Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. V. De prudentia Man muß vielmehr simuliren und dissimuliren, weil man mit keinen ver-ständigen Leuten zu thun hat. Glaubst du wohl, daß plebs, Pack, fromm sey, und rationes anhöre? Der Plebs hat gar keine Weißheit. Ist ei- ner und der andere darunter fromm, so sinds homines singulares, und sind doch wohl homines simplices, die nicht einmahl wissen Rechenschafft von ihren Sachen zu geben, sondern in der Tummheit hingehen. Ergo cum desit probitas, cum rationes non audiant, so muß der Princeps den ple- bem infatuare, oder zum wenigsten hindern, ne invadat rempublicam. Man muß argumenta suchen. Henricus VIII. wie er nach Engeland kommen, den Richard überwunden, ihm die Crone vom Haupte genom- men, und selbige aufgesetzt, so war die Armee vor ihm, und alle proceres wollten ihn haben, er wollte aber doch gerne einen titulum haben, wo- durch er das Reich mainteniren könnte. Rapin Toyras in seiner Histo- rie d'Angleterre erzehlet, was er sich vor Mühe gegeben, denn er dachte, wenn einer von denen proceribus abträte/ und bließ unter den peuble, unter die Spreu, so entstünden leicht tumultus; Daher grosse Herren deductiones machen lassen, non solum ut optimates firmentur in opinio- ne justa, sondern hauptsächlich wegen des peuple. Sie werden in der Mutter-Sprache gemacht, daß ein jeder sie lesen kan, die Prediger müs- sen auch in ihren Predigten beybringen, daß der Herr rechtmäßig den Thron besitze. VVilliam ist auch deßwegen sehr besorgt gewesen, und haben da die Geistlichen viel gethan. Wer will den statum monarchi- cum conserviren, muß den peuple eine impression machen, daß keine bes- sere Regierungs-Form, als die monarchie; Daher kan er von der mo- narchie ntcht abgehen, sine elogiis, sine adulationibus, damit der Prin- ceps nicht in einen contemtum komme. Derjenige Rex Angliae ist verloh- ren, wider den der Plebs in Londen ist. Hier muß man sich nicht einen Principem vorstellen, dessen Land zwey bis drey Meilen groß ist, da kön- nen die Unterthanen nichts anfangen, sondern man muß Engeland, Franckreich ansehen. In der Historie des Louis XIV. kan man finden, was der peuple in seiner minorennite vorgenommen. Wider Henri- cum III. wurde gar eine ligue in Franckreich gemacht, und hat sich der- selbe in Pariß nicht dürffen sehen lassen; Deßwegen ist nöthig, denen Leuten die monarchie angenehm zu machen. Was der Autor sagt, daß der Princeps per tergiversationem es abschlagen solle, gehet dahin, wo ei- ne Wahl ist; Aber wo ein Erb-Recht ist, thut man es nicht. Tiberius hat sich anfangs gestellet, als wenn er nicht Kayser werden wollte. Clapmarus hat in seinem Buch p. 148 eine observation de recusatione gemacht; Wenn man nicht wüste, daß der jetzige König in Spanien ein
Cap. V. De prudentia Man muß vielmehr ſimuliren und diſſimuliren, weil man mit keinen ver-ſtaͤndigen Leuten zu thun hat. Glaubſt du wohl, daß plebs, Pack, fromm ſey, und rationes anhoͤre? Der Plebs hat gar keine Weißheit. Iſt ei- ner und der andere darunter fromm, ſo ſinds homines ſingulares, und ſind doch wohl homines ſimplices, die nicht einmahl wiſſen Rechenſchafft von ihren Sachen zu geben, ſondern in der Tummheit hingehen. Ergo cum deſit probitas, cum rationes non audiant, ſo muß der Princeps den ple- bem infatuare, oder zum wenigſten hindern, ne invadat rempublicam. Man muß argumenta ſuchen. Henricus VIII. wie er nach Engeland kommen, den Richard uͤberwunden, ihm die Crone vom Haupte