Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.schienen endlich, ohne Censur, im Spätherbst desselben Jahres, als schon Warschau gefallen war und die Polen ihre Durchzüge durch Deutschland begannen. Es ist wahr, Börne's Briefe aus Paris fanden mehr Widerspruch als Anklang. Sie konnten nicht nur von der Parthei des Widerstands als schlagendes Beispiel benutzt werden, wohin wir mit den demokratischen Ideen kommen würden, sondern selbst die liberale Parthei, welche bei ihrem Erscheinen in den Kammern, in Volksversammlungen und Zeitschriften im Vortheil war, konnte ihre gesetzmäßigen Fortschritte durch die Verwahrung geltend machen, daß man zwar auf Freiheit drang, aber die Zügellosigkeit eines Börne verabscheute. Seine Briefe ließen sich als eine Befürchtung und als eine Drohung citiren. Sie gaben ein Beispiel für das, was man gewärtigen konnte, und ein anderes für das, was man vermeiden wollte. Zwischen beiden Partheien standen noch jene literarischen Halblinge, deren Beruf es zu sein scheint, allen originell sich entwickelnden schriftstellerischen Persönlichkeiten das Leben zu verkümmern, Jedes zu bemäkeln und den Satz aufrecht zu erhalten, daß selbst das Ausgezeichnetste in der Welt nicht ohne Widerspruch sein dürfe. Ohne von der politischen Strömung erfaßt zu sein, kamen schienen endlich, ohne Censur, im Spätherbst desselben Jahres, als schon Warschau gefallen war und die Polen ihre Durchzüge durch Deutschland begannen. Es ist wahr, Börne’s Briefe aus Paris fanden mehr Widerspruch als Anklang. Sie konnten nicht nur von der Parthei des Widerstands als schlagendes Beispiel benutzt werden, wohin wir mit den demokratischen Ideen kommen würden, sondern selbst die liberale Parthei, welche bei ihrem Erscheinen in den Kammern, in Volksversammlungen und Zeitschriften im Vortheil war, konnte ihre gesetzmäßigen Fortschritte durch die Verwahrung geltend machen, daß man zwar auf Freiheit drang, aber die Zügellosigkeit eines Börne verabscheute. Seine Briefe ließen sich als eine Befürchtung und als eine Drohung citiren. Sie gaben ein Beispiel für das, was man gewärtigen konnte, und ein anderes für das, was man vermeiden wollte. Zwischen beiden Partheien standen noch jene literarischen Halblinge, deren Beruf es zu sein scheint, allen originell sich entwickelnden schriftstellerischen Persönlichkeiten das Leben zu verkümmern, Jedes zu bemäkeln und den Satz aufrecht zu erhalten, daß selbst das Ausgezeichnetste in der Welt nicht ohne Widerspruch sein dürfe. Ohne von der politischen Strömung erfaßt zu sein, kamen <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0261" n="219"/> schienen endlich, ohne Censur, im Spätherbst desselben Jahres, als schon Warschau gefallen war und die Polen ihre Durchzüge durch Deutschland begannen.</p> <p>Es ist wahr, Börne’s Briefe aus Paris fanden mehr Widerspruch als Anklang. Sie konnten nicht nur von der Parthei des Widerstands als schlagendes Beispiel benutzt werden, wohin wir mit den demokratischen Ideen kommen würden, sondern selbst die liberale Parthei, welche bei ihrem Erscheinen in den Kammern, in Volksversammlungen und Zeitschriften im Vortheil war, konnte ihre gesetzmäßigen Fortschritte durch die Verwahrung geltend machen, daß man zwar auf Freiheit drang, aber die Zügellosigkeit eines Börne verabscheute. Seine Briefe ließen sich als eine Befürchtung und als eine Drohung citiren. Sie gaben ein Beispiel für das, was man gewärtigen konnte, und ein anderes für das, was man vermeiden wollte. Zwischen beiden Partheien standen noch jene literarischen Halblinge, deren Beruf es zu sein scheint, allen originell sich entwickelnden schriftstellerischen Persönlichkeiten das Leben zu verkümmern, Jedes zu bemäkeln und den Satz aufrecht zu erhalten, daß selbst das Ausgezeichnetste in der Welt nicht ohne Widerspruch sein dürfe. Ohne von der politischen Strömung erfaßt zu sein, kamen </p> </div> </body> </text> </TEI> [219/0261]
schienen endlich, ohne Censur, im Spätherbst desselben Jahres, als schon Warschau gefallen war und die Polen ihre Durchzüge durch Deutschland begannen.
Es ist wahr, Börne’s Briefe aus Paris fanden mehr Widerspruch als Anklang. Sie konnten nicht nur von der Parthei des Widerstands als schlagendes Beispiel benutzt werden, wohin wir mit den demokratischen Ideen kommen würden, sondern selbst die liberale Parthei, welche bei ihrem Erscheinen in den Kammern, in Volksversammlungen und Zeitschriften im Vortheil war, konnte ihre gesetzmäßigen Fortschritte durch die Verwahrung geltend machen, daß man zwar auf Freiheit drang, aber die Zügellosigkeit eines Börne verabscheute. Seine Briefe ließen sich als eine Befürchtung und als eine Drohung citiren. Sie gaben ein Beispiel für das, was man gewärtigen konnte, und ein anderes für das, was man vermeiden wollte. Zwischen beiden Partheien standen noch jene literarischen Halblinge, deren Beruf es zu sein scheint, allen originell sich entwickelnden schriftstellerischen Persönlichkeiten das Leben zu verkümmern, Jedes zu bemäkeln und den Satz aufrecht zu erhalten, daß selbst das Ausgezeichnetste in der Welt nicht ohne Widerspruch sein dürfe. Ohne von der politischen Strömung erfaßt zu sein, kamen
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/261>, abgerufen am 26.06.2024. |