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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
gesetzt hatten/ erzehlte ich ihm mein gantzes Leben/ er
beschaute meine Händ/ und verwundert sich beydes
über die verwichene und künfftige seltzame Zufälle;
Wolte mir aber durchauß nicht rathen/ daß ich in
Bälde mein Narrn-Kleid ablegen solte/ weil er/ wie
er sagte/ vermittelst der Chiromantia sahe/ daß mir
mein fatum eine Gefängnus androhe/ die Leib- und
Lebensgefahr mit sich brächte. Jch bedanckte mich
seiner guten Neigung und mitgetheilten Raths/ und
bat GOtt/ daß er ihm seine Treuhertzigkeit belohnen/
Jhn selber aber/ daß er (weil ich von aller Welt ver-
lassen wäre) mein getreuer Freund und Vatter seyn
und bleiben wolte.

Demnach stunden wir auff/ und kamen auff den
Spielplatz/ da man mit Würffeln turnieret/ und alle
Schwur mit hundert tausend mal tausend/ Galleen/
Rennschifflein/ Tonnen und Stattgräben voll/ etc.
herauß fluchte; der Platz war ungefähr so groß als
der Alte Marckt zu Cöln/ überall mit Mänteln über-
streut/ und mit Tischen bestellt/ die alle mit Spielern
umbgeben waren; Jede Gesellschafft hatte drey vier-
eckigte Schelmenbeiner/ denen sie ihr Glück vertrau-
ten/ weil sie ihr Geld theilen/ und solches dem einen
geben/ dem andern aber nemmen musten: So hatte
auch jeder Mantel oder Tisch einen Schunderer/
(Scholderer wolte ich sagen/ und hätte doch schier
Schinder gesagt) dieser Ampt war/ daß sie Richter
seyn/ und zusehen solten/ daß keinem unrecht gesche-
he; sie liehen auch Mäntel/ Tisch und Würffel her/
und wusten deßwegen ihr Gebühr so wol vom Ge-
win einzunemmen/ daß sie gewöhnlich das meiste Geld
erschnappten/ doch faselt es nicht/ dann sie verspiel-

tens

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
geſetzt hatten/ erzehlte ich ihm mein gantzes Leben/ er
beſchaute meine Haͤnd/ und verwundert ſich beydes
uͤber die verwichene und kuͤnfftige ſeltzame Zufaͤlle;
Wolte mir aber durchauß nicht rathen/ daß ich in
Baͤlde mein Narꝛn-Kleid ablegen ſolte/ weil er/ wie
er ſagte/ vermittelſt der Chiromantia ſahe/ daß mir
mein fatum eine Gefaͤngnus androhe/ die Leib- und
Lebensgefahr mit ſich braͤchte. Jch bedanckte mich
ſeiner guten Neigung und mitgetheilten Raths/ und
bat GOtt/ daß er ihm ſeine Treuhertzigkeit belohnen/
Jhn ſelber aber/ daß er (weil ich von aller Welt ver-
laſſen waͤre) mein getreuer Freund und Vatter ſeyn
und bleiben wolte.

Demnach ſtunden wir auff/ und kamen auff den
Spielplatz/ da man mit Wuͤrffeln turnieret/ und alle
Schwur mit hundert tauſend mal tauſend/ Galleen/
Rennſchifflein/ Tonnen und Stattgraͤben voll/ ꝛc.
herauß fluchte; der Platz war ungefaͤhr ſo groß als
der Alte Marckt zu Coͤln/ uͤberall mit Maͤnteln uͤber-
ſtreut/ und mit Tiſchen beſtellt/ die alle mit Spielern
umbgeben waren; Jede Geſellſchafft hatte drey vier-
eckigte Schelmenbeiner/ denen ſie ihr Gluͤck vertrau-
ten/ weil ſie ihr Geld theilen/ und ſolches dem einen
geben/ dem andern aber nemmen muſten: So hatte
auch jeder Mantel oder Tiſch einen Schunderer/
(Scholderer wolte ich ſagen/ und haͤtte doch ſchier
Schinder geſagt) dieſer Ampt war/ daß ſie Richter
ſeyn/ und zuſehen ſolten/ daß keinem unrecht geſche-
he; ſie liehen auch Maͤntel/ Tiſch und Wuͤrffel her/
und wuſten deßwegen ihr Gebuͤhr ſo wol vom Ge-
win einzunem̃en/ daß ſie gewoͤhnlich das meiſte Geld
erſchnappten/ doch faſelt es nicht/ dann ſie verſpiel-

tens
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[198/0204] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi geſetzt hatten/ erzehlte ich ihm mein gantzes Leben/ er beſchaute meine Haͤnd/ und verwundert ſich beydes uͤber die verwichene und kuͤnfftige ſeltzame Zufaͤlle; Wolte mir aber durchauß nicht rathen/ daß ich in Baͤlde mein Narꝛn-Kleid ablegen ſolte/ weil er/ wie er ſagte/ vermittelſt der Chiromantia ſahe/ daß mir mein fatum eine Gefaͤngnus androhe/ die Leib- und Lebensgefahr mit ſich braͤchte. Jch bedanckte mich ſeiner guten Neigung und mitgetheilten Raths/ und bat GOtt/ daß er ihm ſeine Treuhertzigkeit belohnen/ Jhn ſelber aber/ daß er (weil ich von aller Welt ver- laſſen waͤre) mein getreuer Freund und Vatter ſeyn und bleiben wolte. Demnach ſtunden wir auff/ und kamen auff den Spielplatz/ da man mit Wuͤrffeln turnieret/ und alle Schwur mit hundert tauſend mal tauſend/ Galleen/ Rennſchifflein/ Tonnen und Stattgraͤben voll/ ꝛc. herauß fluchte; der Platz war ungefaͤhr ſo groß als der Alte Marckt zu Coͤln/ uͤberall mit Maͤnteln uͤber- ſtreut/ und mit Tiſchen beſtellt/ die alle mit Spielern umbgeben waren; Jede Geſellſchafft hatte drey vier- eckigte Schelmenbeiner/ denen ſie ihr Gluͤck vertrau- ten/ weil ſie ihr Geld theilen/ und ſolches dem einen geben/ dem andern aber nemmen muſten: So hatte auch jeder Mantel oder Tiſch einen Schunderer/ (Scholderer wolte ich ſagen/ und haͤtte doch ſchier Schinder geſagt) dieſer Ampt war/ daß ſie Richter ſeyn/ und zuſehen ſolten/ daß keinem unrecht geſche- he; ſie liehen auch Maͤntel/ Tiſch und Wuͤrffel her/ und wuſten deßwegen ihr Gebuͤhr ſo wol vom Ge- win einzunem̃en/ daß ſie gewoͤhnlich das meiſte Geld erſchnappten/ doch faſelt es nicht/ dann ſie verſpiel- tens

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/204>, abgerufen am 23.11.2024.