Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.eine Absicht nicht recht geheuer schien. Jemandem, der sich setzen will, hinten den Stuhl fortziehen, ist ein dummer Streich, aber Börne hätte ihn auch für einen bösen Streich genommen und wäre über eine solche Handlung nicht wieder zu besänftigen gewesen. Es ist im Hypochondrischen immer das Gefühl einer gewissen Unbequemlichkeit und Beklommenheit im Zusammenleben mit Andern; durch die an einander vorüberstreifenden Interessen und rohen Sitten wird man nur zu leicht verletzt. Börne konnte gewisse Neckereien im Leben und auf der Bühne nicht ausstehen; er würde z. B. bei der Beurtheilung des Gamin de Paris den Dichter über die Rolle, die er den Pere Bizot darin spielen läßt, sehr getadelt haben. Er würde gesagt haben: darum, daß Bizot ein pedantischer alter Mann ist, der es in seiner Art gut mit dem Gassenjungen im Sinne habe, darum soll ihn dieser lächerlich machen, ihn mit Papierkugeln werfen und ähnliche Streiche mehr an ihm verüben? Am schönsten und rührendsten kömmt diese edle Richtung des Börne'schen Gemüths in seiner Beurtheilung des Immermann'schen Hofer zum Vorschein. Sein Eifer für das Rechtliche und Gewissenhafte reißt ihn hier fast über das Poetische hinaus; wenigstens würde man aus eine Absicht nicht recht geheuer schien. Jemandem, der sich setzen will, hinten den Stuhl fortziehen, ist ein dummer Streich, aber Börne hätte ihn auch für einen bösen Streich genommen und wäre über eine solche Handlung nicht wieder zu besänftigen gewesen. Es ist im Hypochondrischen immer das Gefühl einer gewissen Unbequemlichkeit und Beklommenheit im Zusammenleben mit Andern; durch die an einander vorüberstreifenden Interessen und rohen Sitten wird man nur zu leicht verletzt. Börne konnte gewisse Neckereien im Leben und auf der Bühne nicht ausstehen; er würde z. B. bei der Beurtheilung des Gamin de Paris den Dichter über die Rolle, die er den Pere Bizot darin spielen läßt, sehr getadelt haben. Er würde gesagt haben: darum, daß Bizot ein pedantischer alter Mann ist, der es in seiner Art gut mit dem Gassenjungen im Sinne habe, darum soll ihn dieser lächerlich machen, ihn mit Papierkugeln werfen und ähnliche Streiche mehr an ihm verüben? Am schönsten und rührendsten kömmt diese edle Richtung des Börne’schen Gemüths in seiner Beurtheilung des Immermann’schen Hofer zum Vorschein. Sein Eifer für das Rechtliche und Gewissenhafte reißt ihn hier fast über das Poetische hinaus; wenigstens würde man aus <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0295" n="253"/> eine Absicht nicht recht geheuer schien. Jemandem, der sich setzen will, hinten den Stuhl fortziehen, ist ein <hi rendition="#g">dummer</hi> Streich, aber Börne hätte ihn auch für einen <hi rendition="#g">bösen</hi> Streich genommen und wäre über eine solche Handlung nicht wieder zu besänftigen gewesen. Es ist im Hypochondrischen immer das Gefühl einer gewissen Unbequemlichkeit und Beklommenheit im Zusammenleben mit Andern; durch die an einander vorüberstreifenden Interessen und rohen Sitten wird man nur zu leicht verletzt. Börne konnte gewisse Neckereien im Leben und auf der Bühne nicht ausstehen; er würde z. B. bei der Beurtheilung des Gamin de Paris den Dichter über die Rolle, die er den Pere Bizot darin spielen läßt, sehr getadelt haben. Er würde gesagt haben: darum, daß Bizot ein pedantischer alter Mann ist, der es in seiner Art gut mit dem Gassenjungen im Sinne habe, darum soll ihn dieser lächerlich machen, ihn mit Papierkugeln werfen und ähnliche Streiche mehr an ihm verüben? Am schönsten und rührendsten kömmt diese edle Richtung des Börne’schen Gemüths in seiner Beurtheilung des Immermann’schen Hofer zum Vorschein. Sein Eifer für das Rechtliche und Gewissenhafte reißt ihn hier fast über das Poetische hinaus; wenigstens würde man aus </p> </div> </body> </text> </TEI> [253/0295]
eine Absicht nicht recht geheuer schien. Jemandem, der sich setzen will, hinten den Stuhl fortziehen, ist ein dummer Streich, aber Börne hätte ihn auch für einen bösen Streich genommen und wäre über eine solche Handlung nicht wieder zu besänftigen gewesen. Es ist im Hypochondrischen immer das Gefühl einer gewissen Unbequemlichkeit und Beklommenheit im Zusammenleben mit Andern; durch die an einander vorüberstreifenden Interessen und rohen Sitten wird man nur zu leicht verletzt. Börne konnte gewisse Neckereien im Leben und auf der Bühne nicht ausstehen; er würde z. B. bei der Beurtheilung des Gamin de Paris den Dichter über die Rolle, die er den Pere Bizot darin spielen läßt, sehr getadelt haben. Er würde gesagt haben: darum, daß Bizot ein pedantischer alter Mann ist, der es in seiner Art gut mit dem Gassenjungen im Sinne habe, darum soll ihn dieser lächerlich machen, ihn mit Papierkugeln werfen und ähnliche Streiche mehr an ihm verüben? Am schönsten und rührendsten kömmt diese edle Richtung des Börne’schen Gemüths in seiner Beurtheilung des Immermann’schen Hofer zum Vorschein. Sein Eifer für das Rechtliche und Gewissenhafte reißt ihn hier fast über das Poetische hinaus; wenigstens würde man aus
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/295>, abgerufen am 26.06.2024. |