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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
mann die violenz. Wie die Spanischen Soldaten Antwerpen ausge-
plündert, so fiel alles weg, da sonst Antwerpen weit considerabler gewe-
sen als Amsterdam. Stultitia ist also daran Ursach, daß in Monarchia
die commercia nicht so können floriren. Da kömmt ein Narr, und
bringet dem Herrn bey, grosse imposten aufzulegen. Wir haben keinen
Korn-Handel jetzo mehr, wie ehedessen, auf der Elbe, weil man einmahl
auf den Wispel sechs Thaler gesetzt, da giengen die Holländer nach
Moscau, woselbst der Czaar die Wälder ließ abbrennen, und Korn hin-
säen, von dar sie nunmehro Korn gnug bekommen. Hergegen, wenn
man gleich in Aristocratia und Democratia was ändern will, so sind
gleich Leute da, so contradiciren, deßwegen kan es nicht leicht angehen.
Eben so ist es auch beschaffen, wenn man fraget, warum gehet es nicht
an, daß man in Monarchia eine Religions-Freyheit hat, wie in Hol-
land ist? da meynet der Autor, Monarchia sey Schuld daran, allein
stultitia hominum ist daran Schuld. Der Fürst will allein herrschen,
was er thut, thun andere auch, und ist also hier eine fallacia. Sind
nun aber wohl die Menschen um deßwillen unter eines sein imperium
getreten, daß sie eben das dencken wollen, was er dencke, so müste auch
keine Religions-Freyheit seyn, wir wollen einander helffen. Also ist
das eine Schwachheit, wenn man einen Herrn weiß machet, was er
glaube, müssen auch andere glauben. Es könnte der Herr glauben, daß
der Teufel ein Eichhörngen, sollte ich deßwegen dieses auch glauben;
und was gehöret dieses wohl zum Gehorsam. Der casus kan seyn, ich
und du wollen einander helffen, allein du glaubest Gespenster, ich glaube
keine/ du glaubest, der Heil. Wolffgang habe eine grosse Macht auf Er-
den, ich glaube es nicht. Das thut uns gar nichts, wir können deßwe-
gen doch einander beystehen. Aber den Fürsten flattiren alle; trägt der
Fürst kurtze Haare; gleich thun sie es alle; wenn ein Fürst in Indien
ein blaues Federgen durch die Nase ziehet, so kommen den Tag drauf
schon etliche, welche es nachthun, trägt er eine peruque bis auf die Ab-
sätze, so thun es ihm andere nach. Wenn man also sucht den Fürsten
zu flattiren, so thut man es durchgehends, und also auch in der Religion,
und wenn er glaubt, daß der Teufel ein Eichhörngen, so glauben sie es
auch. Allein hier ist eine ratiocinatio, da kan es nicht von einem allein
dependiren, sondern ein jeder raisonniret da. Pactum de veritate est nul-
lum.
Man hat Luthero objicirt, daß er einen Eyd gethan habe als
Doctor Theologiae, nur die Catholische Religion zu dociren, aber er hat
geantwortet, er sey daran nicht gebunden. Es kan ja kommen, daß ich
in einen Irrthum gesteckt, soll ich denn dabey bleiben. Habe ich also

die

Cap. V. De prudentia
mann die violenz. Wie die Spaniſchen Soldaten Antwerpen ausge-
pluͤndert, ſo fiel alles weg, da ſonſt Antwerpen weit conſiderabler gewe-
ſen als Amſterdam. Stultitia iſt alſo daran Urſach, daß in Monarchia
die commercia nicht ſo koͤnnen floriren. Da koͤmmt ein Narr, und
bringet dem Herrn bey, groſſe impoſten aufzulegen. Wir haben keinen
Korn-Handel jetzo mehr, wie ehedeſſen, auf der Elbe, weil man einmahl
auf den Wiſpel ſechs Thaler geſetzt, da giengen die Hollaͤnder nach
Moſcau, woſelbſt der Czaar die Waͤlder ließ abbrennen, und Korn hin-
ſaͤen, von dar ſie nunmehro Korn gnug bekommen. Hergegen, wenn
man gleich in Ariſtocratia und Democratia was aͤndern will, ſo ſind
gleich Leute da, ſo contradiciren, deßwegen kan es nicht leicht angehen.
Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn man fraget, warum gehet es nicht
an, daß man in Monarchia eine Religions-Freyheit hat, wie in Hol-
land iſt? da meynet der Autor, Monarchia ſey Schuld daran, allein
ſtultitia hominum iſt daran Schuld. Der Fuͤrſt will allein herrſchen,
was er thut, thun andere auch, und iſt alſo hier eine fallacia. Sind
nun aber wohl die Menſchen um deßwillen unter eines ſein imperium
getreten, daß ſie eben das dencken wollen, was er dencke, ſo muͤſte auch
keine Religions-Freyheit ſeyn, wir wollen einander helffen. Alſo iſt
das eine Schwachheit, wenn man einen Herrn weiß machet, was er
glaube, muͤſſen auch andere glauben. Es koͤnnte der Herr glauben, daß
der Teufel ein Eichhoͤrngen, ſollte ich deßwegen dieſes auch glauben;
und was gehoͤret dieſes wohl zum Gehorſam. Der caſus kan ſeyn, ich
und du wollen einander helffen, allein du glaubeſt Geſpenſter, ich glaube
keine/ du glaubeſt, der Heil. Wolffgang habe eine groſſe Macht auf Er-
den, ich glaube es nicht. Das thut uns gar nichts, wir koͤnnen deßwe-
gen doch einander beyſtehen. Aber den Fuͤrſten flattiren alle; traͤgt der
Fuͤrſt kurtze Haare; gleich thun ſie es alle; wenn ein Fuͤrſt in Indien
ein blaues Federgen durch die Naſe ziehet, ſo kommen den Tag drauf
ſchon etliche, welche es nachthun, traͤgt er eine peruque bis auf die Ab-
ſaͤtze, ſo thun es ihm andere nach. Wenn man alſo ſucht den Fuͤrſten
zu flattiren, ſo thut man es durchgehends, und alſo auch in der Religion,
und wenn er glaubt, daß der Teufel ein Eichhoͤrngen, ſo glauben ſie es
auch. Allein hier iſt eine ratiocinatio, da kan es nicht von einem allein
dependiren, ſondern ein jeder raiſonniret da. Pactum de veritate eſt nul-
lum.
Man hat Luthero objicirt, daß er einen Eyd gethan habe als
Doctor Theologiæ, nur die Catholiſche Religion zu dociren, aber er hat
geantwortet, er ſey daran nicht gebunden. Es kan ja kommen, daß ich
in einen Irrthum geſteckt, ſoll ich denn dabey bleiben. Habe ich alſo

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[168/0188] Cap. V. De prudentia mann die violenz. Wie die Spaniſchen Soldaten Antwerpen ausge- pluͤndert, ſo fiel alles weg, da ſonſt Antwerpen weit conſiderabler gewe- ſen als Amſterdam. Stultitia iſt alſo daran Urſach, daß in Monarchia die commercia nicht ſo koͤnnen floriren. Da koͤmmt ein Narr, und bringet dem Herrn bey, groſſe impoſten aufzulegen. Wir haben keinen Korn-Handel jetzo mehr, wie ehedeſſen, auf der Elbe, weil man einmahl auf den Wiſpel ſechs Thaler geſetzt, da giengen die Hollaͤnder nach Moſcau, woſelbſt der Czaar die Waͤlder ließ abbrennen, und Korn hin- ſaͤen, von dar ſie nunmehro Korn gnug bekommen. Hergegen, wenn man gleich in Ariſtocratia und Democratia was aͤndern will, ſo ſind gleich Leute da, ſo contradiciren, deßwegen kan es nicht leicht angehen. Eben ſo iſt es auch beſchaffen, wenn man fraget, warum gehet es nicht an, daß man in Monarchia eine Religions-Freyheit hat, wie in Hol- land iſt? da meynet der Autor, Monarchia ſey Schuld daran, allein ſtultitia hominum iſt daran Schuld. Der Fuͤrſt will allein herrſchen, was er thut, thun andere auch, und iſt alſo hier eine fallacia. Sind nun aber wohl die Menſchen um deßwillen unter eines ſein imperium getreten, daß ſie eben das dencken wollen, was er dencke, ſo muͤſte auch keine Religions-Freyheit ſeyn, wir wollen einander helffen. Alſo iſt das eine Schwachheit, wenn man einen Herrn weiß machet, was er glaube, muͤſſen auch andere glauben. Es koͤnnte der Herr glauben, daß der Teufel ein Eichhoͤrngen, ſollte ich deßwegen dieſes auch glauben; und was gehoͤret dieſes wohl zum Gehorſam. Der caſus kan ſeyn, ich und du wollen einander helffen, allein du glaubeſt Geſpenſter, ich glaube keine/ du glaubeſt, der Heil. Wolffgang habe eine groſſe Macht auf Er- den, ich glaube es nicht. Das thut uns gar nichts, wir koͤnnen deßwe- gen doch einander beyſtehen. Aber den Fuͤrſten flattiren alle; traͤgt der Fuͤrſt kurtze Haare; gleich thun ſie es alle; wenn ein Fuͤrſt in Indien ein blaues Federgen durch die Naſe ziehet, ſo kommen den Tag drauf ſchon etliche, welche es nachthun, traͤgt er eine peruque bis auf die Ab- ſaͤtze, ſo thun es ihm andere nach. Wenn man alſo ſucht den Fuͤrſten zu flattiren, ſo thut man es durchgehends, und alſo auch in der Religion, und wenn er glaubt, daß der Teufel ein Eichhoͤrngen, ſo glauben ſie es auch. Allein hier iſt eine ratiocinatio, da kan es nicht von einem allein dependiren, ſondern ein jeder raiſonniret da. Pactum de veritate eſt nul- lum. Man hat Luthero objicirt, daß er einen Eyd gethan habe als Doctor Theologiæ, nur die Catholiſche Religion zu dociren, aber er hat geantwortet, er ſey daran nicht gebunden. Es kan ja kommen, daß ich in einen Irrthum geſteckt, ſoll ich denn dabey bleiben. Habe ich alſo die

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/188>, abgerufen am 23.11.2024.