Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.letzt sehen und mistraute dem Umschwung der philosophischen Begriffe so sehr, daß er nicht bloß gegen Heine's Salons-Philosophie, sondern auch gegen Strauß' Leben Jesu sich verstimmt fühlte. Er sah voraus, daß durch diese neuern sozialphilosophischen Debatten die Frage der politischen Wiedergeburt verallgemeinert werde, und die Schaaren der bisherigen Opposition sich auffallend lichten würden. Doch die angeborne Sympathie, die Börne für alles Neue, Angegriffene, für alles in der Minorität Befindliche hatte, ließ ihn hier dennoch zu keinem festen Abschlusse kommen. Es sind wirklich tiefgemüthliche Widersprüche, die in den letzten Tagen seines Lebens ihn bestürmten, die ihm aber zu gleicher Zeit auch eine Erhöhung seiner Denkthätigkeit und Anschauungsweise gaben, bis zu der er sich früher nicht aufgeschwungen hatte; seine nächsten Umgebungen bedauerten grade auch darum seinen Tod so schmerzlich, weil in dem Augenblick, wo sein Körper den Dienst zu versagen begann, in seinem Geiste eine ganz neue Gährung ausgebrochen war. In Venedy's "Geächteten" ließ Börne eine wehmüthige Phantasie über La Mennais Worte eines Gläubigen einrücken. Er nannte sie "Rettung." Er hätte sie Genesung nennen sollen; denn es ist der stille Jubel letzt sehen und mistraute dem Umschwung der philosophischen Begriffe so sehr, daß er nicht bloß gegen Heine’s Salons-Philosophie, sondern auch gegen Strauß’ Leben Jesu sich verstimmt fühlte. Er sah voraus, daß durch diese neuern sozialphilosophischen Debatten die Frage der politischen Wiedergeburt verallgemeinert werde, und die Schaaren der bisherigen Opposition sich auffallend lichten würden. Doch die angeborne Sympathie, die Börne für alles Neue, Angegriffene, für alles in der Minorität Befindliche hatte, ließ ihn hier dennoch zu keinem festen Abschlusse kommen. Es sind wirklich tiefgemüthliche Widersprüche, die in den letzten Tagen seines Lebens ihn bestürmten, die ihm aber zu gleicher Zeit auch eine Erhöhung seiner Denkthätigkeit und Anschauungsweise gaben, bis zu der er sich früher nicht aufgeschwungen hatte; seine nächsten Umgebungen bedauerten grade auch darum seinen Tod so schmerzlich, weil in dem Augenblick, wo sein Körper den Dienst zu versagen begann, in seinem Geiste eine ganz neue Gährung ausgebrochen war. In Venedy’s „Geächteten“ ließ Börne eine wehmüthige Phantasie über La Mennais Worte eines Gläubigen einrücken. Er nannte sie „Rettung.“ Er hätte sie Genesung nennen sollen; denn es ist der stille Jubel <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0307" n="265"/> letzt sehen und mistraute dem Umschwung der philosophischen Begriffe so sehr, daß er nicht bloß gegen Heine’s <hi rendition="#g">Salons-</hi>Philosophie, sondern auch gegen Strauß’ Leben Jesu sich verstimmt fühlte. Er sah voraus, daß durch diese neuern sozialphilosophischen Debatten die Frage der politischen Wiedergeburt verallgemeinert werde, und die Schaaren der bisherigen Opposition sich auffallend lichten würden. Doch die angeborne Sympathie, die Börne für alles Neue, Angegriffene, für alles in der Minorität Befindliche hatte, ließ ihn hier dennoch zu keinem festen Abschlusse kommen. Es sind wirklich tiefgemüthliche Widersprüche, die in den letzten Tagen seines Lebens ihn bestürmten, die ihm aber zu gleicher Zeit auch eine Erhöhung seiner Denkthätigkeit und Anschauungsweise gaben, bis zu der er sich früher nicht aufgeschwungen hatte; seine nächsten Umgebungen bedauerten grade auch darum seinen Tod so schmerzlich, weil in dem Augenblick, wo sein Körper den Dienst zu versagen begann, in seinem Geiste eine ganz neue Gährung ausgebrochen war.</p> <p>In Venedy’s „Geächteten“ ließ Börne eine wehmüthige Phantasie über La Mennais Worte eines Gläubigen einrücken. Er nannte sie „Rettung.“ Er hätte sie Genesung nennen sollen; denn es ist der stille Jubel </p> </div> </body> </text> </TEI> [265/0307]
letzt sehen und mistraute dem Umschwung der philosophischen Begriffe so sehr, daß er nicht bloß gegen Heine’s Salons-Philosophie, sondern auch gegen Strauß’ Leben Jesu sich verstimmt fühlte. Er sah voraus, daß durch diese neuern sozialphilosophischen Debatten die Frage der politischen Wiedergeburt verallgemeinert werde, und die Schaaren der bisherigen Opposition sich auffallend lichten würden. Doch die angeborne Sympathie, die Börne für alles Neue, Angegriffene, für alles in der Minorität Befindliche hatte, ließ ihn hier dennoch zu keinem festen Abschlusse kommen. Es sind wirklich tiefgemüthliche Widersprüche, die in den letzten Tagen seines Lebens ihn bestürmten, die ihm aber zu gleicher Zeit auch eine Erhöhung seiner Denkthätigkeit und Anschauungsweise gaben, bis zu der er sich früher nicht aufgeschwungen hatte; seine nächsten Umgebungen bedauerten grade auch darum seinen Tod so schmerzlich, weil in dem Augenblick, wo sein Körper den Dienst zu versagen begann, in seinem Geiste eine ganz neue Gährung ausgebrochen war.
In Venedy’s „Geächteten“ ließ Börne eine wehmüthige Phantasie über La Mennais Worte eines Gläubigen einrücken. Er nannte sie „Rettung.“ Er hätte sie Genesung nennen sollen; denn es ist der stille Jubel
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