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Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3).

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Es wird ihm gar nichts schaden,
Jhr blonden Schwestern, wißt!
Er ißt es mit dem Fladen --
Und meiner nie vergißt.

oder:

Die Frage.
Jch stand auf grüner Halde
Jch stand so still . .
Was wohl im grünen Walde
Die Tanne will?
Da haucht aus grünem Walde
Der Wind mir zu:
"Du Mann auf grüner Halde --
Was willst denn du?"

Gährende Leidenschaft, originelle Bilder und schalkhaft neckische Wendungen zeichnen die Liebeslyrik Paul Heyse's aus. Wir erinnern nur an sein Gedicht: "Unter den Zweigen in schwüler Nacht", welches er übrigens richtiger überschrieben hätte:

Wassertopf und Deckel.
Unter den Zweigen in schwüler Nacht
Dacht' ich an scherzende Küsse:
Siedete mir im Kopf mit Macht
Brodelnde, brennende Süße.
Siedet im Topfe ein Wässerlein fein,
Bleibt der Deckel nicht liegen --
O wie flott in die Lüfte hinein
Ließ ich mein Strohhütlein fliegen!
Ob sich der Deckel zum Topfe erkor
Anderen Kopf -- kann ich's wissen ?
Da ich lange den Kopf verlor,
Kann ich das Deckelchen missen!

Wenn hier die erotische Lyrik leichtfüßig dahertanzt, so schreitet sie bei Felix Dahn im langfaltigen altdeutschen Gewande -- ja manchmal schreitet sie so langsam, daß es aussieht, als bliebe sie stehen -- als würden die langen Falten zu steifem, gothischem Holz: als erstarrte

Es wird ihm gar nichts schaden,
Jhr blonden Schwestern, wißt!
Er ißt es mit dem Fladen —
Und meiner nie vergißt.

oder:

Die Frage.
Jch stand auf grüner Halde
Jch stand so still . .
Was wohl im grünen Walde
Die Tanne will?
Da haucht aus grünem Walde
Der Wind mir zu:
„Du Mann auf grüner Halde —
Was willst denn du?“

Gährende Leidenschaft, originelle Bilder und schalkhaft neckische Wendungen zeichnen die Liebeslyrik Paul Heyse's aus. Wir erinnern nur an sein Gedicht: „Unter den Zweigen in schwüler Nacht“, welches er übrigens richtiger überschrieben hätte:

Wassertopf und Deckel.
Unter den Zweigen in schwüler Nacht
Dacht' ich an scherzende Küsse:
Siedete mir im Kopf mit Macht
Brodelnde, brennende Süße.
Siedet im Topfe ein Wässerlein fein,
Bleibt der Deckel nicht liegen —
O wie flott in die Lüfte hinein
Ließ ich mein Strohhütlein fliegen!
Ob sich der Deckel zum Topfe erkor
Anderen Kopf — kann ich's wissen ?
Da ich lange den Kopf verlor,
Kann ich das Deckelchen missen!

Wenn hier die erotische Lyrik leichtfüßig dahertanzt, so schreitet sie bei Felix Dahn im langfaltigen altdeutschen Gewande — ja manchmal schreitet sie so langsam, daß es aussieht, als bliebe sie stehen — als würden die langen Falten zu steifem, gothischem Holz: als erstarrte

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[13/0013] Es wird ihm gar nichts schaden, Jhr blonden Schwestern, wißt! Er ißt es mit dem Fladen — Und meiner nie vergißt. oder: Die Frage. Jch stand auf grüner Halde Jch stand so still . . Was wohl im grünen Walde Die Tanne will? Da haucht aus grünem Walde Der Wind mir zu: „Du Mann auf grüner Halde — Was willst denn du?“ Gährende Leidenschaft, originelle Bilder und schalkhaft neckische Wendungen zeichnen die Liebeslyrik Paul Heyse's aus. Wir erinnern nur an sein Gedicht: „Unter den Zweigen in schwüler Nacht“, welches er übrigens richtiger überschrieben hätte: Wassertopf und Deckel. Unter den Zweigen in schwüler Nacht Dacht' ich an scherzende Küsse: Siedete mir im Kopf mit Macht Brodelnde, brennende Süße. Siedet im Topfe ein Wässerlein fein, Bleibt der Deckel nicht liegen — O wie flott in die Lüfte hinein Ließ ich mein Strohhütlein fliegen! Ob sich der Deckel zum Topfe erkor Anderen Kopf — kann ich's wissen ? Da ich lange den Kopf verlor, Kann ich das Deckelchen missen! Wenn hier die erotische Lyrik leichtfüßig dahertanzt, so schreitet sie bei Felix Dahn im langfaltigen altdeutschen Gewande — ja manchmal schreitet sie so langsam, daß es aussieht, als bliebe sie stehen — als würden die langen Falten zu steifem, gothischem Holz: als erstarrte

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Universität Duisburg-Essen, Projekt Lyriktheorie (Dr. Rudolf Brandmeyer): Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-05T14:03:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-05T14:03:19Z)

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Zitationshilfe: Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3), S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gumppenberg_lyrik_1891/13>, abgerufen am 21.11.2024.