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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
nen Gesandten schicken, so hat man viel zu thun, bis man fertig wird,
wegen des ceremoniels: Man vergleicht sich, mit wie viel Carossen der
Ambassadeur soll abgeholet werden, was vor Bedienten dabey seyn sol-
len, wenn die Bedienten schlecht sind, so verdrießt es dem Herrn. So
verdroß dem Bernhard von Weymar, daß der Hertzog von Parma durch
vornehme Herren zur audience geholet worden, und ihm wurden zwar
auch Officiers geschickt, die aber nicht so vornehm waren, es wird allezeit
ausgemacht, was vor Personen sich mit in die Carosse setzen sollen; Der-
jenige ehret mich mehr, welcher mir seine vornehmsten Bedienten entge-
gen schickt. Dicis: Es sind doch dieses lauter eitele Dinge? Respond.
Wenn du alles das wegthun willst, was eitel ist, so darffst du keinen
Huth aufsetzen, sondern in der Schlaff-Mütze gehen. Grosse Herren
gehen nicht mit einander um wie Seiffen-Sieder, sie wollen geehret seyn.
Hieraus kan man sehen, warum einer will solenniter audience haben.
Es ist ein contemtus, wenn einer im Jagd-Hause, oder wenn er auf die
Post steigen will, audience habe. Es mischt sich freylich hier ambitio-
sum quid
hinein, aber wir können nicht alle ambition aus der Welt ja-
gen. Wenn auch ein ambitiosus raisonnirt, so raisonnirt er nicht alle-
zeit gantz unrecht. Wenn gleich der andere saget, er wolle es auch so
genau nicht nehmen, wenn er einen Gesandten schicke, so hat man doch
nicht nöthig, hier nachzugeben. Ein Fürst muß hier nicht opinaitre seyn.
An denen meisten Höfen haben sie regulirte ceremoniels, wie e. g. der
Englische, Spanische, Frantzösische Gesandte recipirt worden, dabey
verharret man accurat, auf Seiten dessen, der schicket, und an dem ge-
schicket wird. Wir sahen letztens in Portugall, daß der Hertzog von
Bourbon haben wollen, der Abt Livry sollte praetendiren, daß der Por-
tugiesische Staats-Secretarius zu ihm zu erst fahren sollte, welches sein
Lebtage nicht gewesen, und thun die Portugiesen wohl, wenn sie bey dem
Alten bleiben, praecipue cum jam non sit clarum, Lusitanos indigere au-
xilio Gallorum.
Ich habe memoiren von Dännemarck gelesen, und ge-
funden, daß die Dänen bey denen Englischen Gesandten, wegen des ce-
remoniels
etwas ändern wollen, welches aber der Gesandte, Vernon,
nicht zugegeben, weil er gesehen, daß es zum praejudiz seiner Königin
wäre. Er hat sich aber doch endlich certis conditionibus accommodirt.
Weil das ceremoniel viel difficultäten macht, so siehet man nicht gerne,
daß es gedruckt wird. Die ceremonien werden grösser, wenn ich ande-
re brauche. Daher mag ein ceremoniel regulirt seyn, wie es will, so
changirt es immer noch. Die opinion, die einer hat von eines Princi-
pal
en potenz, welche er brauchet, verursachet, daß er nimmermehr Ehre

erwei-

Cap. V. De prudentia
nen Geſandten ſchicken, ſo hat man viel zu thun, bis man fertig wird,
wegen des ceremoniels: Man vergleicht ſich, mit wie viel Caroſſen der
Ambaſſadeur ſoll abgeholet werden, was vor Bedienten dabey ſeyn ſol-
len, wenn die Bedienten ſchlecht ſind, ſo verdrießt es dem Herrn. So
verdroß dem Bernhard von Weymar, daß der Hertzog von Parma durch
vornehme Herren zur audience geholet worden, und ihm wurden zwar
auch Officiers geſchickt, die aber nicht ſo vornehm waren, es wird allezeit
ausgemacht, was vor Perſonen ſich mit in die Caroſſe ſetzen ſollen; Der-
jenige ehret mich mehr, welcher mir ſeine vornehmſten Bedienten entge-
gen ſchickt. Dicis: Es ſind doch dieſes lauter eitele Dinge? Reſpond.
Wenn du alles das wegthun willſt, was eitel iſt, ſo darffſt du keinen
Huth aufſetzen, ſondern in der Schlaff-Muͤtze gehen. Groſſe Herren
gehen nicht mit einander um wie Seiffen-Sieder, ſie wollen geehret ſeyn.
Hieraus kan man ſehen, warum einer will ſolenniter audience haben.
Es iſt ein contemtus, wenn einer im Jagd-Hauſe, oder wenn er auf die
Poſt ſteigen will, audience habe. Es miſcht ſich freylich hier ambitio-
ſum quid
hinein, aber wir koͤnnen nicht alle ambition aus der Welt ja-
gen. Wenn auch ein ambitioſus raiſonnirt, ſo raiſonnirt er nicht alle-
zeit gantz unrecht. Wenn gleich der andere ſaget, er wolle es auch ſo
genau nicht nehmen, wenn er einen Geſandten ſchicke, ſo hat man doch
nicht noͤthig, hier nachzugeben. Ein Fuͤrſt muß hier nicht opinaitre ſeyn.
An denen meiſten Hoͤfen haben ſie regulirte ceremoniels, wie e. g. der
Engliſche, Spaniſche, Frantzoͤſiſche Geſandte recipirt worden, dabey
verharret man accurat, auf Seiten deſſen, der ſchicket, und an dem ge-
ſchicket wird. Wir ſahen letztens in Portugall, daß der Hertzog von
Bourbon haben wollen, der Abt Livry ſollte prætendiren, daß der Por-
tugieſiſche Staats-Secretarius zu ihm zu erſt fahren ſollte, welches ſein
Lebtage nicht geweſen, und thun die Portugieſen wohl, wenn ſie bey dem
Alten bleiben, præcipue cum jam non ſit clarum, Luſitanos indigere au-
xilio Gallorum.
Ich habe memoiren von Daͤnnemarck geleſen, und ge-
funden, daß die Daͤnen bey denen Engliſchen Geſandten, wegen des ce-
remoniels
etwas aͤndern wollen, welches aber der Geſandte, Vernon,
nicht zugegeben, weil er geſehen, daß es zum præjudiz ſeiner Koͤnigin
waͤre. Er hat ſich aber doch endlich certis conditionibus accommodirt.
Weil das ceremoniel viel difficultaͤten macht, ſo ſiehet man nicht gerne,
daß es gedruckt wird. Die ceremonien werden groͤſſer, wenn ich ande-
re brauche. Daher mag ein ceremoniel regulirt ſeyn, wie es will, ſo
changirt es immer noch. Die opinion, die einer hat von eines Princi-
pal
en potenz, welche er brauchet, verurſachet, daß er nimmermehr Ehre

erwei-
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[380/0400] Cap. V. De prudentia nen Geſandten ſchicken, ſo hat man viel zu thun, bis man fertig wird, wegen des ceremoniels: Man vergleicht ſich, mit wie viel Caroſſen der Ambaſſadeur ſoll abgeholet werden, was vor Bedienten dabey ſeyn ſol- len, wenn die Bedienten ſchlecht ſind, ſo verdrießt es dem Herrn. So verdroß dem Bernhard von Weymar, daß der Hertzog von Parma durch vornehme Herren zur audience geholet worden, und ihm wurden zwar auch Officiers geſchickt, die aber nicht ſo vornehm waren, es wird allezeit ausgemacht, was vor Perſonen ſich mit in die Caroſſe ſetzen ſollen; Der- jenige ehret mich mehr, welcher mir ſeine vornehmſten Bedienten entge- gen ſchickt. Dicis: Es ſind doch dieſes lauter eitele Dinge? Reſpond. Wenn du alles das wegthun willſt, was eitel iſt, ſo darffſt du keinen Huth aufſetzen, ſondern in der Schlaff-Muͤtze gehen. Groſſe Herren gehen nicht mit einander um wie Seiffen-Sieder, ſie wollen geehret ſeyn. Hieraus kan man ſehen, warum einer will ſolenniter audience haben. Es iſt ein contemtus, wenn einer im Jagd-Hauſe, oder wenn er auf die Poſt ſteigen will, audience habe. Es miſcht ſich freylich hier ambitio- ſum quid hinein, aber wir koͤnnen nicht alle ambition aus der Welt ja- gen. Wenn auch ein ambitioſus raiſonnirt, ſo raiſonnirt er nicht alle- zeit gantz unrecht. Wenn gleich der andere ſaget, er wolle es auch ſo genau nicht nehmen, wenn er einen Geſandten ſchicke, ſo hat man doch nicht noͤthig, hier nachzugeben. Ein Fuͤrſt muß hier nicht opinaitre ſeyn. An denen meiſten Hoͤfen haben ſie regulirte ceremoniels, wie e. g. der Engliſche, Spaniſche, Frantzoͤſiſche Geſandte recipirt worden, dabey verharret man accurat, auf Seiten deſſen, der ſchicket, und an dem ge- ſchicket wird. Wir ſahen letztens in Portugall, daß der Hertzog von Bourbon haben wollen, der Abt Livry ſollte prætendiren, daß der Por- tugieſiſche Staats-Secretarius zu ihm zu erſt fahren ſollte, welches ſein Lebtage nicht geweſen, und thun die Portugieſen wohl, wenn ſie bey dem Alten bleiben, præcipue cum jam non ſit clarum, Luſitanos indigere au- xilio Gallorum. Ich habe memoiren von Daͤnnemarck geleſen, und ge- funden, daß die Daͤnen bey denen Engliſchen Geſandten, wegen des ce- remoniels etwas aͤndern wollen, welches aber der Geſandte, Vernon, nicht zugegeben, weil er geſehen, daß es zum præjudiz ſeiner Koͤnigin waͤre. Er hat ſich aber doch endlich certis conditionibus accommodirt. Weil das ceremoniel viel difficultaͤten macht, ſo ſiehet man nicht gerne, daß es gedruckt wird. Die ceremonien werden groͤſſer, wenn ich ande- re brauche. Daher mag ein ceremoniel regulirt ſeyn, wie es will, ſo changirt es immer noch. Die opinion, die einer hat von eines Princi- palen potenz, welche er brauchet, verurſachet, daß er nimmermehr Ehre erwei-

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/400>, abgerufen am 24.11.2024.