Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Kind hiengen sich an sein eignes Dasein und schrieben seiner Handlungsweise Gesetze vor, die dem Biedermann das Herz abdrücken können da sie dem Gefühl oft widerstreben und doch von der Nothwendigkeit geboten werden. Nicht einmal als Schriftsteller verfolgte Börne ein Ziel. Er ließ sich vom Leben, von den Ereignissen bestimmen. Er hatte Muße und Bequemlichkeit genug, um sich aus hundert ihm angebotenen Lagen diejenige auszuwählen, die ihm am besten gefiel. Kann aber dieser Mangel einer bedeutenden und poetischen Individualität, der Börne's Leben bezeichnet, einen Vorwurf begründen? Nimmermehr. Das rastlose Streben eines Genius fehlte ihm; er sah' sich dadurch vor vielem Unglück bewahrt. Auch sieht man aus jener Vergleichung, daß ihm in seiner Verfassung manches leichter werden mußte, als es gemeiniglich Andern wird. Seine Ruhe ist nicht die Frucht eines Sieges, das Resultat einer weisheitsvollen Betrachtung und Ueberwindung seiner Leidenschaften gewesen, sondern eine angeborne Heiterkeit, die von einer glücklichen Lage unterstützt wurde. Seine Harmlosigkeit und Herzensgüte, die wir rühmend anerkannten, war eine mehr negative Tugend, da sie sich ihrer selbst nicht bewußt Kind hiengen sich an sein eignes Dasein und schrieben seiner Handlungsweise Gesetze vor, die dem Biedermann das Herz abdrücken können da sie dem Gefühl oft widerstreben und doch von der Nothwendigkeit geboten werden. Nicht einmal als Schriftsteller verfolgte Börne ein Ziel. Er ließ sich vom Leben, von den Ereignissen bestimmen. Er hatte Muße und Bequemlichkeit genug, um sich aus hundert ihm angebotenen Lagen diejenige auszuwählen, die ihm am besten gefiel. Kann aber dieser Mangel einer bedeutenden und poetischen Individualität, der Börne’s Leben bezeichnet, einen Vorwurf begründen? Nimmermehr. Das rastlose Streben eines Genius fehlte ihm; er sah’ sich dadurch vor vielem Unglück bewahrt. Auch sieht man aus jener Vergleichung, daß ihm in seiner Verfassung manches leichter werden mußte, als es gemeiniglich Andern wird. Seine Ruhe ist nicht die Frucht eines Sieges, das Resultat einer weisheitsvollen Betrachtung und Ueberwindung seiner Leidenschaften gewesen, sondern eine angeborne Heiterkeit, die von einer glücklichen Lage unterstützt wurde. Seine Harmlosigkeit und Herzensgüte, die wir rühmend anerkannten, war eine mehr negative Tugend, da sie sich ihrer selbst nicht bewußt <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0342" n="300"/> Kind hiengen sich an sein eignes Dasein und schrieben seiner Handlungsweise Gesetze vor, die dem Biedermann das Herz abdrücken können da sie dem Gefühl oft widerstreben und doch von der Nothwendigkeit geboten werden. Nicht einmal als Schriftsteller verfolgte Börne ein Ziel. Er ließ sich vom Leben, von den Ereignissen bestimmen. Er hatte Muße und Bequemlichkeit genug, um sich aus hundert ihm angebotenen Lagen diejenige auszuwählen, die ihm am besten gefiel.</p> <p>Kann aber dieser Mangel einer bedeutenden und poetischen Individualität, der Börne’s Leben bezeichnet, einen Vorwurf begründen? Nimmermehr. Das rastlose Streben eines Genius fehlte ihm; er sah’ sich dadurch vor vielem Unglück bewahrt. Auch sieht man aus jener Vergleichung, daß ihm in seiner Verfassung manches leichter werden mußte, als es gemeiniglich Andern wird. Seine Ruhe ist nicht die Frucht eines Sieges, das Resultat einer weisheitsvollen Betrachtung und Ueberwindung seiner Leidenschaften gewesen, sondern eine angeborne Heiterkeit, die von einer glücklichen Lage unterstützt wurde. Seine Harmlosigkeit und Herzensgüte, die wir rühmend anerkannten, war eine mehr negative Tugend, da sie sich ihrer selbst nicht bewußt </p> </div> </body> </text> </TEI> [300/0342]
Kind hiengen sich an sein eignes Dasein und schrieben seiner Handlungsweise Gesetze vor, die dem Biedermann das Herz abdrücken können da sie dem Gefühl oft widerstreben und doch von der Nothwendigkeit geboten werden. Nicht einmal als Schriftsteller verfolgte Börne ein Ziel. Er ließ sich vom Leben, von den Ereignissen bestimmen. Er hatte Muße und Bequemlichkeit genug, um sich aus hundert ihm angebotenen Lagen diejenige auszuwählen, die ihm am besten gefiel.
Kann aber dieser Mangel einer bedeutenden und poetischen Individualität, der Börne’s Leben bezeichnet, einen Vorwurf begründen? Nimmermehr. Das rastlose Streben eines Genius fehlte ihm; er sah’ sich dadurch vor vielem Unglück bewahrt. Auch sieht man aus jener Vergleichung, daß ihm in seiner Verfassung manches leichter werden mußte, als es gemeiniglich Andern wird. Seine Ruhe ist nicht die Frucht eines Sieges, das Resultat einer weisheitsvollen Betrachtung und Ueberwindung seiner Leidenschaften gewesen, sondern eine angeborne Heiterkeit, die von einer glücklichen Lage unterstützt wurde. Seine Harmlosigkeit und Herzensgüte, die wir rühmend anerkannten, war eine mehr negative Tugend, da sie sich ihrer selbst nicht bewußt
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