Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.status circa leges & judicia. Pour le reste aber ist wahr, daß man autoritatem summae potestatis nichtwürde empfinden, nisi legislatione sese exereret. Die civitas würde todt seyn, nisi princeps Ioqueretur. Principis lex ist vox principis in unaqua- que republica. Also muß er eine ordre geben. Er muß eine ordre ge- ben, wo eine desordre ist. Er muß leges geben, die nicht contradictorisch; Denn contradictoria lex stulta est. Daher kan mich nichts mehr ärgern, als wenn man saget, man solle die processe abkürtzen, da doch so viele leges und Ordnungen nach, welchen man nicht kurtz gehen kan. Wenn auch die proceß-Ordnungen geändert würden, so sind doch noch so viele praesidia legum vorhanden, welche alle erst müssen geändert werden/ wenn man die processe abkürtzen wollte; sonst ist es impossible: ad impossi- bile vero nemo obligatur, & neminem obligibis. Wer ordre geben will, der giebt solche in futurum; Daher muß ein princeps keine leges machen, so in praeteritum gehen: denn praeteritum est factum, factum vero infectum fieri nequit. Dicis: Wir haben eine exception, da auch in praeteritum kan ein lex gegeben werden? Respond. Dieses gehöret nicht ad regulam, revera ist es auch keine exceptio. Denn wer einen legem giebt in praeteritum, da ist schon ein alter lex, der wird nur geschärfft, daß er soll desto besser in acht genommen werden. Wenn ein Fürst sa- get, das alte Wechsel-Recht soll accurat observiret werden, so ist ja schon ein alter lex da, oder es ist so beschaffen, daß es ein Mensch schon vor- her hat können wissen, ehe der princeps seinen legem gegeben. Wenn nun aber auch wahr, daß hier eine exceptio a regula, so supponiret er doch nur particulare quid piam. Es werden besondere Umstände erfor- dert. Jubeat princeps quoque paucis. Dieses gehöret quadantenus ad leges cum prologo. Allein meine intention gehet hier sonderlich dahin, daß er nicht immer neue leges geben soll. Ein Knecht ist böse über seinen Herrn, wenn er sagt, gehe hin, und thue das, indem ers thun will, rufft er ihn zurück, er soll es nicht thun, da denckt der Knecht, sein Herr ist nicht wohl gescheuet; Also ist absurd, wenn man immer neue leges giebt, sonderlich wenn man von den alten was läßt, und immer was neues dazu flickt, dadurch eine multitudo legum entstehet. So haben sie es in der Republica Romana gemacht, da sie immer neue leges gegeben, und auch von denen alten was stehen lassen; daher ist ein immensus legum numerus entstanden. Cicero hat schon zu seiner Zeit einen extract aus denen vielen legibus civilibus machen wollen. Caesar hat sie wollen ab- breviren, und Pompejus hat es auch gesehen. Viele haben es wahr ge- nommen, und endlich haben es Theodosius und Justinianus vorgenommen, aber mit was vor succeß, wird in Iure Civili gewiesen. Das ist auch ein Z 3
ſtatus circa leges & judicia. Pour le reſte aber iſt wahr, daß man autoritatem ſummæ poteſtatis nichtwuͤrde empfinden, niſi legislatione ſeſe exereret. Die civitas wuͤrde todt ſeyn, niſi princeps Ioqueretur. Principis lex iſt vox principis in unaqua- que republica. Alſo muß er eine ordre geben. Er muß eine ordre ge- ben, wo eine deſordre iſt. Er muß leges geben, die nicht contradictoriſch; Denn contradictoria lex ſtulta eſt. Daher kan mich nichts mehr aͤrgern, als wenn man ſaget, man ſolle die proceſſe abkuͤrtzen, da doch ſo viele leges und Ordnungen nach, welchen man nicht kurtz gehen kan. Wenn auch die proceß-Ordnungen geaͤndert wuͤrden, ſo ſind doch noch ſo viele præſidia legum vorhanden, welche alle erſt muͤſſen geaͤndert werden/ wenn man die proceſſe abkuͤrtzen wollte; ſonſt iſt es imposſible: ad imposſi- bile vero nemo obligatur, & neminem obligibis. Wer ordre geben will, der giebt ſolche in futurum; Daher muß ein princeps keine leges machen, ſo in præteritum gehen: denn præteritum eſt factum, factum vero infectum fieri nequit. Dicis: Wir haben eine exception, da auch in præteritum kan ein lex gegeben werden? Reſpond. Dieſes gehoͤret nicht ad regulam, revera iſt es auch keine exceptio. Denn wer einen legem giebt in præteritum, da iſt ſchon ein alter lex, der wird nur geſchaͤrfft, daß er ſoll deſto beſſer in acht genommen werden. Wenn ein Fuͤrſt ſa- get, das alte Wechſel-Recht ſoll accurat obſerviret werden, ſo iſt ja ſchon ein alter lex da, oder es iſt ſo beſchaffen, daß es ein Menſch ſchon vor- her hat koͤnnen wiſſen, ehe der princeps ſeinen legem gegeben. Wenn nun aber auch wahr, daß hier eine exceptio a regula, ſo ſupponiret er doch nur particulare quid piam. Es werden beſondere Umſtaͤnde erfor- dert. Jubeat princeps quoque paucis. Dieſes gehoͤret quadantenus ad leges cum prologo. Allein meine intention gehet hier ſonderlich dahin, daß er nicht immer neue leges geben ſoll. Ein Knecht iſt boͤſe uͤber ſeinen Herrn, wenn er ſagt, gehe hin, und thue das, indem ers thun will, rufft er ihn zuruͤck, er ſoll es nicht thun, da denckt der Knecht, ſein Herr iſt nicht wohl geſcheuet; Alſo iſt abſurd, wenn man immer neue leges giebt, ſonderlich wenn man von den alten was laͤßt, und immer was neues dazu flickt, dadurch eine multitudo legum entſtehet. So haben ſie es in der Republica Romana gemacht, da ſie immer neue leges gegeben, und auch von denen alten was ſtehen laſſen; daher iſt ein immenſus legum numerus entſtanden. Cicero hat ſchon zu ſeiner Zeit einen extract aus denen vielen legibus civilibus machen wollen. Cæſar hat ſie wollen ab- breviren, und Pompejus hat es auch geſehen. Viele haben es wahr ge- nommen, und endlich haben es Theodoſius und Juſtinianus vorgenommen, aber mit was vor ſucceß, wird in Iure Civili gewieſen. Das iſt auch ein Z 3
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ſeyn, niſi princeps Ioqueretur. Principis lex iſt vox principis in unaqua-
que republica. Alſo muß er eine ordre geben. Er muß eine ordre ge-
ben, wo eine deſordre iſt. Er muß leges geben, die nicht contradictoriſch;
Denn contradictoria lex ſtulta eſt. Daher kan mich nichts mehr aͤrgern,
als wenn man ſaget, man ſolle die proceſſe abkuͤrtzen, da doch ſo viele
leges und Ordnungen nach, welchen man nicht kurtz gehen kan. Wenn
auch die proceß-Ordnungen geaͤndert wuͤrden, ſo ſind doch noch ſo viele
præſidia legum vorhanden, welche alle erſt muͤſſen geaͤndert werden/ wenn
man die proceſſe abkuͤrtzen wollte; ſonſt iſt es imposſible: ad imposſi-
bile vero nemo obligatur, & neminem obligibis. Wer ordre geben
will, der giebt ſolche in futurum; Daher muß ein princeps keine leges
machen, ſo in præteritum gehen: denn præteritum eſt factum, factum
vero infectum fieri nequit. Dicis: Wir haben eine exception, da auch
in præteritum kan ein lex gegeben werden? Reſpond. Dieſes gehoͤret
nicht ad regulam, revera iſt es auch keine exceptio. Denn wer einen
legem giebt in præteritum, da iſt ſchon ein alter lex, der wird nur geſchaͤrfft,
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get, das alte Wechſel-Recht ſoll accurat obſerviret werden, ſo iſt ja ſchon
ein alter lex da, oder es iſt ſo beſchaffen, daß es ein Menſch ſchon vor-
her hat koͤnnen wiſſen, ehe der princeps ſeinen legem gegeben. Wenn
nun aber auch wahr, daß hier eine exceptio a regula, ſo ſupponiret er
doch nur particulare quid piam. Es werden beſondere Umſtaͤnde erfor-
dert. Jubeat princeps quoque paucis. Dieſes gehoͤret quadantenus ad
leges cum prologo. Allein meine intention gehet hier ſonderlich dahin,
daß er nicht immer neue leges geben ſoll. Ein Knecht iſt boͤſe uͤber ſeinen
Herrn, wenn er ſagt, gehe hin, und thue das, indem ers thun will, rufft
er ihn zuruͤck, er ſoll es nicht thun, da denckt der Knecht, ſein Herr iſt
nicht wohl geſcheuet; Alſo iſt abſurd, wenn man immer neue leges giebt,
ſonderlich wenn man von den alten was laͤßt, und immer was neues
dazu flickt, dadurch eine multitudo legum entſtehet. So haben ſie es in
der Republica Romana gemacht, da ſie immer neue leges gegeben, und
auch von denen alten was ſtehen laſſen; daher iſt ein immenſus legum
numerus entſtanden. Cicero hat ſchon zu ſeiner Zeit einen extract aus
denen vielen legibus civilibus machen wollen. Cæſar hat ſie wollen ab-
breviren, und Pompejus hat es auch geſehen. Viele haben es wahr ge-
nommen, und endlich haben es Theodoſius und Juſtinianus vorgenommen,
aber mit was vor ſucceß, wird in Iure Civili gewieſen. Das iſt auch
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