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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Deß Abentheurl. Simplicissimi
unsicher war; Erhielte derowegen einen Paß/ vor
einen Straßburger Botten-läuffer/ und machte etli-
che Schreiben an mein Weib/ ihre Schwester und
Eltern/ als wann ich ihn damit nach L. schicken wol-
te/ stellte mich aber als wann ich wieder anders Sinns
worden wäre/ erpracticirte also den Paß vom Pot-
ten/ schickte mein Pferd und Diener wieder zuruck/
verkleidete mich in eine weiß und rothe Liberey/ und
fuhr also in einem Schiff hin und biß nach Cölln/
welche Statt damaln zwischen den kriegenden Par-
theyen Neutral war.

Jch gieng zuforderst hin meinen Jovem zu be-
suchen/ der mich hiebevor zu seinem Ganymede er-
klärt hatte/ umb zu erkundigen/ wie es mit meinen
hinderlegten Sachen eine Bewandtnuß hätte/ der
war aber damals wiederumb gantz hirnschellig und
unwillig über das Menschlich Geschlecht; O Mer-
curi,
sagte er zu mir/ als er mich sahe/ was bringst
du neues von Münster? vermeynen die Menschen
wolohn meinen Willen Frieden zu machen? Nim-
mermehr! Sie hatten ihn/ warumb haben sie ihn
nicht behalten? Giengen nit alle Laster im schwang/
als sie mich bewegten ihnen den Krieg zu senden?
womit haben sie seithero verdienet/ daß ich ihn den
Frieden widergeben solte? haben sie sich dann seit-
her bekehrt? seynd sie nicht ärger worden/ und selbst
mit in Krieg geloffen wie zu einer Kirmeß? oder ha-
den sie sich villeicht wegen der Theurung bekehret/
die ich ihnen zugesandt/ darinn so viel tausend See-
len Hungers gestorben; Oder hat sie villeicht das
grausame Sterben erschreckt/ (daß so viel Millionen
hingerafft) daß sie sich gebessert? Nein/ nein Mer-

curi,

Deß Abentheurl. Simpliciſſimi
unſicher war; Erhielte derowegen einen Paß/ vor
einen Straßburger Botten-laͤuffer/ und machte etli-
che Schreiben an mein Weib/ ihre Schweſter und
Eltern/ als wann ich ihn damit nach L. ſchicken wol-
te/ ſtellte mich aber als wann ich wieder anders Siñs
worden waͤre/ erpracticirte alſo den Paß vom Pot-
ten/ ſchickte mein Pferd und Diener wieder zuruck/
verkleidete mich in eine weiß und rothe Liberey/ und
fuhr alſo in einem Schiff hin und biß nach Coͤlln/
welche Statt damaln zwiſchen den kriegenden Par-
theyen Neutral war.

Jch gieng zuforderſt hin meinen Jovem zu be-
ſuchen/ der mich hiebevor zu ſeinem Ganymede er-
klaͤrt hatte/ umb zu erkundigen/ wie es mit meinen
hinderlegten Sachen eine Bewandtnuß haͤtte/ der
war aber damals wiederumb gantz hirnſchellig und
unwillig uͤber das Menſchlich Geſchlecht; O Mer-
curi,
ſagte er zu mir/ als er mich ſahe/ was bringſt
du neues von Muͤnſter? vermeynen die Menſchen
wolohn meinen Willen Frieden zu machen? Nim-
mermehr! Sie hatten ihn/ warumb haben ſie ihn
nicht behalten? Giengen nit alle Laſter im ſchwang/
als ſie mich bewegten ihnen den Krieg zu ſenden?
womit haben ſie ſeithero verdienet/ daß ich ihn den
Frieden widergeben ſolte? haben ſie ſich dann ſeit-
her bekehrt? ſeynd ſie nicht aͤrger worden/ und ſelbſt
mit in Krieg geloffen wie zu einer Kirmeß? oder ha-
den ſie ſich villeicht wegen der Theurung bekehret/
die ich ihnen zugeſandt/ darinn ſo viel tauſend See-
len Hungers geſtorben; Oder hat ſie villeicht das
grauſame Sterben erſchreckt/ (daß ſo viel Millionen
hingerafft) daß ſie ſich gebeſſert? Nein/ nein Mer-

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[514/0520] Deß Abentheurl. Simpliciſſimi unſicher war; Erhielte derowegen einen Paß/ vor einen Straßburger Botten-laͤuffer/ und machte etli- che Schreiben an mein Weib/ ihre Schweſter und Eltern/ als wann ich ihn damit nach L. ſchicken wol- te/ ſtellte mich aber als wann ich wieder anders Siñs worden waͤre/ erpracticirte alſo den Paß vom Pot- ten/ ſchickte mein Pferd und Diener wieder zuruck/ verkleidete mich in eine weiß und rothe Liberey/ und fuhr alſo in einem Schiff hin und biß nach Coͤlln/ welche Statt damaln zwiſchen den kriegenden Par- theyen Neutral war. Jch gieng zuforderſt hin meinen Jovem zu be- ſuchen/ der mich hiebevor zu ſeinem Ganymede er- klaͤrt hatte/ umb zu erkundigen/ wie es mit meinen hinderlegten Sachen eine Bewandtnuß haͤtte/ der war aber damals wiederumb gantz hirnſchellig und unwillig uͤber das Menſchlich Geſchlecht; O Mer- curi, ſagte er zu mir/ als er mich ſahe/ was bringſt du neues von Muͤnſter? vermeynen die Menſchen wolohn meinen Willen Frieden zu machen? Nim- mermehr! Sie hatten ihn/ warumb haben ſie ihn nicht behalten? Giengen nit alle Laſter im ſchwang/ als ſie mich bewegten ihnen den Krieg zu ſenden? womit haben ſie ſeithero verdienet/ daß ich ihn den Frieden widergeben ſolte? haben ſie ſich dann ſeit- her bekehrt? ſeynd ſie nicht aͤrger worden/ und ſelbſt mit in Krieg geloffen wie zu einer Kirmeß? oder ha- den ſie ſich villeicht wegen der Theurung bekehret/ die ich ihnen zugeſandt/ darinn ſo viel tauſend See- len Hungers geſtorben; Oder hat ſie villeicht das grauſame Sterben erſchreckt/ (daß ſo viel Millionen hingerafft) daß ſie ſich gebeſſert? Nein/ nein Mer- curi,

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/520>, abgerufen am 25.11.2024.