Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Zusammenhange mit Börne als Menschen lostrennt. Wer die Aufregung der Zeit kannte, wird den Ton dieser Briefe zu würdigen wissen; wem auch dann noch Räthsel übrig bleiben, der gehe an die Quelle selbst, an das Gemüth des Autors, und überzeuge sich, ob es gesund oder krank, und warum es krank ist. In Büchern nichts als den Inhalt sehen; das soll allerdings die Aufgabe der Kritik sein. Aber die Literarhistorie würde wenig Achtbares zu verzeichnen haben, wenn es nicht auch Bücher gäbe, die sich nur um ihres Autors willen erhielten. Gervinus ist schon deßhalb ein Feind dieser Briefe, weil sie keine Abhandlungen enthalten. Gervinus benimmt sich gegen die Persönlichkeiten der Literargeschichte fast immer wie ein Inquirent, der einen Inculpaten zu Protocoll zu nehmen hat. Aber nicht einmal einen denkenden Juristen würde er vorstellen. Ein Richter, der den Thatbestand eines Verbrechens aufnimmt, der sich das geistige Signalement des Thäters entwirft, wird vor der kleinsten Anomalie seines Urtheils stutzen und den kleinsten ihm auffallenden Zug festhalten, um vielleicht von diesem aus über die Natur des Angeklagten völlig ins Reine zu kommen. Gervinus räumt Börnen seine Uneigennützigkeit ein. Zusammenhange mit Börne als Menschen lostrennt. Wer die Aufregung der Zeit kannte, wird den Ton dieser Briefe zu würdigen wissen; wem auch dann noch Räthsel übrig bleiben, der gehe an die Quelle selbst, an das Gemüth des Autors, und überzeuge sich, ob es gesund oder krank, und warum es krank ist. In Büchern nichts als den Inhalt sehen; das soll allerdings die Aufgabe der Kritik sein. Aber die Literarhistorie würde wenig Achtbares zu verzeichnen haben, wenn es nicht auch Bücher gäbe, die sich nur um ihres Autors willen erhielten. Gervinus ist schon deßhalb ein Feind dieser Briefe, weil sie keine Abhandlungen enthalten. Gervinus benimmt sich gegen die Persönlichkeiten der Literargeschichte fast immer wie ein Inquirent, der einen Inculpaten zu Protocoll zu nehmen hat. Aber nicht einmal einen denkenden Juristen würde er vorstellen. Ein Richter, der den Thatbestand eines Verbrechens aufnimmt, der sich das geistige Signalement des Thäters entwirft, wird vor der kleinsten Anomalie seines Urtheils stutzen und den kleinsten ihm auffallenden Zug festhalten, um vielleicht von diesem aus über die Natur des Angeklagten völlig ins Reine zu kommen. Gervinus räumt Börnen seine Uneigennützigkeit ein. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0267" n="225"/> Zusammenhange mit Börne als Menschen lostrennt. Wer die Aufregung der Zeit kannte, wird den Ton dieser Briefe zu würdigen wissen; wem auch dann noch Räthsel übrig bleiben, der gehe an die Quelle selbst, an das Gemüth des Autors, und überzeuge sich, ob es gesund oder krank, und <hi rendition="#g">warum</hi> es krank ist. In Büchern nichts als den Inhalt sehen; das soll allerdings die Aufgabe der Kritik sein. Aber die Literarhistorie würde wenig Achtbares zu verzeichnen haben, wenn es nicht auch Bücher gäbe, die sich nur um ihres Autors willen erhielten. Gervinus ist schon deßhalb ein Feind dieser Briefe, weil sie keine Abhandlungen enthalten.</p> <p>Gervinus benimmt sich gegen die Persönlichkeiten der Literargeschichte fast immer wie ein Inquirent, der einen Inculpaten zu Protocoll zu nehmen hat. Aber nicht einmal einen denkenden Juristen würde er vorstellen. Ein Richter, der den Thatbestand eines Verbrechens aufnimmt, der sich das geistige Signalement des Thäters entwirft, wird vor der kleinsten Anomalie seines Urtheils stutzen und den kleinsten ihm auffallenden Zug festhalten, um vielleicht von diesem aus über die Natur des Angeklagten völlig ins Reine zu kommen. Gervinus räumt Börnen seine Uneigennützigkeit ein. </p> </div> </body> </text> </TEI> [225/0267]
Zusammenhange mit Börne als Menschen lostrennt. Wer die Aufregung der Zeit kannte, wird den Ton dieser Briefe zu würdigen wissen; wem auch dann noch Räthsel übrig bleiben, der gehe an die Quelle selbst, an das Gemüth des Autors, und überzeuge sich, ob es gesund oder krank, und warum es krank ist. In Büchern nichts als den Inhalt sehen; das soll allerdings die Aufgabe der Kritik sein. Aber die Literarhistorie würde wenig Achtbares zu verzeichnen haben, wenn es nicht auch Bücher gäbe, die sich nur um ihres Autors willen erhielten. Gervinus ist schon deßhalb ein Feind dieser Briefe, weil sie keine Abhandlungen enthalten.
Gervinus benimmt sich gegen die Persönlichkeiten der Literargeschichte fast immer wie ein Inquirent, der einen Inculpaten zu Protocoll zu nehmen hat. Aber nicht einmal einen denkenden Juristen würde er vorstellen. Ein Richter, der den Thatbestand eines Verbrechens aufnimmt, der sich das geistige Signalement des Thäters entwirft, wird vor der kleinsten Anomalie seines Urtheils stutzen und den kleinsten ihm auffallenden Zug festhalten, um vielleicht von diesem aus über die Natur des Angeklagten völlig ins Reine zu kommen. Gervinus räumt Börnen seine Uneigennützigkeit ein.
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