Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.der Nazionen. abgezweckt war. Denn vermöge dieser übernommenenAdvocatie musten die Kaiser die christliche Religion, alle Kirchen, Klöster etc. gegen innere und äussere Anfälle der Ungläubigen und Ketzer, selbst mit gewafneter Hand, wenn es nöthig war, vertheidigen und andere christliche Regenten zu gleicher Beihülfe anhalten. Eben dadurch aber ward die kaiserliche Herschaft mit der päpstlichen zugleich immer weiter ausgebreitet i]. Die Kaiser haben iedoch ihre angebliche Herschaft Indes wurden diese Vorrechte den Kaisern von den den M
der Nazionen. abgezweckt war. Denn vermoͤge dieſer uͤbernommenenAdvocatie muſten die Kaiſer die chriſtliche Religion, alle Kirchen, Kloͤſter ꝛc. gegen innere und aͤuſſere Anfaͤlle der Unglaͤubigen und Ketzer, ſelbſt mit gewafneter Hand, wenn es noͤthig war, vertheidigen und andere chriſtliche Regenten zu gleicher Beihuͤlfe anhalten. Eben dadurch aber ward die kaiſerliche Herſchaft mit der paͤpſtlichen zugleich immer weiter ausgebreitet i]. Die Kaiſer haben iedoch ihre angebliche Herſchaft Indes wurden dieſe Vorrechte den Kaiſern von den den M
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0203" n="177"/><fw place="top" type="header">der Nazionen.</fw><lb/> abgezweckt war. Denn vermoͤge dieſer uͤbernommenen<lb/> Advocatie muſten die Kaiſer die chriſtliche Religion, alle<lb/> Kirchen, Kloͤſter ꝛc. gegen innere und aͤuſſere Anfaͤlle<lb/> der Unglaͤubigen und Ketzer, ſelbſt mit gewafneter Hand,<lb/> wenn es noͤthig war, vertheidigen und andere chriſtliche<lb/> Regenten zu gleicher Beihuͤlfe anhalten. Eben dadurch<lb/> aber ward die kaiſerliche Herſchaft mit der paͤpſtlichen<lb/> zugleich immer weiter ausgebreitet <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">i</hi></hi>].</p><lb/> <p>Die Kaiſer haben iedoch ihre angebliche Herſchaft<lb/> uͤber die Welt, oder wenigſtens uͤber die Chriſtenheit nie<lb/> ſo weit getrieben, als die Paͤpſte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">k</hi></hi>]. Daß ſie vielmehr<lb/> ſelbſt an der Richtigkeit dieſes Vorgebens zuweilen noch<lb/> gezweifelt, erhellet aus der Frage Kaiſer Fridrich <hi rendition="#aq">I.</hi> an<lb/> die beiden Rechtsgelehrten <hi rendition="#fr">Martin</hi> und <hi rendition="#fr">Bulgarus</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">l</hi></hi>].<lb/> Auch wolte Letzterer keinesweges ein Eigenthumsrecht dar-<lb/> unter verſtanden wiſſen. Daher ſchrenkte man auch in<lb/> der Folge dieſe Herſchaft gewoͤnlich blos auf Schutz und<lb/> algemeine Regierung ein, die aber alles umfaſſen ſolte,<lb/> nicht nur die wuͤrklichen Lande des teutſchen Reichs, ſon-<lb/> dern auch alle dieienigen, worauf daſſelbe iemals ein<lb/> Recht gehabt, oder noch haͤtte <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">m</hi></hi>].</p><lb/> <p>Indes wurden dieſe Vorrechte den Kaiſern von den<lb/> uͤbrigen chriſtlichen Regenten Europens faſt durchgaͤngig<lb/> zugeſtanden. Laͤßt ſich gleich wider die Meinung des<lb/> Grotius, daß die chriſtlichen Nazionen den Kaiſer zu<lb/> ihrem Oberhaupt durch Vertrag erwaͤhlt haͤtten <hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">n</hi></hi>], noch<lb/> manches erinnern; ſo iſt doch deren damalige ſtilſchwei-<lb/> gende Anerkennung deſſelben nicht zu bezweifeln. Einige<lb/> Regenten hatten den Kaiſern die koͤnigliche oder andere<lb/> Wuͤrde zu verdanken und muſten daher aus Dankbarkeit<lb/> ſich wilfaͤhrig bezeigen: Andere, welche von dem Kaiſer<lb/> uͤberwunden und dem Reiche gewiſſermaaßen verbindlich<lb/> waren, als Daͤnemark, Polen, Ungarn ꝛc. durften eben<lb/> ſo wenig ſich widerſetzen, und die uͤbrigen wurden theils<lb/> durch die paͤpſtliche und kaiſerliche Macht, theils durch<lb/> <fw place="bottom" type="sig">M</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [177/0203]
der Nazionen.
abgezweckt war. Denn vermoͤge dieſer uͤbernommenen
Advocatie muſten die Kaiſer die chriſtliche Religion, alle
Kirchen, Kloͤſter ꝛc. gegen innere und aͤuſſere Anfaͤlle
der Unglaͤubigen und Ketzer, ſelbſt mit gewafneter Hand,
wenn es noͤthig war, vertheidigen und andere chriſtliche
Regenten zu gleicher Beihuͤlfe anhalten. Eben dadurch
aber ward die kaiſerliche Herſchaft mit der paͤpſtlichen
zugleich immer weiter ausgebreitet i].
Die Kaiſer haben iedoch ihre angebliche Herſchaft
uͤber die Welt, oder wenigſtens uͤber die Chriſtenheit nie
ſo weit getrieben, als die Paͤpſte k]. Daß ſie vielmehr
ſelbſt an der Richtigkeit dieſes Vorgebens zuweilen noch
gezweifelt, erhellet aus der Frage Kaiſer Fridrich I. an
die beiden Rechtsgelehrten Martin und Bulgarus l].
Auch wolte Letzterer keinesweges ein Eigenthumsrecht dar-
unter verſtanden wiſſen. Daher ſchrenkte man auch in
der Folge dieſe Herſchaft gewoͤnlich blos auf Schutz und
algemeine Regierung ein, die aber alles umfaſſen ſolte,
nicht nur die wuͤrklichen Lande des teutſchen Reichs, ſon-
dern auch alle dieienigen, worauf daſſelbe iemals ein
Recht gehabt, oder noch haͤtte m].
Indes wurden dieſe Vorrechte den Kaiſern von den
uͤbrigen chriſtlichen Regenten Europens faſt durchgaͤngig
zugeſtanden. Laͤßt ſich gleich wider die Meinung des
Grotius, daß die chriſtlichen Nazionen den Kaiſer zu
ihrem Oberhaupt durch Vertrag erwaͤhlt haͤtten n], noch
manches erinnern; ſo iſt doch deren damalige ſtilſchwei-
gende Anerkennung deſſelben nicht zu bezweifeln. Einige
Regenten hatten den Kaiſern die koͤnigliche oder andere
Wuͤrde zu verdanken und muſten daher aus Dankbarkeit
ſich wilfaͤhrig bezeigen: Andere, welche von dem Kaiſer
uͤberwunden und dem Reiche gewiſſermaaßen verbindlich
waren, als Daͤnemark, Polen, Ungarn ꝛc. durften eben
ſo wenig ſich widerſetzen, und die uͤbrigen wurden theils
durch die paͤpſtliche und kaiſerliche Macht, theils durch
den
M
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |