Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3).nicht allzu ernst zu nehmen. Das Gedicht trägt keine Ueberschrift; hätte es aber eine, so hieße dieselbe wohl: Bescheidenheit. Es steht eine Lind' auf grünem Rain, Da fliegen hundert Vögelein Wohl aus und ein: Die wollen nichts als singen. Sie singen, wenn der Tag erwacht, Sie singen in der finstern Nacht: Jch hört es lustig klingen, Ja klingen! Und unter der Lind' auf grünem Rain, Da saß ein blutjungs Mädel fein So ganz allein: Die wollte nichts als weinen. Ach! Vöglein hat wohl seinen Schatz -- Doch auf des Kirchhofs grünstem Platz Begrub man heut' den meinen, Ja meinen! Und von der Lind' auf grünem Rain Zum Kirchhof ging das Mädel fein Jm Abendschein: Sie wollte nichts als sterben. Sie legte sich ins grüne Gras, Bis sie vom Leben ganz genas. So geht das Glück in Scherben, Ja Scherben! Von ähnlich weicher Empfindung ist ein Gedicht des geistesverwandten Rattenfängers, wilden Jägers und Lurleierers Julius Wolff, betitelt: Das Minnerlein. Es war ein ärmstes Minnerlein Jm Herzen sterbekrank: Jhm bot die Allerliebste sein Nicht Gruß noch Habedank. Sie war so hart wie Kieselstein, Ach! woll't ihn nicht versteh'n -- O weh! du ärmstes Minnerlein -- Jetzt ist's um dich gescheh'n! nicht allzu ernst zu nehmen. Das Gedicht trägt keine Ueberschrift; hätte es aber eine, so hieße dieselbe wohl: Bescheidenheit. Es steht eine Lind' auf grünem Rain, Da fliegen hundert Vögelein Wohl aus und ein: Die wollen nichts als singen. Sie singen, wenn der Tag erwacht, Sie singen in der finstern Nacht: Jch hört es lustig klingen, Ja klingen! Und unter der Lind' auf grünem Rain, Da saß ein blutjungs Mädel fein So ganz allein: Die wollte nichts als weinen. Ach! Vöglein hat wohl seinen Schatz — Doch auf des Kirchhofs grünstem Platz Begrub man heut' den meinen, Ja meinen! Und von der Lind' auf grünem Rain Zum Kirchhof ging das Mädel fein Jm Abendschein: Sie wollte nichts als sterben. Sie legte sich ins grüne Gras, Bis sie vom Leben ganz genas. So geht das Glück in Scherben, Ja Scherben! Von ähnlich weicher Empfindung ist ein Gedicht des geistesverwandten Rattenfängers, wilden Jägers und Lurleierers Julius Wolff, betitelt: Das Minnerlein. Es war ein ärmstes Minnerlein Jm Herzen sterbekrank: Jhm bot die Allerliebste sein Nicht Gruß noch Habedank. Sie war so hart wie Kieselstein, Ach! woll't ihn nicht versteh'n — O weh! du ärmstes Minnerlein — Jetzt ist's um dich gescheh'n! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0009" n="9"/> nicht allzu ernst zu nehmen. Das Gedicht trägt keine Ueberschrift; hätte es aber eine, so hieße dieselbe wohl: </p><lb/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#b">Bescheidenheit</hi>.</head><lb/> <lg n="1"> <l>Es steht eine Lind' auf grünem Rain,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Da fliegen hundert Vögelein</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">Wohl aus und ein:</hi> </l><lb/> <l>Die wollen <hi rendition="#g">nichts</hi> als <hi rendition="#g">singen</hi>.</l><lb/> <l>Sie singen, wenn der Tag erwacht,</l><lb/> <l>Sie singen in der finstern Nacht:</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Jch hört es lustig klingen,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">Ja klingen!</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und unter der Lind' auf grünem Rain,</l><lb/> <l>Da saß ein blutjungs Mädel fein</l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">So ganz allein:</hi> </l><lb/> <l>Die wollte <hi rendition="#g">nichts</hi> als <hi rendition="#g">weinen</hi>.</l><lb/> <l>Ach! Vöglein hat wohl seinen Schatz —</l><lb/> <l>Doch auf des Kirchhofs grünstem Platz</l><lb/> <l>Begrub man heut' den meinen,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Ja meinen!</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und von der Lind' auf grünem Rain</l><lb/> <l>Zum Kirchhof ging das Mädel fein</l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">Jm Abendschein:</hi> </l><lb/> <l>Sie wollte <hi rendition="#g">nichts</hi> als <hi rendition="#g">sterben</hi>.</l><lb/> <l>Sie legte sich ins grüne Gras,</l><lb/> <l>Bis sie vom Leben ganz genas.</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">So geht das Glück in Scherben,</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et2">Ja Scherben!</hi> </l> </lg> </lg><lb/> <p> Von ähnlich weicher Empfindung ist ein Gedicht des geistesverwandten Rattenfängers, wilden Jägers und Lurleierers <hi rendition="#g">Julius Wolff</hi>, betitelt: </p><lb/> <lg type="poem"> <head><hi rendition="#b">Das Minnerlein</hi>.</head><lb/> <lg n="1"> <l>Es war ein ärmstes Minnerlein</l><lb/> <l>Jm Herzen sterbekrank:</l><lb/> <l>Jhm bot die Allerliebste sein</l><lb/> <l>Nicht Gruß noch Habedank.</l><lb/> <l>Sie war so hart wie Kieselstein,</l><lb/> <l>Ach! woll't ihn nicht versteh'n —</l><lb/> <l>O weh! du ärmstes Minnerlein —</l><lb/> <l>Jetzt ist's um dich gescheh'n!</l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [9/0009]
nicht allzu ernst zu nehmen. Das Gedicht trägt keine Ueberschrift; hätte es aber eine, so hieße dieselbe wohl:
Bescheidenheit.
Es steht eine Lind' auf grünem Rain,
Da fliegen hundert Vögelein
Wohl aus und ein:
Die wollen nichts als singen.
Sie singen, wenn der Tag erwacht,
Sie singen in der finstern Nacht:
Jch hört es lustig klingen,
Ja klingen!
Und unter der Lind' auf grünem Rain,
Da saß ein blutjungs Mädel fein
So ganz allein:
Die wollte nichts als weinen.
Ach! Vöglein hat wohl seinen Schatz —
Doch auf des Kirchhofs grünstem Platz
Begrub man heut' den meinen,
Ja meinen!
Und von der Lind' auf grünem Rain
Zum Kirchhof ging das Mädel fein
Jm Abendschein:
Sie wollte nichts als sterben.
Sie legte sich ins grüne Gras,
Bis sie vom Leben ganz genas.
So geht das Glück in Scherben,
Ja Scherben!
Von ähnlich weicher Empfindung ist ein Gedicht des geistesverwandten Rattenfängers, wilden Jägers und Lurleierers Julius Wolff, betitelt:
Das Minnerlein.
Es war ein ärmstes Minnerlein
Jm Herzen sterbekrank:
Jhm bot die Allerliebste sein
Nicht Gruß noch Habedank.
Sie war so hart wie Kieselstein,
Ach! woll't ihn nicht versteh'n —
O weh! du ärmstes Minnerlein —
Jetzt ist's um dich gescheh'n!
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Zitationshilfe: | Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3), S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gumppenberg_lyrik_1891/9>, abgerufen am 16.07.2024. |