Wir Europaer finden aber die wiedersinnigste Ge- wöhnung nicht lächerlich. Der Landmann und Handarbeiter kegelt am Abend, der sitzende und denkende Arbeiter spielt Karte und Schach; sie sollten tauschen, um sich beyde zu erholen. Montagne sagt in seinen Essais *)je hay et fui le jeu des Echecs decequ'; il n'est pas asser jeu et qui'l nous eshat trop serieusement; und Jacob I. in seinem Do- no regio seu de institutione principis **)Latrun- culorum Lusus displicet. Est enim nimis consulta et philosophica stultitia. Cum enim omnes ludi eum in fi- nem inventi sint, ut tantisper animos avocent a negoti- orum molestiis, hic ludus operoso nugarum apparatu ma- gis intendit animos quam priores curae. Sie haben beyde Recht, wer lange sass und dachte, spalte lieber Holz, um sich zu erholen; und wen die Krone drückt, der erhole sich nicht im Schach. Kurz das Spiel ist eben wegen seiner Vortreff- lichkeit gar nicht dazu geeignet geistige Erholung zu geben, Jungen Leuten vom 12ten bis 14ten Jahre an, die des Tags hinlängliche Bewegung haben, empfehle ich das Schach; aber beson- ders Erziehern für solche Zöglinge, die bey gu- ten Anlagen sich nicht fixiren lassen, weil sie lieber auf eine lärmende Art lustig sind; als am stillen Nachdenken Vergnügen finden.
*) Chap, 50.
**) Pag. 74. edit. Francof. 1679. 4. Die Hanauer Ausgabe 160[2]. pag. 193 geht in Worten ganz davon ab.
Wir Europaer finden aber die wiederſinnigſte Ge- wöhnung nicht lächerlich. Der Landmann und Handarbeiter kegelt am Abend, der ſitzende und denkende Arbeiter ſpielt Karte und Schach; ſie ſollten tauſchen, um ſich beyde zu erholen. Montagne ſagt in ſeinen Eſſais *)je hay et fui le jeu des Echecs decequ'; il n'est pas aſſer jeu et qui’l nous eſhat trop ſerieuſement; und Jacob I. in ſeinem Do- no regio ſeu de inſtitutione principis **)Latrun- culorum Luſus diſplicet. Eſt enim nimis conſulta et philoſophica ſtultitia. Cum enim omnes ludi eum in fi- nem inventi ſint, ut tantiſper animos avocent a negoti- orum moleſtiis, hic ludus operoſo nugarum apparatu ma- gis intendit animos quam priores curae. Sie haben beyde Recht, wer lange ſaſs und dachte, ſpalte lieber Holz, um ſich zu erholen; und wen die Krone drückt, der erhole ſich nicht im Schach. Kurz das Spiel iſt eben wegen ſeiner Vortreff- lichkeit gar nicht dazu geeignet geiſtige Erholung zu geben, Jungen Leuten vom 12ten bis 14ten Jahre an, die des Tags hinlängliche Bewegung haben, empfehle ich das Schach; aber beſon- ders Erziehern für ſolche Zöglinge, die bey gu- ten Anlagen ſich nicht fixiren laſſen, weil ſie lieber auf eine lärmende Art luſtig ſind; als am ſtillen Nachdenken Vergnügen finden.
*) Chap, 50.
**) Pag. 74. edit. Francof. 1679. 4. Die Hanauer Ausgabe 160[2]. pag. 193 geht in Worten ganz davon ab.
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Wir Europaer finden aber die wiederſinnigſte Ge-
wöhnung nicht lächerlich. Der Landmann und
Handarbeiter kegelt am Abend, der ſitzende
und denkende Arbeiter ſpielt Karte und Schach;
ſie ſollten tauſchen, um ſich beyde zu erholen.
Montagne ſagt in ſeinen Eſſais *) je hay et fui le
jeu des Echecs decequ'; il n'est pas aſſer jeu et qui’l nous
eſhat trop ſerieuſement; und Jacob I. in ſeinem Do-
no regio ſeu de inſtitutione principis **) Latrun-
culorum Luſus diſplicet. Eſt enim nimis conſulta et
philoſophica ſtultitia. Cum enim omnes ludi eum in fi-
nem inventi ſint, ut tantiſper animos avocent a negoti-
orum moleſtiis, hic ludus operoſo nugarum apparatu ma-
gis intendit animos quam priores curae. Sie haben
beyde Recht, wer lange ſaſs und dachte, ſpalte
lieber Holz, um ſich zu erholen; und wen die
Krone drückt, der erhole ſich nicht im Schach.
Kurz das Spiel iſt eben wegen ſeiner Vortreff-
lichkeit gar nicht dazu geeignet geiſtige Erholung
zu geben, Jungen Leuten vom 12ten bis 14ten
Jahre an, die des Tags hinlängliche Bewegung
haben, empfehle ich das Schach; aber beſon-
ders Erziehern für ſolche Zöglinge, die bey gu-
ten Anlagen ſich nicht fixiren laſſen, weil ſie
lieber auf eine lärmende Art luſtig ſind; als am
ſtillen Nachdenken Vergnügen finden.
*) Chap, 50.
**) Pag. 74. edit. Francof. 1679. 4. Die Hanauer Ausgabe 1602.
pag. 193 geht in Worten ganz davon ab.
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Guts Muths, Johann Christoph Friedrich: Spiele zur Übung und Erholung des Körpers und Geistes. Schnepfenthal, 1796, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutsmuths_spiele_1796/512>, abgerufen am 21.11.2024.
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