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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
lassen; Jn Summa/ es war Gebeins genug vorhan-
den zu einem gantzen Maul voll Zähn/ es war aber
gar übel außgetheilt/ ihr Angesicht sahe wie Spa-
nisch Leder/ und ihre weisse Haar hiengen ihr seltzam
zerstrobelt umb den Kopff herumb/ weil man sie erst
auß dem Bett geholt hatte; ihre lange Brüst weiß
ich nichts anders zu vergleichen/ als zweyen lumme-
richten Kuh-Blasen/ denen zwey Drittel vom Blast
entgangen/ unden hienge an jeder ein schwartz-brau-
ner Zapff halb Fingers lang; Warhafftig ein er-
schröcklicher Anblick/ der zu nichts anders/ als vor
eine treffliche Artzney wider die unsinnige Liebe der
gailen Böck hätte dienen mögen/ die andere zwo wa-
ren gar nicht schöner/ ohne daß dieselbe stumpffe Af-
fen-Näslein/ und ihre Kleider etwas ordentlicher
angethan hatten: Als ich mich besser erkoverte/ sahe
ich/ daß die eine unser Schüsselwäscherin/ die andere
zwo aber zweyer Fourierschützen Weiber waren.
Jch stellte mich/ als wenn ich mich nicht zu regen
vermochte/ wie mich dann in Warheit auch nicht
tantzerte/ als diese ehrliche alte Mütterlein mich
splitter-nackend außzogen/ und von allem Unrath wie
ein junges Kind säuberten: Doch thät mir solches
trefflich sanfft/ sie bezeugten unter währender Arbeit
ein grosse Gedult und treffliches Mitleiden/ also daß
ich ihnen bey nahe offenbart hätte/ wie wol mein Han-
del noch stünde; doch gedacht ich/ Nein Simplici!
vertraue keinem alten Weib/ sondern gedencke/ du
habest Victori genug/ wenn du in deiner Jugend drey
abgefäumte alte Vetteln/ mit denen man den Teuffel
im weiten Feld fangen möchte/ betrügen kanst; du
kanst auß dieser Occasion Hoffnung schöpffen/ im

Alter

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
laſſen; Jn Sum̃a/ es war Gebeins genug vorhan-
den zu einem gantzen Maul voll Zaͤhn/ es war aber
gar uͤbel außgetheilt/ ihr Angeſicht ſahe wie Spa-
niſch Leder/ und ihre weiſſe Haar hiengen ihr ſeltzam
zerſtrobelt umb den Kopff herumb/ weil man ſie erſt
auß dem Bett geholt hatte; ihre lange Bruͤſt weiß
ich nichts anders zu vergleichen/ als zweyen lumme-
richten Kuh-Blaſen/ denen zwey Drittel vom Blaſt
entgangen/ unden hienge an jeder ein ſchwartz-brau-
ner Zapff halb Fingers lang; Warhafftig ein er-
ſchroͤcklicher Anblick/ der zu nichts anders/ als vor
eine treffliche Artzney wider die unſinnige Liebe der
gailen Boͤck haͤtte dienen moͤgen/ die andere zwo wa-
ren gar nicht ſchoͤner/ ohne daß dieſelbe ſtumpffe Af-
fen-Naͤslein/ und ihre Kleider etwas ordentlicher
angethan hatten: Als ich mich beſſer erkoverte/ ſahe
ich/ daß die eine unſer Schuͤſſelwaͤſcherin/ die andere
zwo aber zweyer Fourierſchuͤtzen Weiber waren.
Jch ſtellte mich/ als wenn ich mich nicht zu regen
vermochte/ wie mich dann in Warheit auch nicht
tantzerte/ als dieſe ehrliche alte Muͤtterlein mich
ſplitter-nackend außzogen/ und von allem Unrath wie
ein junges Kind ſaͤuberten: Doch thaͤt mir ſolches
trefflich ſanfft/ ſie bezeugten unter waͤhrender Arbeit
ein groſſe Gedult und treffliches Mitleiden/ alſo daß
ich ihnen bey nahe offenbart haͤtte/ wie wol mein Han-
del noch ſtuͤnde; doch gedacht ich/ Nein Simplici!
vertraue keinem alten Weib/ ſondern gedencke/ du
habeſt Victori genug/ wenn du in deiner Jugend drey
abgefaͤumte alte Vetteln/ mit denen man den Teuffel
im weiten Feld fangen moͤchte/ betruͤgen kanſt; du
kanſt auß dieſer Occaſion Hoffnung ſchoͤpffen/ im

Alter
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[140/0146] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi laſſen; Jn Sum̃a/ es war Gebeins genug vorhan- den zu einem gantzen Maul voll Zaͤhn/ es war aber gar uͤbel außgetheilt/ ihr Angeſicht ſahe wie Spa- niſch Leder/ und ihre weiſſe Haar hiengen ihr ſeltzam zerſtrobelt umb den Kopff herumb/ weil man ſie erſt auß dem Bett geholt hatte; ihre lange Bruͤſt weiß ich nichts anders zu vergleichen/ als zweyen lumme- richten Kuh-Blaſen/ denen zwey Drittel vom Blaſt entgangen/ unden hienge an jeder ein ſchwartz-brau- ner Zapff halb Fingers lang; Warhafftig ein er- ſchroͤcklicher Anblick/ der zu nichts anders/ als vor eine treffliche Artzney wider die unſinnige Liebe der gailen Boͤck haͤtte dienen moͤgen/ die andere zwo wa- ren gar nicht ſchoͤner/ ohne daß dieſelbe ſtumpffe Af- fen-Naͤslein/ und ihre Kleider etwas ordentlicher angethan hatten: Als ich mich beſſer erkoverte/ ſahe ich/ daß die eine unſer Schuͤſſelwaͤſcherin/ die andere zwo aber zweyer Fourierſchuͤtzen Weiber waren. Jch ſtellte mich/ als wenn ich mich nicht zu regen vermochte/ wie mich dann in Warheit auch nicht tantzerte/ als dieſe ehrliche alte Muͤtterlein mich ſplitter-nackend außzogen/ und von allem Unrath wie ein junges Kind ſaͤuberten: Doch thaͤt mir ſolches trefflich ſanfft/ ſie bezeugten unter waͤhrender Arbeit ein groſſe Gedult und treffliches Mitleiden/ alſo daß ich ihnen bey nahe offenbart haͤtte/ wie wol mein Han- del noch ſtuͤnde; doch gedacht ich/ Nein Simplici! vertraue keinem alten Weib/ ſondern gedencke/ du habeſt Victori genug/ wenn du in deiner Jugend drey abgefaͤumte alte Vetteln/ mit denen man den Teuffel im weiten Feld fangen moͤchte/ betruͤgen kanſt; du kanſt auß dieſer Occaſion Hoffnung ſchoͤpffen/ im Alter

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/146>, abgerufen am 21.11.2024.