Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Vorrede. längsten verlohren gegangen. In Rom/ welches sonsten diegelehrtesten Scribenten hervorgebracht/ wurde die Politic gantz unter die Banck gesteckt/ Cicero soll zwar ein Buch de Repu- blica geschrieben haben/ welches aber nicht bis auf unsere Zei- ten erhalten worden; ja es scheinet/ daß die Römer nicht gerne gesehen/ wenn man von den Staats-Sachen allzufrey urthei- len wolte; inzwischen vermercket man gar wohl/ daß die Rö- mer in der Politic keine unwissenden Leute gewesen/ weil ihre Geschicht-Schreiber hier und da die schönsten Gedancken von der Politic einmengen/ daher manche in denen Gedancken stehen/ daß aus selbigen die wahre Politic vollkommen möge erlernet werden. Vor andern wird in diesem Fall der Tacitus geprie- sen/ dahero so viele Commentatores ihre Arbeit über denselbi- gen verfertiget/ wiewohl ich der sichern Meinung bin/ daß aus dem Tacito mehr geschlossen werde/ als Tacitus selbst vielleicht in seinen Gedancken gehabt. Nachdem die Christliche Religi- on durch des Höchsten Gnade auch an der Römischen Kayser Hofe ausgebreitet worden/ und die Geistlichkeit nach und nach mehrere Gewalt an sich zog/ auch sonderlich den saubern Unter- scheid zwischen dem Staat und der Kirche aufbrachten/ untersuch- ten sie mit Fleiß die politischen Künste/ ihre Autoritaet dadurch ste- tig mehr zu erheben. In unserm werthen Teutschland mag wohl zu Caroli M. Zeiten ein ziemlicher Begriff von der Staats- Klugheit gewesen seyn/ wie dieses grossen Kaysers unvergleich- liche Thaten einiger massen an den Tag geben/ allein unter sei- nem Sohne/ Ludwig dem Frommen/ bis fast auf die Zeiten Maximil. I. ist die Politic schrecklich aus denen Augen gesetzet worden/ indem die Geistlichen sich allein dahin bestrebten/ ihr Ansehen zu erhöhen/ und denen weltlichen Herren einen Dunst vor die Augen zu machen; Der Nahme der Politic war denen Leuten so unbekant/ als der Kuh ein neues Thor; sieben philo- sophische Wissenschafften wurden auf denen Universitäten ge- leh- a 3
Vorrede. laͤngſten verlohren gegangen. In Rom/ welches ſonſten diegelehrteſten Scribenten hervorgebracht/ wurde die Politic gantz unter die Banck geſteckt/ Cicero ſoll zwar ein Buch de Repu- blica geſchrieben haben/ welches aber nicht bis auf unſere Zei- ten erhalten worden; ja es ſcheinet/ daß die Roͤmer nicht gerne geſehen/ wenn man von den Staats-Sachen allzufrey urthei- len wolte; inzwiſchen vermercket man gar wohl/ daß die Roͤ- mer in der Politic keine unwiſſenden Leute geweſen/ weil ihre Geſchicht-Schreiber hier und da die ſchoͤnſten Gedancken von der Politic einmengen/ daher manche in denen Gedancken ſtehen/ daß aus ſelbigen die wahre Politic vollkommen moͤge erlernet werden. Vor andern wird in dieſem Fall der Tacitus geprie- ſen/ dahero ſo viele Commentatores ihre Arbeit uͤber denſelbi- gen verfertiget/ wiewohl ich der ſichern Meinung bin/ daß aus dem Tacito mehr geſchloſſen werde/ als Tacitus ſelbſt vielleicht in ſeinen Gedancken gehabt. Nachdem die Chriſtliche Religi- on durch des Hoͤchſten Gnade auch an der Roͤmiſchen Kayſer Hofe ausgebreitet worden/ und die Geiſtlichkeit nach und nach mehrere Gewalt an ſich zog/ auch ſonderlich den ſaubern Unter- ſcheid zwiſchen dem Staat und deꝛ Kirche aufbrachten/ unterſuch- ten ſie mit Fleiß die politiſchen Kuͤnſte/ ihre Autoritæt dadurch ſte- tig mehr zu erheben. In unſerm werthen Teutſchland mag wohl zu Caroli M. Zeiten ein ziemlicher Begriff von der Staats- Klugheit geweſen ſeyn/ wie dieſes groſſen Kayſers unvergleich- liche Thaten einiger maſſen an den Tag geben/ allein unter ſei- nem Sohne/ Ludwig dem Frommen/ bis faſt auf die Zeiten Maximil. I. iſt die Politic ſchrecklich aus denen Augen geſetzet worden/ indem die Geiſtlichen ſich allein dahin beſtrebten/ ihr Anſehen zu erhoͤhen/ und denen weltlichen Herren einen Dunſt vor die Augen zu machen; Der Nahme der Politic war denen Leuten ſo unbekant/ als der Kuh ein neues Thor; ſieben philo- ſophiſche Wiſſenſchafften wurden auf denen Univerſitaͤten ge- leh- a 3
<TEI> <text> <front> <div type="preface" n="1"> <p><pb facs="#f0009" n="5"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/> laͤngſten verlohren gegangen. In Rom/ welches ſonſten die<lb/> gelehrteſten <hi rendition="#aq">Scribent</hi>en hervorgebracht/ wurde die Politic gantz<lb/> unter die Banck geſteckt/ <hi rendition="#aq">Cicero</hi> ſoll zwar ein Buch <hi rendition="#aq">de Repu-<lb/> blica</hi> geſchrieben haben/ welches aber nicht bis auf unſere Zei-<lb/> ten erhalten worden; ja es ſcheinet/ daß die Roͤmer nicht gerne<lb/> geſehen/ wenn man von den Staats-Sachen allzufrey urthei-<lb/> len wolte; inzwiſchen vermercket man gar wohl/ daß die Roͤ-<lb/> mer in der Politic keine unwiſſenden Leute geweſen/ weil ihre<lb/> Geſchicht-Schreiber hier und da die ſchoͤnſten Gedancken von der<lb/> Politic einmengen/ daher manche in denen Gedancken ſtehen/<lb/> daß aus ſelbigen die wahre Politic vollkommen moͤge erlernet<lb/> werden. Vor andern wird in dieſem Fall der <hi rendition="#aq">Tacitus</hi> geprie-<lb/> ſen/ dahero ſo viele <hi rendition="#aq">Commentatores</hi> ihre Arbeit uͤber denſelbi-<lb/> gen verfertiget/ wiewohl ich der ſichern Meinung bin/ daß aus<lb/> dem <hi rendition="#aq">Tacito</hi> mehr geſchloſſen werde/ als <hi rendition="#aq">Tacitus</hi> ſelbſt vielleicht<lb/> in ſeinen Gedancken gehabt. Nachdem die Chriſtliche Religi-<lb/> on durch des Hoͤchſten Gnade auch an der Roͤmiſchen Kayſer<lb/> Hofe ausgebreitet worden/ und die Geiſtlichkeit nach und nach<lb/> mehrere Gewalt an ſich zog/ auch ſonderlich den ſaubern Unter-<lb/> ſcheid zwiſchen dem Staat und deꝛ Kirche aufbrachten/ unterſuch-<lb/> ten ſie mit Fleiß die politiſchen Kuͤnſte/ ihre <hi rendition="#aq">Autoritæt</hi> dadurch ſte-<lb/> tig mehr zu erheben. In unſerm werthen Teutſchland mag<lb/> wohl zu <hi rendition="#aq">Caroli M.</hi> Zeiten ein ziemlicher Begriff von der Staats-<lb/> Klugheit geweſen ſeyn/ wie dieſes groſſen Kayſers unvergleich-<lb/> liche Thaten einiger maſſen an den Tag geben/ allein unter ſei-<lb/> nem Sohne/ Ludwig dem Frommen/ bis faſt auf die Zeiten<lb/><hi rendition="#aq">Maximil. I.</hi> iſt die Politic ſchrecklich aus denen Augen geſetzet<lb/> worden/ indem die Geiſtlichen ſich allein dahin beſtrebten/ ihr<lb/> Anſehen zu erhoͤhen/ und denen weltlichen Herren einen Dunſt<lb/> vor die Augen zu machen; Der Nahme der Politic war denen<lb/> Leuten ſo unbekant/ als der Kuh ein neues Thor; ſieben <hi rendition="#aq">philo-<lb/> ſophi</hi>ſche Wiſſenſchafften wurden auf denen Univerſitaͤten ge-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">a 3</fw><fw place="bottom" type="catch">leh-</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [5/0009]
Vorrede.
laͤngſten verlohren gegangen. In Rom/ welches ſonſten die
gelehrteſten Scribenten hervorgebracht/ wurde die Politic gantz
unter die Banck geſteckt/ Cicero ſoll zwar ein Buch de Repu-
blica geſchrieben haben/ welches aber nicht bis auf unſere Zei-
ten erhalten worden; ja es ſcheinet/ daß die Roͤmer nicht gerne
geſehen/ wenn man von den Staats-Sachen allzufrey urthei-
len wolte; inzwiſchen vermercket man gar wohl/ daß die Roͤ-
mer in der Politic keine unwiſſenden Leute geweſen/ weil ihre
Geſchicht-Schreiber hier und da die ſchoͤnſten Gedancken von der
Politic einmengen/ daher manche in denen Gedancken ſtehen/
daß aus ſelbigen die wahre Politic vollkommen moͤge erlernet
werden. Vor andern wird in dieſem Fall der Tacitus geprie-
ſen/ dahero ſo viele Commentatores ihre Arbeit uͤber denſelbi-
gen verfertiget/ wiewohl ich der ſichern Meinung bin/ daß aus
dem Tacito mehr geſchloſſen werde/ als Tacitus ſelbſt vielleicht
in ſeinen Gedancken gehabt. Nachdem die Chriſtliche Religi-
on durch des Hoͤchſten Gnade auch an der Roͤmiſchen Kayſer
Hofe ausgebreitet worden/ und die Geiſtlichkeit nach und nach
mehrere Gewalt an ſich zog/ auch ſonderlich den ſaubern Unter-
ſcheid zwiſchen dem Staat und deꝛ Kirche aufbrachten/ unterſuch-
ten ſie mit Fleiß die politiſchen Kuͤnſte/ ihre Autoritæt dadurch ſte-
tig mehr zu erheben. In unſerm werthen Teutſchland mag
wohl zu Caroli M. Zeiten ein ziemlicher Begriff von der Staats-
Klugheit geweſen ſeyn/ wie dieſes groſſen Kayſers unvergleich-
liche Thaten einiger maſſen an den Tag geben/ allein unter ſei-
nem Sohne/ Ludwig dem Frommen/ bis faſt auf die Zeiten
Maximil. I. iſt die Politic ſchrecklich aus denen Augen geſetzet
worden/ indem die Geiſtlichen ſich allein dahin beſtrebten/ ihr
Anſehen zu erhoͤhen/ und denen weltlichen Herren einen Dunſt
vor die Augen zu machen; Der Nahme der Politic war denen
Leuten ſo unbekant/ als der Kuh ein neues Thor; ſieben philo-
ſophiſche Wiſſenſchafften wurden auf denen Univerſitaͤten ge-
leh-
a 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |