͤrgert mich den ganzen Tag.“ Da befahl ihm der alte Koͤnig, zu erzaͤhlen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da sagte Kuͤrdchen: „des Morgens, wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Falada, da du hangest,</l><lb/> </lg> <p>da antwortet der Kopf:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>o du Koͤnigsjungfer, da du gangest,</l><lb/> <l>wenn das deine Mutter wuͤßte,</l><lb/> <l>das Herz thaͤt ihr zerspringen!</l><lb/> </lg> <p>Und so erzaͤhlte Kuͤrdchen weiter was auf der Ganswiese geschaͤhe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen muͤßte.</p><lb/> <p>Der alte Koͤnig befahl ihm aber, den naͤchsten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgens war, setzte sich </p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0097]
weh’! weh’! Windchen,
nimm dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen
und laß’n sich mit jagen,
bis ich mich geflochten und geschnatzt
und wieder aufgesatzt.
Da wehte der Wind und wehte ihm das Huͤtchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte sie laͤngst ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwischen, und sie huͤteten die Gaͤnse bis es Abend wurde.
Abends aber, nachdem sie heim kamen, ging Kuͤrdchen vor den alten Koͤnig und sagte: „mit dem Maͤdchen will ich nicht laͤnger Gaͤnse huͤten.“ „ Warum denn?“ sprach der alte Koͤnig. „Ei, das aͤrgert mich den ganzen Tag.“ Da befahl ihm der alte Koͤnig, zu erzaͤhlen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da sagte Kuͤrdchen: „des Morgens, wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie:
Falada, da du hangest,
da antwortet der Kopf:
o du Koͤnigsjungfer, da du gangest,
wenn das deine Mutter wuͤßte,
das Herz thaͤt ihr zerspringen!
Und so erzaͤhlte Kuͤrdchen weiter was auf der Ganswiese geschaͤhe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen muͤßte.
Der alte Koͤnig befahl ihm aber, den naͤchsten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgens war, setzte sich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-06-15T16:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12546-6) in Bd. 2, S. 305–308 ein Wörterverzeichnis mit Begriffserläuterungen.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |