Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Wandel dieser Männer und nennt ihr Ziel nicht einmal Verirrung. Er wünscht ihnen nichts, als daß sie Ruhe finden möchten, und behält sich nur das Eine vor, zu bezweifeln, daß sie sie finden würden. Die Mystiker und Pietisten verdammte Börne auch nicht deßwegen, weil sie es von vornherein verdienten, sondern weil sie das Gute, das man ihnen einräumen müsse, an sich entstellten. "Was uns gegen die Mystiker, sagt er, so erbost macht, ist nicht das Falsche in ihrer Lehre, sondern das Wahre darin. Nämlich das wahre Tüchtige darin, welches sie aus Eitelkeit überflittern; die sonnenklare Wahrheit, die sie aus Nervenschwäche mit Mondscheinlicht verdämmern; die faßliche Wahrheit, die sie aus Zahnlosigkeit verdünnen, daß sie uns durch die Finger läuft; die frische trinkbare Wahrheit, die sie an ihrer Herzensbrunst verdünsten, damit der Dunst aufsteige und Wolken bilde, und sie dann die Wolken für den Himmel ausgeben und sagen können: auf Erden sei keine Wahrheit und der Himmel Wenigen erreichbar." Börne hatte mit seiner politischen Reform so viel zu thun, daß er einer kirchlichen nur in sofern nachhieng, als sich die politische Tyrannei nicht selten auf eine falsche Auslegung der Religion stützte und die Religion selbst, ihre Würde

Wandel dieser Männer und nennt ihr Ziel nicht einmal Verirrung. Er wünscht ihnen nichts, als daß sie Ruhe finden möchten, und behält sich nur das Eine vor, zu bezweifeln, daß sie sie finden würden. Die Mystiker und Pietisten verdammte Börne auch nicht deßwegen, weil sie es von vornherein verdienten, sondern weil sie das Gute, das man ihnen einräumen müsse, an sich entstellten. „Was uns gegen die Mystiker, sagt er, so erbost macht, ist nicht das Falsche in ihrer Lehre, sondern das Wahre darin. Nämlich das wahre Tüchtige darin, welches sie aus Eitelkeit überflittern; die sonnenklare Wahrheit, die sie aus Nervenschwäche mit Mondscheinlicht verdämmern; die faßliche Wahrheit, die sie aus Zahnlosigkeit verdünnen, daß sie uns durch die Finger läuft; die frische trinkbare Wahrheit, die sie an ihrer Herzensbrunst verdünsten, damit der Dunst aufsteige und Wolken bilde, und sie dann die Wolken für den Himmel ausgeben und sagen können: auf Erden sei keine Wahrheit und der Himmel Wenigen erreichbar.“ Börne hatte mit seiner politischen Reform so viel zu thun, daß er einer kirchlichen nur in sofern nachhieng, als sich die politische Tyrannei nicht selten auf eine falsche Auslegung der Religion stützte und die Religion selbst, ihre Würde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0299" n="257"/>
Wandel dieser Männer und nennt ihr Ziel nicht einmal Verirrung. Er wünscht ihnen nichts, als daß sie Ruhe finden möchten, und behält sich nur das Eine vor, zu bezweifeln, <hi rendition="#g">daß</hi> sie sie finden würden. Die Mystiker und Pietisten verdammte Börne auch nicht deßwegen, weil sie es von vornherein verdienten, sondern weil sie das Gute, das man ihnen einräumen müsse, an sich entstellten. &#x201E;Was uns gegen die Mystiker, sagt er, so erbost macht, ist nicht das Falsche in ihrer Lehre, sondern das Wahre darin. Nämlich das wahre Tüchtige darin, welches sie aus Eitelkeit überflittern; die sonnenklare Wahrheit, die sie aus Nervenschwäche mit Mondscheinlicht verdämmern; die faßliche Wahrheit, die sie aus Zahnlosigkeit verdünnen, daß sie uns durch die Finger läuft; die frische trinkbare Wahrheit, die sie an ihrer Herzensbrunst verdünsten, damit der Dunst aufsteige und Wolken bilde, und sie dann die Wolken für den Himmel ausgeben und sagen können: auf Erden sei keine Wahrheit und der Himmel Wenigen erreichbar.&#x201C; Börne hatte mit seiner politischen Reform so viel zu thun, daß er einer kirchlichen nur in sofern nachhieng, als sich die politische Tyrannei nicht selten auf eine falsche Auslegung der Religion stützte und die Religion selbst, ihre Würde
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0299] Wandel dieser Männer und nennt ihr Ziel nicht einmal Verirrung. Er wünscht ihnen nichts, als daß sie Ruhe finden möchten, und behält sich nur das Eine vor, zu bezweifeln, daß sie sie finden würden. Die Mystiker und Pietisten verdammte Börne auch nicht deßwegen, weil sie es von vornherein verdienten, sondern weil sie das Gute, das man ihnen einräumen müsse, an sich entstellten. „Was uns gegen die Mystiker, sagt er, so erbost macht, ist nicht das Falsche in ihrer Lehre, sondern das Wahre darin. Nämlich das wahre Tüchtige darin, welches sie aus Eitelkeit überflittern; die sonnenklare Wahrheit, die sie aus Nervenschwäche mit Mondscheinlicht verdämmern; die faßliche Wahrheit, die sie aus Zahnlosigkeit verdünnen, daß sie uns durch die Finger läuft; die frische trinkbare Wahrheit, die sie an ihrer Herzensbrunst verdünsten, damit der Dunst aufsteige und Wolken bilde, und sie dann die Wolken für den Himmel ausgeben und sagen können: auf Erden sei keine Wahrheit und der Himmel Wenigen erreichbar.“ Börne hatte mit seiner politischen Reform so viel zu thun, daß er einer kirchlichen nur in sofern nachhieng, als sich die politische Tyrannei nicht selten auf eine falsche Auslegung der Religion stützte und die Religion selbst, ihre Würde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/299
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/299>, abgerufen am 22.11.2024.