genom- men, und ſelbige aufgeſetzt, ſo war die Armee vor ihm, und alle proceres wollten ihn haben, er wollte aber doch gerne einen titulum haben, wo- durch er das Reich mainteniren koͤnnte. Rapin Toyras in ſeiner Hiſto- rie d’Angleterre erzehlet, was er ſich vor Muͤhe gegeben, denn er dachte, wenn einer von denen proceribus abtraͤte/ und bließ unter den peuble, unter die Spreu, ſo entſtuͤnden leicht tumultus; Daher groſſe Herren deductiones machen laſſen, non ſolum ut optimates firmentur in opinio- ne juſta, ſondern hauptſaͤchlich wegen des peuple. Sie werden in der Mutter-Sprache gemacht, daß ein jeder ſie leſen kan, die Prediger muͤſ- ſen auch in ihren Predigten beybringen, daß der Herr rechtmaͤßig den Thron beſitze. VVilliam iſt auch deßwegen ſehr beſorgt geweſen, und haben da die Geiſtlichen viel gethan. Wer will den ſtatum monarchi- cum conſerviren, muß den peuple eine impreſſion machen, daß keine beſ- ſere Regierungs-Form, als die monarchie; Daher kan er von der mo- narchie ntcht abgehen, ſine elogiis, ſine adulationibus, damit der Prin- ceps nicht in einen contemtum komme. Derjenige Rex Angliæ iſt verloh- ren, wider den der Plebs in Londen iſt. Hier muß man ſich nicht einen Principem vorſtellen, deſſen Land zwey bis drey Meilen groß iſt, da koͤn- nen die Unterthanen nichts anfangen, ſondern man muß Engeland, Franckreich anſehen. In der Hiſtorie des Louis XIV. kan man finden, was der peuple in ſeiner minorennité vorgenommen. Wider Henri- cum III. wurde gar eine ligue in Franckreich gemacht, und hat ſich der- ſelbe in Pariß nicht duͤrffen ſehen laſſen; Deßwegen iſt noͤthig, denen Leuten die monarchie angenehm zu machen. Was der Autor ſagt, daß der Princeps per tergiverſationem es abſchlagen ſolle, gehet dahin, wo ei- ne Wahl iſt; Aber wo ein Erb-Recht iſt, thut man es nicht. Tiberius hat ſich anfangs geſtellet, als wenn er nicht Kayſer werden wollte. Clapmarus hat in ſeinem Buch p. 148 eine obſervation de recuſatione gemacht; Wenn man nicht wuͤſte, daß der jetzige Koͤnig in Spanien ein
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0466" n="446"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> V. De prudentia</hi></fw><lb/> Man muß vielmehr <hi rendition="#aq">ſimuli</hi>ren und <hi rendition="#aq">diſſimuli</hi>ren, weil man mit keinen ver-<lb/> ſtaͤndigen Leuten zu thun hat. Glaubſt du wohl, daß <hi rendition="#aq">plebs,</hi> Pack, fromm<lb/> ſey, und <hi rendition="#aq">rationes</hi> anhoͤre? Der <hi rendition="#aq">Plebs</hi> hat gar keine Weißheit. Iſt ei-<lb/> ner und der andere darunter fromm, ſo ſinds <hi rendition="#aq">homines ſingulares,</hi> und ſind<lb/> doch wohl <hi rendition="#aq">homines ſimplices,</hi> die nicht einmahl wiſſen Rechenſchafft von<lb/> ihren Sachen zu geben, ſondern in der Tummheit hingehen. <hi rendition="#aq">Ergo cum<lb/> deſit probitas, cum rationes non audiant,</hi> ſo muß der <hi rendition="#aq">Princeps</hi> den <hi rendition="#aq">ple-<lb/> bem infatuare,</hi> oder zum wenigſten hindern, <hi rendition="#aq">ne invadat rempublicam.</hi><lb/> Man muß <hi rendition="#aq">argumenta</hi> ſuchen. <hi rendition="#aq">Henricus VIII.</hi> wie er nach Engeland<lb/> kommen, den <hi rendition="#aq">Richard</hi> uͤberwunden, ihm die Crone vom Haupte genom-<lb/> men, und ſelbige aufgeſetzt, ſo war die Armee vor ihm, und alle <hi rendition="#aq">proceres</hi><lb/> wollten ihn haben, er wollte aber doch gerne einen <hi rendition="#aq">titulum</hi> haben, wo-<lb/> durch er das Reich <hi rendition="#aq">mainteni</hi>ren koͤnnte. <hi rendition="#aq">Rapin Toyras</hi> in ſeiner <hi rendition="#aq">Hiſto-<lb/> rie d’Angleterre</hi> erzehlet, was er ſich vor Muͤhe gegeben, denn er dachte,<lb/> wenn einer von denen <hi rendition="#aq">proceribus</hi> abtraͤte/ und bließ unter den <hi rendition="#aq">peuble,</hi><lb/> unter die Spreu, ſo entſtuͤnden leicht <hi rendition="#aq">tumultus;</hi> Daher groſſe Herren<lb/><hi rendition="#aq">deductiones</hi> machen laſſen, <hi rendition="#aq">non ſolum ut optimates firmentur in opinio-<lb/> ne juſta,</hi> ſondern hauptſaͤchlich wegen des <hi rendition="#aq">peuple.</hi> Sie werden in der<lb/> Mutter-Sprache gemacht, daß ein jeder ſie leſen kan, die Prediger muͤſ-<lb/> ſen auch in ihren Predigten beybringen, daß der Herr rechtmaͤßig den<lb/> Thron beſitze. <hi rendition="#aq">VVilliam</hi> iſt auch deßwegen ſehr beſorgt geweſen, und<lb/> haben da die Geiſtlichen viel gethan. Wer will den <hi rendition="#aq">ſtatum monarchi-<lb/> cum conſervi</hi>ren, muß den <hi rendition="#aq">peuple</hi> eine <hi rendition="#aq">impreſſion</hi> machen, daß keine beſ-<lb/> ſere Regierungs-Form, als die <hi rendition="#aq">monarchie;</hi> Daher kan er von der <hi rendition="#aq">mo-<lb/> narchie</hi> ntcht abgehen, <hi rendition="#aq">ſine elogiis, ſine adulationibus,</hi> damit der <hi rendition="#aq">Prin-<lb/> ceps</hi> nicht in einen <hi rendition="#aq">contemtum</hi> komme. Derjenige <hi rendition="#aq">Rex Angliæ</hi> iſt verloh-<lb/> ren, wider den der <hi rendition="#aq">Plebs</hi> in Londen iſt. Hier muß man ſich nicht einen<lb/><hi rendition="#aq">Principem</hi> vorſtellen, deſſen Land zwey bis drey Meilen groß iſt, da koͤn-<lb/> nen die Unterthanen nichts anfangen, ſondern man muß Engeland,<lb/> Franckreich anſehen. In der Hiſtorie des <hi rendition="#aq">Louis XIV.</hi> kan man finden,<lb/> was der <hi rendition="#aq">peuple</hi> in ſeiner <hi rendition="#aq">minorennité</hi> vorgenommen. Wider <hi rendition="#aq">Henri-<lb/> cum III.</hi> wurde gar eine <hi rendition="#aq">ligue</hi> in Franckreich gemacht, und hat ſich der-<lb/> ſelbe in Pariß nicht duͤrffen ſehen laſſen; Deßwegen iſt noͤthig, denen<lb/> Leuten die <hi rendition="#aq">monarchie</hi> angenehm zu machen. Was der <hi rendition="#aq">Autor</hi> ſagt, daß<lb/> der <hi rendition="#aq">Princeps per tergiverſationem</hi> es abſchlagen ſolle, gehet dahin, wo ei-<lb/> ne Wahl iſt; Aber wo ein Erb-Recht iſt, thut man es nicht. <hi rendition="#aq">Tiberius</hi><lb/> hat ſich anfangs geſtellet, als wenn er nicht Kayſer werden wollte.<lb/><hi rendition="#aq">Clapmarus</hi> hat in ſeinem Buch <hi rendition="#aq">p.</hi> 148 eine <hi rendition="#aq">obſervation de recuſatione</hi><lb/> gemacht; Wenn man nicht wuͤſte, daß der jetzige Koͤnig in Spanien<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [446/0466]
Cap. V. De prudentia
Man muß vielmehr ſimuliren und diſſimuliren, weil man mit keinen ver-
ſtaͤndigen Leuten zu thun hat. Glaubſt du wohl, daß plebs, Pack, fromm
ſey, und rationes anhoͤre? Der Plebs hat gar keine Weißheit. Iſt ei-
ner und der andere darunter fromm, ſo ſinds homines ſingulares, und ſind
doch wohl homines ſimplices, die nicht einmahl wiſſen Rechenſchafft von
ihren Sachen zu geben, ſondern in der Tummheit hingehen. Ergo cum
deſit probitas, cum rationes non audiant, ſo muß der Princeps den ple-
bem infatuare, oder zum wenigſten hindern, ne invadat rempublicam.
Man muß argumenta ſuchen. Henricus VIII. wie er nach Engeland
kommen, den Richard uͤberwunden, ihm die Crone vom Haupte genom-
men, und ſelbige aufgeſetzt, ſo war die Armee vor ihm, und alle proceres
wollten ihn haben, er wollte aber doch gerne einen titulum haben, wo-
durch er das Reich mainteniren koͤnnte. Rapin Toyras in ſeiner Hiſto-
rie d’Angleterre erzehlet, was er ſich vor Muͤhe gegeben, denn er dachte,
wenn einer von denen proceribus abtraͤte/ und bließ unter den peuble,
unter die Spreu, ſo entſtuͤnden leicht tumultus; Daher groſſe Herren
deductiones machen laſſen, non ſolum ut optimates firmentur in opinio-
ne juſta, ſondern hauptſaͤchlich wegen des peuple. Sie werden in der
Mutter-Sprache gemacht, daß ein jeder ſie leſen kan, die Prediger muͤſ-
ſen auch in ihren Predigten beybringen, daß der Herr rechtmaͤßig den
Thron beſitze. VVilliam iſt auch deßwegen ſehr beſorgt geweſen, und
haben da die Geiſtlichen viel gethan. Wer will den ſtatum monarchi-
cum conſerviren, muß den peuple eine impreſſion machen, daß keine beſ-
ſere Regierungs-Form, als die monarchie; Daher kan er von der mo-
narchie ntcht abgehen, ſine elogiis, ſine adulationibus, damit der Prin-
ceps nicht in einen contemtum komme. Derjenige Rex Angliæ iſt verloh-
ren, wider den der Plebs in Londen iſt. Hier muß man ſich nicht einen
Principem vorſtellen, deſſen Land zwey bis drey Meilen groß iſt, da koͤn-
nen die Unterthanen nichts anfangen, ſondern man muß Engeland,
Franckreich anſehen. In der Hiſtorie des Louis XIV. kan man finden,
was der peuple in ſeiner minorennité vorgenommen. Wider Henri-
cum III. wurde gar eine ligue in Franckreich gemacht, und hat ſich der-
ſelbe in Pariß nicht duͤrffen ſehen laſſen; Deßwegen iſt noͤthig, denen
Leuten die monarchie angenehm zu machen. Was der Autor ſagt, daß
der Princeps per tergiverſationem es abſchlagen ſolle, gehet dahin, wo ei-
ne Wahl iſt; Aber wo ein Erb-Recht iſt, thut man es nicht. Tiberius
hat ſich anfangs geſtellet, als wenn er nicht Kayſer werden wollte.
Clapmarus hat in ſeinem Buch p. 148 eine obſervation de recuſatione
gemacht; Wenn man nicht wuͤſte, daß der jetzige Koͤnig in Spanien
ein
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |