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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
drießlich. Daß die vielen instanzen nichts nutzen, hat Hugo de abusu
appellationum
gewiesen, der auch gezeiget hat, wo die vielen instanzen
herkommen. Der Cammer-Gerichts-Assessor Ludolph, welcher sonst
in Eisenach in Diensten gewesen, saget, daß nirgends so viele instanzen
wären, als in Sachsen. Es sind da erst die Leuterungen in denen Un-
ter-Gerichten, hernach kommt man an das Hof-Gerichte, und denn an
die Regierungen. Es ist gnug, wenn man eine instanz hat, zum höch-
sten zwey, was soll man da so viele instanzen geben. Rennemann, Pro-
fessor Erffurthensis
hat auch eine Dissertation de Transmissione Actorum
geschrieben, worinnen er gewiesen, wo sie herkommen, und was gutes
dran sey, item was sie vor eine Verhinderung machen. Wenn einer
ein Narr, so kan man propter duritiem cordis wohl transmissionem
Actorum
zu lassen. Wenn man bey einem Urthel nur die acten ver-
schicket, so wäre es noch gut, so aber thun sie es bey allen interlocuten,
welches ein grosser Fehler.

Sect. V.
de
Prudentia status circa poenas & praemia.
§. 1-2.
Cautelen, so
bey Bestraffun-
gen inacht zu
nehmen.

SI homines legibus parerent & voluntatem principis pro sapientissima
haberent,
so würden die leges nicht überschritten werden, ubi vero
nulla legis transgressio, ibi nullum delictum, ubi nullum delictum,
ibi nulla poena
. Aber violant leges; dum violant voluntatem principis,
nihil faciunt,
daß es soviel ist als nichts, sie gehen nur nach ihren Trieb
der Natur, und setzen den legem expressam auf die Seite, daher auch ein
Princeps veritatis in vitiis sie bestraffen, und metum, quod non sit vanus,
zu erkennen geben muß. Dieses ist sein officium: denn er hat nicht nur
müssen versprechen, daß er wolle leges geben, sondern, daß er auch wolle
severus legum custos seyn: Lex enim sine sanctione poenali non est lex.
Das ist sein munus. Er ist schuldig solches zu thun, und stehet nicht in
seinem arbitrio bloß sine ratione zu dispensiren. Es wird zwar in der
Welt nicht bestrafft, sondern soli Deo respondet, wenn er sine ulla causa
denen legibus Krafft giebet, und dispensiret, er macht aber doch, daß die
Unterthanen murren, und bekommen einen Haß gegen ihn. Vieles
thun freylich die Unterthanen nicht mit Recht, aber es geschiehet doch;
daß aber der Princeps schuldig ist auf die poenas zu sehen, kommt daher:

Er

Cap. V. De prudentia
drießlich. Daß die vielen inſtanzen nichts nutzen, hat Hugo de abuſu
appellationum
gewieſen, der auch gezeiget hat, wo die vielen inſtanzen
herkommen. Der Cammer-Gerichts-Aſſeſſor Ludolph, welcher ſonſt
in Eiſenach in Dienſten geweſen, ſaget, daß nirgends ſo viele inſtanzen
waͤren, als in Sachſen. Es ſind da erſt die Leuterungen in denen Un-
ter-Gerichten, hernach kommt man an das Hof-Gerichte, und denn an
die Regierungen. Es iſt gnug, wenn man eine inſtanz hat, zum hoͤch-
ſten zwey, was ſoll man da ſo viele inſtanzen geben. Rennemann, Pro-
feſſor Erffurthenſis
hat auch eine Diſſertation de Transmiſſione Actorum
geſchrieben, worinnen er gewieſen, wo ſie herkommen, und was gutes
dran ſey, item was ſie vor eine Verhinderung machen. Wenn einer
ein Narr, ſo kan man propter duritiem cordis wohl transmiſſionem
Actorum
zu laſſen. Wenn man bey einem Urthel nur die acten ver-
ſchicket, ſo waͤre es noch gut, ſo aber thun ſie es bey allen interlocuten,
welches ein groſſer Fehler.

Sect. V.
de
Prudentia ſtatus circa pœnas & præmia.
§. 1-2.
Cautelen, ſo
bey Beſtraffun-
gen inacht zu
nehmen.

SI homines legibus parerent & voluntatem principis pro ſapientiſſima
haberent,
ſo wuͤrden die leges nicht uͤberſchritten werden, ubi vero
nulla legis transgreſſio, ibi nullum delictum, ubi nullum delictum,
ibi nulla pœna
. Aber violant leges; dum violant voluntatem principis,
nihil faciunt,
daß es ſoviel iſt als nichts, ſie gehen nur nach ihren Trieb
der Natur, und ſetzen den legem expreſſam auf die Seite, daher auch ein
Princeps veritatis in vitiis ſie beſtraffen, und metum, quod non ſit vanus,
zu erkennen geben muß. Dieſes iſt ſein officium: denn er hat nicht nur
muͤſſen verſprechen, daß er wolle leges geben, ſondern, daß er auch wolle
ſeverus legum cuſtos ſeyn: Lex enim ſine ſanctione pœnali non eſt lex.
Das iſt ſein munus. Er iſt ſchuldig ſolches zu thun, und ſtehet nicht in
ſeinem arbitrio bloß ſine ratione zu diſpenſiren. Es wird zwar in der
Welt nicht beſtrafft, ſondern ſoli Deo reſpondet, wenn er ſine ulla cauſa
denen legibus Krafft giebet, und diſpenſiret, er macht aber doch, daß die
Unterthanen murren, und bekommen einen Haß gegen ihn. Vieles
thun freylich die Unterthanen nicht mit Recht, aber es geſchiehet doch;
daß aber der Princeps ſchuldig iſt auf die pœnas zu ſehen, kommt daher:

Er
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[204/0224] Cap. V. De prudentia drießlich. Daß die vielen inſtanzen nichts nutzen, hat Hugo de abuſu appellationum gewieſen, der auch gezeiget hat, wo die vielen inſtanzen herkommen. Der Cammer-Gerichts-Aſſeſſor Ludolph, welcher ſonſt in Eiſenach in Dienſten geweſen, ſaget, daß nirgends ſo viele inſtanzen waͤren, als in Sachſen. Es ſind da erſt die Leuterungen in denen Un- ter-Gerichten, hernach kommt man an das Hof-Gerichte, und denn an die Regierungen. Es iſt gnug, wenn man eine inſtanz hat, zum hoͤch- ſten zwey, was ſoll man da ſo viele inſtanzen geben. Rennemann, Pro- feſſor Erffurthenſis hat auch eine Diſſertation de Transmiſſione Actorum geſchrieben, worinnen er gewieſen, wo ſie herkommen, und was gutes dran ſey, item was ſie vor eine Verhinderung machen. Wenn einer ein Narr, ſo kan man propter duritiem cordis wohl transmiſſionem Actorum zu laſſen. Wenn man bey einem Urthel nur die acten ver- ſchicket, ſo waͤre es noch gut, ſo aber thun ſie es bey allen interlocuten, welches ein groſſer Fehler. Sect. V. de Prudentia ſtatus circa pœnas & præmia. §. 1-2. SI homines legibus parerent & voluntatem principis pro ſapientiſſima haberent, ſo wuͤrden die leges nicht uͤberſchritten werden, ubi vero nulla legis transgreſſio, ibi nullum delictum, ubi nullum delictum, ibi nulla pœna. Aber violant leges; dum violant voluntatem principis, nihil faciunt, daß es ſoviel iſt als nichts, ſie gehen nur nach ihren Trieb der Natur, und ſetzen den legem expreſſam auf die Seite, daher auch ein Princeps veritatis in vitiis ſie beſtraffen, und metum, quod non ſit vanus, zu erkennen geben muß. Dieſes iſt ſein officium: denn er hat nicht nur muͤſſen verſprechen, daß er wolle leges geben, ſondern, daß er auch wolle ſeverus legum cuſtos ſeyn: Lex enim ſine ſanctione pœnali non eſt lex. Das iſt ſein munus. Er iſt ſchuldig ſolches zu thun, und ſtehet nicht in ſeinem arbitrio bloß ſine ratione zu diſpenſiren. Es wird zwar in der Welt nicht beſtrafft, ſondern ſoli Deo reſpondet, wenn er ſine ulla cauſa denen legibus Krafft giebet, und diſpenſiret, er macht aber doch, daß die Unterthanen murren, und bekommen einen Haß gegen ihn. Vieles thun freylich die Unterthanen nicht mit Recht, aber es geſchiehet doch; daß aber der Princeps ſchuldig iſt auf die pœnas zu ſehen, kommt daher: Er

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/224>, abgerufen am 26.11.2024.