Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia etliche Jahr herum schmeissen. Zucht und Erbarkeit ist allezeit gut; aberdahin wird es freylich ein Herr nicht bringen, daß kein böser Mensch sollte darunter seyn, wenn sie nur äusserlich ordentlich leben, nicht marodi- ren: Das marodiren hat viel Unglück verursachet. In der Historia Gi- selberti lieset man, daß er einem Bauer die Pferde genommen, der Bauer verrieth daher, wo Giselbert hingegangen, da marchirten Ottonis Officiers nach, und sprengeten ihn in Rhein. Johann Friedrich in Sachsen hat die bataille dadurch verlohren, daß seine Leute einem Bauern die Pferde genommen, welcher denen Kayserlichen den Weg gewiesen, wo sie kon- ten über die Elbe kommen, den sonst die Kayserlichen würden nim- mermehr gesunden haben: Die Sachsen waren in Sicherheit, dachten nicht, daß die Kayserlichen würden hinüber kommen können, und wur- den also geschlagen. Die Leute werden verdrießlich, wenn man ihnen das Ihrige nimmt. In des Feindes Lande kan der Feind die Leute leicht gewinnen, wenn er sagt: Er suche die Unterthanen zu protegiren, und ihnen nichts zu nehmen; deßwegen ist eine scharffe disciplin vonnö- then, und siehet man nicht darauf, ob eine proportion da ist zwischen der gestohlnen Sache und dem Tode des Soldatens. Ich weiß einen Kerl, welcher nur den Leuten, so auf der Strasse feil haben, eine Bre- tzel genommen, muste hencken. Viele meyneten, es wäre zu grausam, aber der Officier sagte: Er würde nicht gehenckt wegen der Bretzel, son- dern weil er gestohlen, und sein Geboth nicht in acht genommen. Die Schweden haben eine grosse Liebe gehabt, da sie eine gute Ordnung unter ihren Leuten gehalten. Wie Gustav Adolph Stettin bekommen, ließ er auf dem Wall Gezelter schlagen, worinnen sich die Soldaten auf- halten musten, damit die Bürger nicht incommodirt würden, welches de- nen Leuten sehr wohl gefallen, sonst würde auch der König in Schweden nicht so reussiret haben. Hergegen die Frantzosen und Beyern haben ge- hauset, wo sie hingekommen, das hat ihnen grossen Tort gethan. Viele Städte haben sich deßwegen in positur gesetzet, sich ihnen zu widersetzen, welches sie sonst nicht würden gethan haben. Nürnberg ist keine feste Stadt, aber durch ihren Aufstand haben sie den Beyern grossen Scha- den gethan; die Bürger schlugen einmahl ein Corpo von Beyern aus dem Felde. Das machte die desperation; denn sie sagten: wenn wir uns ihnen übergeben, so behalten wir ohnedem nichts, also wollen wir uns lieber desperat wehren. So hätten die Beyern auch Tyrol leicht weg bekommen können, aber die Bauren wurden auch desperat, und wehreten sich tapffer. Was die montur der Soldaten betrifft, so ha- ben viele gemeynet, diejenigen, so brillirten auro & argento, thäten ihr devoir
Cap. V. De prudentia etliche Jahr herum ſchmeiſſen. Zucht und Erbarkeit iſt allezeit gut; aberdahin wird es freylich ein Herr nicht bringen, daß kein boͤſer Menſch ſollte darunter ſeyn, wenn ſie nur aͤuſſerlich ordentlich leben, nicht marodi- ren: Das marodiren hat viel Ungluͤck verurſachet. In der Hiſtoria Gi- ſelberti lieſet man, daß er einem Bauer die Pferde genommen, der Bauer verrieth daher, wo Giſelbert hingegangen, da marchirten Ottonis Officiers nach, und ſprengeten ihn in Rhein. Johann Friedrich in Sachſen hat die bataille dadurch verlohren, daß ſeine Leute einem Bauern die Pferde genommen, welcher denen Kayſerlichen den Weg gewieſen, wo ſie kon- ten uͤber die Elbe kommen, den ſonſt die Kayſerlichen wuͤrden nim- mermehr geſunden haben: Die Sachſen waren in Sicherheit, dachten nicht, daß die Kayſerlichen wuͤrden hinuͤber kommen koͤnnen, und wur- den alſo geſchlagen. Die Leute werden verdrießlich, wenn man ihnen das Ihrige nimmt. In des Feindes Lande kan der Feind die Leute leicht gewinnen, wenn er ſagt: Er ſuche die Unterthanen zu protegiren, und ihnen nichts zu nehmen; deßwegen iſt eine ſcharffe diſciplin vonnoͤ- then, und ſiehet man nicht darauf, ob eine proportion da iſt zwiſchen der geſtohlnen Sache und dem Tode des Soldatens. Ich weiß einen Kerl, welcher nur den Leuten, ſo auf der Straſſe feil haben, eine Bre- tzel genommen, muſte hencken. Viele meyneten, es waͤre zu grauſam, aber der Officier ſagte: Er wuͤrde nicht gehenckt wegen der Bretzel, ſon- dern weil er geſtohlen, und ſein Geboth nicht in acht genommen. Die Schweden haben eine groſſe Liebe gehabt, da ſie eine gute Ordnung unter ihren Leuten gehalten. Wie Guſtav Adolph Stettin bekommen, ließ er auf dem Wall Gezelter ſchlagen, worinnen ſich die Soldaten auf- halten muſten, damit die Buͤrger nicht incommodirt wuͤrden, welches de- nen Leuten ſehr wohl gefallen, ſonſt wuͤrde auch der Koͤnig in Schweden nicht ſo reuſſiret haben. Hergegen die Frantzoſen und Beyern haben ge- hauſet, wo ſie hingekommen, das hat ihnen groſſen Tort gethan. Viele Staͤdte haben ſich deßwegen in poſitur geſetzet, ſich ihnen zu widerſetzen, welches ſie ſonſt nicht wuͤrden gethan haben. Nuͤrnberg iſt keine feſte Stadt, aber durch ihren Aufſtand haben ſie den Beyern groſſen Scha- den gethan; die Buͤrger ſchlugen einmahl ein Corpo von Beyern aus dem Felde. Das machte die deſperation; denn ſie ſagten: wenn wir uns ihnen uͤbergeben, ſo behalten wir ohnedem nichts, alſo wollen wir uns lieber deſperat wehren. So haͤtten die Beyern auch Tyrol leicht weg bekommen koͤnnen, aber die Bauren wurden auch deſperat, und wehreten ſich tapffer. Was die montur der Soldaten betrifft, ſo ha- ben viele gemeynet, diejenigen, ſo brillirten auro & argento, thaͤten ihr devoir
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0426" n="406"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> V. De prudentia</hi></fw><lb/> etliche Jahr herum ſchmeiſſen. Zucht und Erbarkeit iſt allezeit gut; aber<lb/> dahin wird es freylich ein Herr nicht bringen, daß kein boͤſer Menſch<lb/> ſollte darunter ſeyn, wenn ſie nur aͤuſſerlich ordentlich leben, nicht <hi rendition="#aq">marodi-</hi><lb/> ren: Das <hi rendition="#aq">marodi</hi>ren hat viel Ungluͤck verurſachet. In der <hi rendition="#aq">Hiſtoria Gi-<lb/> ſelberti</hi> lieſet man, daß er einem Bauer die Pferde genommen, der Bauer<lb/> verrieth daher, wo <hi rendition="#aq">Giſelbert</hi> hingegangen, da <hi rendition="#aq">marchi</hi>rten <hi rendition="#aq">Ottonis Officiers</hi><lb/> nach, und ſprengeten ihn in Rhein. <hi rendition="#aq">Johann Friedrich</hi> in Sachſen hat<lb/> die <hi rendition="#aq">bataille</hi> dadurch verlohren, daß ſeine Leute einem Bauern die Pferde<lb/> genommen, welcher denen Kayſerlichen den Weg gewieſen, wo ſie kon-<lb/> ten uͤber die Elbe kommen, den ſonſt die Kayſerlichen wuͤrden nim-<lb/> mermehr geſunden haben: Die Sachſen waren in Sicherheit, dachten<lb/> nicht, daß die Kayſerlichen wuͤrden hinuͤber kommen koͤnnen, und wur-<lb/> den alſo geſchlagen. Die Leute werden verdrießlich, wenn man ihnen<lb/> das Ihrige nimmt. In des Feindes Lande kan der Feind die Leute<lb/> leicht gewinnen, wenn er ſagt: Er ſuche die Unterthanen zu <hi rendition="#aq">protegi</hi>ren,<lb/> und ihnen nichts zu nehmen; deßwegen iſt eine ſcharffe <hi rendition="#aq">diſciplin</hi> vonnoͤ-<lb/> then, und ſiehet man nicht darauf, ob eine <hi rendition="#aq">proportion</hi> da iſt zwiſchen<lb/> der geſtohlnen Sache und dem Tode des Soldatens. Ich weiß einen<lb/> Kerl, welcher nur den Leuten, ſo auf der Straſſe feil haben, eine Bre-<lb/> tzel genommen, muſte hencken. Viele meyneten, es waͤre zu grauſam,<lb/> aber der <hi rendition="#aq">Officier</hi> ſagte: Er wuͤrde nicht gehenckt wegen der Bretzel, ſon-<lb/> dern weil er geſtohlen, und ſein Geboth nicht in acht genommen. Die<lb/> Schweden haben eine groſſe Liebe gehabt, da ſie eine gute Ordnung<lb/> unter ihren Leuten gehalten. Wie <hi rendition="#aq">Guſtav Adolph</hi> Stettin bekommen,<lb/> ließ er auf dem Wall Gezelter ſchlagen, worinnen ſich die Soldaten auf-<lb/> halten muſten, damit die Buͤrger nicht <hi rendition="#aq">incommodi</hi>rt wuͤrden, welches de-<lb/> nen Leuten ſehr wohl gefallen, ſonſt wuͤrde auch der Koͤnig in Schweden<lb/> nicht ſo <hi rendition="#aq">reuſſi</hi>ret haben. Hergegen die Frantzoſen und Beyern haben ge-<lb/> hauſet, wo ſie hingekommen, das hat ihnen groſſen Tort gethan. Viele<lb/> Staͤdte haben ſich deßwegen in <hi rendition="#aq">poſitur</hi> geſetzet, ſich ihnen zu widerſetzen,<lb/> welches ſie ſonſt nicht wuͤrden gethan haben. Nuͤrnberg iſt keine feſte<lb/> Stadt, aber durch ihren Aufſtand haben ſie den Beyern groſſen Scha-<lb/> den gethan; die Buͤrger ſchlugen einmahl ein <hi rendition="#aq">Corpo</hi> von Beyern aus<lb/> dem Felde. Das machte die <hi rendition="#aq">deſperation;</hi> denn ſie ſagten: wenn wir<lb/> uns ihnen uͤbergeben, ſo behalten wir ohnedem nichts, alſo wollen wir<lb/> uns lieber <hi rendition="#aq">deſperat</hi> wehren. So haͤtten die Beyern auch Tyrol leicht<lb/> weg bekommen koͤnnen, aber die Bauren wurden auch <hi rendition="#aq">deſperat,</hi> und<lb/> wehreten ſich tapffer. Was die <hi rendition="#aq">montur</hi> der Soldaten betrifft, ſo ha-<lb/> ben viele gemeynet, diejenigen, ſo <hi rendition="#aq">brilli</hi>rten <hi rendition="#aq">auro & argento,</hi> thaͤten ihr<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">devoir</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [406/0426]
