Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.Von den geselschaftlichen Verbindungen den Strom der damaligen algemeinen Vorurtheile mithingerissen. Die Beispiele ausgeübter und anerkanter Oberherschaft des Kaisers über andere christliche Regen- ten sind in der Geschichte nicht selten o]. Am einleuch- tendsten ward dieselbe bey solchen Vorfällen, woran die ganze Christenheit Theil zu nehmen und gleichsam einen Körper auszumachen pflegte, als: bey Kreutzzügen, algemeinen Koncilien etc. Die hauptsächlichsten Folgen hiervon waren, daß Aber diese auf irrige Grundsätze beruhende Oberher- sich
Von den geſelſchaftlichen Verbindungen den Strom der damaligen algemeinen Vorurtheile mithingeriſſen. Die Beiſpiele ausgeuͤbter und anerkanter Oberherſchaft des Kaiſers uͤber andere chriſtliche Regen- ten ſind in der Geſchichte nicht ſelten o]. Am einleuch- tendſten ward dieſelbe bey ſolchen Vorfaͤllen, woran die ganze Chriſtenheit Theil zu nehmen und gleichſam einen Koͤrper auszumachen pflegte, als: bey Kreutzzuͤgen, algemeinen Koncilien ꝛc. Die hauptſaͤchlichſten Folgen hiervon waren, daß Aber dieſe auf irrige Grundſaͤtze beruhende Oberher- ſich
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Von den geſelſchaftlichen Verbindungen
den Strom der damaligen algemeinen Vorurtheile mit
hingeriſſen. Die Beiſpiele ausgeuͤbter und anerkanter
Oberherſchaft des Kaiſers uͤber andere chriſtliche Regen-
ten ſind in der Geſchichte nicht ſelten o]. Am einleuch-
tendſten ward dieſelbe bey ſolchen Vorfaͤllen, woran
die ganze Chriſtenheit Theil zu nehmen und gleichſam
einen Koͤrper auszumachen pflegte, als: bey Kreutzzuͤgen,
algemeinen Koncilien ꝛc.
Die hauptſaͤchlichſten Folgen hiervon waren, daß
die Kaiſer von den uͤbrigen Fuͤrſten Gehorſam in denieni-
gen Stuͤcken verlangten, welche das gemeine Wohl der
Chriſtenheit betrafen: daß dieſe auf Erfordern zum Krie-
ge wider die Unglaͤubigen ꝛc. erſcheinen, Huͤlfsvoͤlker,
Koſten ꝛc. hergeben und bey dieſen Gelegenheiten uͤber-
haupt alles thun muſten, was der Kaiſer ihnen gebot p].
Sie maßten ſich ferner eine gewiſſe Art von Gerichts-
barkeit uͤber die chriſtlichen Fuͤrſten an, wurden auch von
ihnen ſelbſt zuweilen zu Entſcheidung ihrer Streitigkeiten
aufgefodert q]. Sie verſuchten es einigemal ſogar, die
Reichsacht auſſerhalb dem teutſchen Reiche zu erſtrecken r].
Nicht weniger ſahe man die Kaiſer als die Quelle aller
Wuͤrden, ſelbſt der koͤniglichen an s], und die Standes-
erhebungen faſt in allen Reichen geſchahen durch ſie, ſo
wie die Ertheilung der akademiſchen Grade, die Creirung
der Notarien ꝛc.
Aber dieſe auf irrige Grundſaͤtze beruhende Oberher-
ſchaft der Welt fing mit der paͤpſtlichen, mit der ſie ſo
genau verbunden war, beſonders ſeit der Reformation
an, in Abnahme zu kommen, und verfiel immer mehr,
nachdem man durch die Wiederherſtellung der Wiſſen-
ſchaften reinere Begriffe vom Voͤlkerrechte bekam und
richtigere Grundſaͤtze darin aufſtelte. Kaiſer Karls V.
Bemuͤhungen, die vormalige Hoheit wiederherzuſtellen,
waren fruchtlos t]: und ſeit dem weſtphaͤliſchen Frieden
iſt es wohl keinem Kaiſer im Ernſte mehr eingefallen,
ſich
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