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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837.

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Dann steckte er die Häupter zu sich, und kletterte über die Mauer und gieng fort, das Schloß seiner Liebsten zu suchen. Als er ein paar Tage herumgestrichen war, fand er es glücklicherweise wieder. Da bräunte er sich schnell sein Gesicht, daß ihn seine eigene Mutter nicht erkannt hätte, gieng in das Schloß, und bat um eine Herberge. 'Jch bin so müde,' sprach er, 'und kann nicht weiter.' Fragte die Hexe 'Landsmann, wer seyd ihr, und was ist euer Geschäft?' Er antwortete 'ich bin ein Bote, und war ausgeschickt, den köstlichsten Salat zu suchen, der unter der Sonne wächst. Jch bin auch so glücklich gewesen ihn zu finden, und trage ihn bei mir, aber die Sonnenhitze brennt gar zu stark, daß mir das zarte Kraut zu welken droht, und ich nicht weiß ob ich es weiter bringen werde.'

Als die Alte von dem köstlichen Salat hörte, ward sie lüstern und sprach 'lieber Landsmann, laßt mich doch den wunderbaren Salat versuchen.' 'Warum nicht?' antwortete er, 'ich habe zwei Häupter mitgebracht, und will euch eins geben,' machte seinen Sack auf, und reichte ihr das böse hin. Die Hexe dachte an nichts Arges, und der Mund wässerte ihr so sehr nach dem neuen Gericht, daß sie selbst in die Küche gieng, und es zubereitete. Als er fertig war, konnte sie nicht warten, bis es auf dem Tisch stand, sondern sie nahm gleich ein paar Blätter, und steckte sie in den Mund, kaum aber waren sie verschluckt, so war auch die menschliche Gestalt verloren, und sie lief als eine Eselin hinab in den Hof. Nun kam die Magd in die Küche, sah den fertigen Salat da stehen, und wollte ihn auftragen, unterwegs aber überfiel sie,

Dann steckte er die Haͤupter zu sich, und kletterte uͤber die Mauer und gieng fort, das Schloß seiner Liebsten zu suchen. Als er ein paar Tage herumgestrichen war, fand er es gluͤcklicherweise wieder. Da braͤunte er sich schnell sein Gesicht, daß ihn seine eigene Mutter nicht erkannt haͤtte, gieng in das Schloß, und bat um eine Herberge. ‘Jch bin so muͤde,’ sprach er, ‘und kann nicht weiter.’ Fragte die Hexe ‘Landsmann, wer seyd ihr, und was ist euer Geschaͤft?’ Er antwortete ‘ich bin ein Bote, und war ausgeschickt, den koͤstlichsten Salat zu suchen, der unter der Sonne waͤchst. Jch bin auch so gluͤcklich gewesen ihn zu finden, und trage ihn bei mir, aber die Sonnenhitze brennt gar zu stark, daß mir das zarte Kraut zu welken droht, und ich nicht weiß ob ich es weiter bringen werde.’

Als die Alte von dem koͤstlichen Salat hoͤrte, ward sie luͤstern und sprach ‘lieber Landsmann, laßt mich doch den wunderbaren Salat versuchen.’ ‘Warum nicht?’ antwortete er, ‘ich habe zwei Haͤupter mitgebracht, und will euch eins geben,’ machte seinen Sack auf, und reichte ihr das boͤse hin. Die Hexe dachte an nichts Arges, und der Mund waͤsserte ihr so sehr nach dem neuen Gericht, daß sie selbst in die Kuͤche gieng, und es zubereitete. Als er fertig war, konnte sie nicht warten, bis es auf dem Tisch stand, sondern sie nahm gleich ein paar Blaͤtter, und steckte sie in den Mund, kaum aber waren sie verschluckt, so war auch die menschliche Gestalt verloren, und sie lief als eine Eselin hinab in den Hof. Nun kam die Magd in die Kuͤche, sah den fertigen Salat da stehen, und wollte ihn auftragen, unterwegs aber uͤberfiel sie,

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[195/0211] Dann steckte er die Haͤupter zu sich, und kletterte uͤber die Mauer und gieng fort, das Schloß seiner Liebsten zu suchen. Als er ein paar Tage herumgestrichen war, fand er es gluͤcklicherweise wieder. Da braͤunte er sich schnell sein Gesicht, daß ihn seine eigene Mutter nicht erkannt haͤtte, gieng in das Schloß, und bat um eine Herberge. ‘Jch bin so muͤde,’ sprach er, ‘und kann nicht weiter.’ Fragte die Hexe ‘Landsmann, wer seyd ihr, und was ist euer Geschaͤft?’ Er antwortete ‘ich bin ein Bote, und war ausgeschickt, den koͤstlichsten Salat zu suchen, der unter der Sonne waͤchst. Jch bin auch so gluͤcklich gewesen ihn zu finden, und trage ihn bei mir, aber die Sonnenhitze brennt gar zu stark, daß mir das zarte Kraut zu welken droht, und ich nicht weiß ob ich es weiter bringen werde.’ Als die Alte von dem koͤstlichen Salat hoͤrte, ward sie luͤstern und sprach ‘lieber Landsmann, laßt mich doch den wunderbaren Salat versuchen.’ ‘Warum nicht?’ antwortete er, ‘ich habe zwei Haͤupter mitgebracht, und will euch eins geben,’ machte seinen Sack auf, und reichte ihr das boͤse hin. Die Hexe dachte an nichts Arges, und der Mund waͤsserte ihr so sehr nach dem neuen Gericht, daß sie selbst in die Kuͤche gieng, und es zubereitete. Als er fertig war, konnte sie nicht warten, bis es auf dem Tisch stand, sondern sie nahm gleich ein paar Blaͤtter, und steckte sie in den Mund, kaum aber waren sie verschluckt, so war auch die menschliche Gestalt verloren, und sie lief als eine Eselin hinab in den Hof. Nun kam die Magd in die Kuͤche, sah den fertigen Salat da stehen, und wollte ihn auftragen, unterwegs aber uͤberfiel sie,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 2. Göttingen, 1837, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1837/211>, abgerufen am 21.11.2024.