Cap. V. De prudentia
etliche Jahr herum ſchmeiſſen. Zucht und Erbarkeit iſt allezeit gut; aber
dahin wird es freylich ein Herr nicht bringen, daß kein boͤſer Menſch
ſollte darunter ſeyn, wenn ſie nur aͤuſſerlich ordentlich leben, nicht marodi-
ren: Das marodiren hat viel Ungluͤck verurſachet. In der Hiſtoria Gi-
ſelberti lieſet man, daß er einem Bauer die Pferde genommen, der Bauer
verrieth daher, wo Giſelbert hingegangen, da marchirten Ottonis Officiers
nach, und ſprengeten ihn in Rhein. Johann Friedrich in Sachſen hat
die bataille dadurch verlohren, daß ſeine Leute einem Bauern die Pferde
genommen, welcher denen Kayſerlichen den Weg gewieſen, wo ſie kon-
ten uͤber die Elbe kommen, den ſonſt die Kayſerlichen wuͤrden nim-
mermehr geſunden haben: Die Sachſen waren in Sicherheit, dachten
nicht, daß die Kayſerlichen wuͤrden hinuͤber kommen koͤnnen, und wur-
den alſo geſchlagen. Die Leute werden verdrießlich, wenn man ihnen
das Ihrige nimmt. In des Feindes Lande kan der Feind die Leute
leicht gewinnen, wenn er ſagt: Er ſuche die Unterthanen zu protegiren,
und ihnen nichts zu nehmen; deßwegen iſt eine ſcharffe diſciplin vonnoͤ-
then, und ſiehet man nicht darauf, ob eine proportion da iſt zwiſchen
der geſtohlnen Sache und dem Tode des Soldatens. Ich weiß einen
Kerl, welcher nur den Leuten, ſo auf der Straſſe feil haben, eine Bre-
tzel genommen, muſte hencken. Viele meyneten, es waͤre zu grauſam,
aber der Officier ſagte: Er wuͤrde nicht gehenckt wegen der Bretzel, ſon-
dern weil er geſtohlen, und ſein Geboth nicht in acht genommen. Die
Schweden haben eine groſſe Liebe gehabt, da ſie eine gute Ordnung
unter ihren Leuten gehalten. Wie Guſtav Adolph Stettin bekommen,
ließ er auf dem Wall Gezelter ſchlagen, worinnen ſich die Soldaten auf-
halten muſten, damit die Buͤrger nicht incommodirt wuͤrden, welches de-
nen Leuten ſehr wohl gefallen, ſonſt wuͤrde auch der Koͤnig in Schweden
nicht ſo reuſſiret haben. Hergegen die Frantzoſen und Beyern haben ge-
hauſet, wo ſie hingekommen, das hat ihnen groſſen Tort gethan. Viele
Staͤdte haben ſich deßwegen in poſitur geſetzet, ſich ihnen zu widerſetzen,
welches ſie ſonſt nicht wuͤrden gethan haben. Nuͤrnberg iſt keine feſte
Stadt, aber durch ihren Aufſtand haben ſie den Beyern groſſen Scha-
den gethan; die Buͤrger ſchlugen einmahl ein Corpo von Beyern aus
dem Felde. Das machte die deſperation; denn ſie ſagten: wenn wir
uns ihnen uͤbergeben, ſo behalten wir ohnedem nichts, alſo wollen wir
uns lieber deſperat wehren. So haͤtten die Beyern auch Tyrol leicht
weg bekommen koͤnnen, aber die Bauren wurden auch deſperat, und
wehreten ſich tapffer. Was die montur der Soldaten betrifft, ſo ha-
ben viele gemeynet, diejenigen, ſo brillirten auro & argento, thaͤten ihr
devoir
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |