Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.war und mehr im Unterlassen, als im Handeln offenbarte. "Manche bittre Erfahrung hatte sein Gemüth verstimmt" - schreibt der Verfasser der oben erwähnten "Erinnerungen an Börne." Börne's Freundin widersprach gegen mich dieser Aeußerung und sagte: Nein, sie wisse davon nichts, er wäre immer heiter und ruhig gewesen. Ich gestehe, daß ich mich in diese Stimmung Börne's wohl versetzen kann; sie ist mir aber mehr eine Thatsache, als ein besonderer Ruhm. Ein wenig mehr Unruhe, Sorge, Thorheit würde man dem warmen Herzen eines edlen Menschen schon nachgesehen haben. Das Ruhmvolle für Börne liegt darin, daß er seine Indolenz kannte und an die Beurtheilung fremder Persönlichkeiten mit bescheidener Prüfung gieng. Meinungen verwarf er mit Entschiedenheit; Menschen zu beurtheilen, schien ihm schon bedenklicher. Er ließ fremde Bildungsprozesse mit großer Nachsicht gelten und nahm, wenn er Irrthümer verdammte, doch nicht selten die Art, wie sie entstanden, in Schutz. Er verwarf die Bestrebungen mancher Convertiten, die von Wien aus für die Restaurationsideen schrieben; aber von dem Bildungsgange derselben sprach er mit einer Mäßigung, die errathen läßt, wie wenig er sein eignes, vom Zufall bestimmtes, von bürgerlich erträg- war und mehr im Unterlassen, als im Handeln offenbarte. „Manche bittre Erfahrung hatte sein Gemüth verstimmt“ – schreibt der Verfasser der oben erwähnten „Erinnerungen an Börne.“ Börne’s Freundin widersprach gegen mich dieser Aeußerung und sagte: Nein, sie wisse davon nichts, er wäre immer heiter und ruhig gewesen. Ich gestehe, daß ich mich in diese Stimmung Börne’s wohl versetzen kann; sie ist mir aber mehr eine Thatsache, als ein besonderer Ruhm. Ein wenig mehr Unruhe, Sorge, Thorheit würde man dem warmen Herzen eines edlen Menschen schon nachgesehen haben. Das Ruhmvolle für Börne liegt darin, daß er seine Indolenz kannte und an die Beurtheilung fremder Persönlichkeiten mit bescheidener Prüfung gieng. Meinungen verwarf er mit Entschiedenheit; Menschen zu beurtheilen, schien ihm schon bedenklicher. Er ließ fremde Bildungsprozesse mit großer Nachsicht gelten und nahm, wenn er Irrthümer verdammte, doch nicht selten die Art, wie sie entstanden, in Schutz. Er verwarf die Bestrebungen mancher Convertiten, die von Wien aus für die Restaurationsideen schrieben; aber von dem Bildungsgange derselben sprach er mit einer Mäßigung, die errathen läßt, wie wenig er sein eignes, vom Zufall bestimmtes, von bürgerlich erträg- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0343" n="301"/> war und mehr im Unterlassen, als im Handeln offenbarte. „Manche bittre Erfahrung hatte sein Gemüth verstimmt“ – schreibt der Verfasser der oben erwähnten „Erinnerungen an Börne.“ Börne’s Freundin widersprach gegen mich dieser Aeußerung und sagte: Nein, sie wisse davon nichts, er wäre immer heiter und ruhig gewesen. Ich gestehe, daß ich mich in diese Stimmung Börne’s wohl versetzen kann; sie ist mir aber mehr eine Thatsache, als ein besonderer Ruhm. Ein wenig mehr Unruhe, Sorge, Thorheit würde man dem warmen Herzen eines edlen Menschen schon nachgesehen haben. Das Ruhmvolle für Börne liegt darin, daß er seine Indolenz kannte und an die Beurtheilung fremder Persönlichkeiten mit bescheidener Prüfung gieng. Meinungen verwarf er mit Entschiedenheit; Menschen zu beurtheilen, schien ihm schon bedenklicher. Er ließ fremde Bildungsprozesse mit großer Nachsicht gelten und nahm, wenn er Irrthümer verdammte, doch nicht selten die Art, wie sie entstanden, in Schutz. Er verwarf die Bestrebungen mancher Convertiten, die von Wien aus für die Restaurationsideen schrieben; aber von dem Bildungsgange derselben sprach er mit einer Mäßigung, die errathen läßt, wie wenig er sein eignes, vom Zufall bestimmtes, von bürgerlich erträg- </p> </div> </body> </text> </TEI> [301/0343]
war und mehr im Unterlassen, als im Handeln offenbarte. „Manche bittre Erfahrung hatte sein Gemüth verstimmt“ – schreibt der Verfasser der oben erwähnten „Erinnerungen an Börne.“ Börne’s Freundin widersprach gegen mich dieser Aeußerung und sagte: Nein, sie wisse davon nichts, er wäre immer heiter und ruhig gewesen. Ich gestehe, daß ich mich in diese Stimmung Börne’s wohl versetzen kann; sie ist mir aber mehr eine Thatsache, als ein besonderer Ruhm. Ein wenig mehr Unruhe, Sorge, Thorheit würde man dem warmen Herzen eines edlen Menschen schon nachgesehen haben. Das Ruhmvolle für Börne liegt darin, daß er seine Indolenz kannte und an die Beurtheilung fremder Persönlichkeiten mit bescheidener Prüfung gieng. Meinungen verwarf er mit Entschiedenheit; Menschen zu beurtheilen, schien ihm schon bedenklicher. Er ließ fremde Bildungsprozesse mit großer Nachsicht gelten und nahm, wenn er Irrthümer verdammte, doch nicht selten die Art, wie sie entstanden, in Schutz. Er verwarf die Bestrebungen mancher Convertiten, die von Wien aus für die Restaurationsideen schrieben; aber von dem Bildungsgange derselben sprach er mit einer Mäßigung, die errathen läßt, wie wenig er sein eignes, vom Zufall bestimmtes, von bürgerlich erträg-
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