Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.lichem Glücke angelächeltes Dasein, ein Dasein behaglich-heitrer Abspannung, für normal halten durfte. Der materielle Werth der Schriften, die Börne hinterlassen hat, liegt zunächst in ihrer Beziehung zur Zeitgeschichte. Der künftige Geschichtsschreiber unsrer Epoche wird sie zwar nicht als Aktenstücke brauchen können, um aus ihnen Thatsachen festzustellen; aber den Pragmatismus der Begebenheiten wird er aus ihnen entlehnen dürfen: die Lichter und Schatten seines Gemäldes; nicht die Melodie, wohl aber die Harmonie seiner Tonsätze. Denn diese Schriften spiegelten nicht immer die ewigen Sterne der Wahrheit ab, sondern oft auch die Dunstwolken, die sich zwischen den Himmel und die Erde legen. Die Sage, das Gerücht drängte dem Verfasser die Feder in die Hand; oft hatte die Sage wahr gesprochen, oft ist aber auch nur das Urtheil und die Gesinnung, die sie hier hervorrief, wahr, sie selbst wurde berichtigt. So breitet sich in diesen Schriften die ganze gleichzeitige Epoche aus, mit ihren Hoffnungen und Wünschen, mit ihren Schmerzen und Thorheiten, so weit nur ein freies, vom bösen Willen nicht umflortes Auge trug. Zu diesem Quellen-Werth kömmt die Natürlichkeit der in diesen Schrif- lichem Glücke angelächeltes Dasein, ein Dasein behaglich-heitrer Abspannung, für normal halten durfte. Der materielle Werth der Schriften, die Börne hinterlassen hat, liegt zunächst in ihrer Beziehung zur Zeitgeschichte. Der künftige Geschichtsschreiber unsrer Epoche wird sie zwar nicht als Aktenstücke brauchen können, um aus ihnen Thatsachen festzustellen; aber den Pragmatismus der Begebenheiten wird er aus ihnen entlehnen dürfen: die Lichter und Schatten seines Gemäldes; nicht die Melodie, wohl aber die Harmonie seiner Tonsätze. Denn diese Schriften spiegelten nicht immer die ewigen Sterne der Wahrheit ab, sondern oft auch die Dunstwolken, die sich zwischen den Himmel und die Erde legen. Die Sage, das Gerücht drängte dem Verfasser die Feder in die Hand; oft hatte die Sage wahr gesprochen, oft ist aber auch nur das Urtheil und die Gesinnung, die sie hier hervorrief, wahr, sie selbst wurde berichtigt. So breitet sich in diesen Schriften die ganze gleichzeitige Epoche aus, mit ihren Hoffnungen und Wünschen, mit ihren Schmerzen und Thorheiten, so weit nur ein freies, vom bösen Willen nicht umflortes Auge trug. Zu diesem Quellen-Werth kömmt die Natürlichkeit der in diesen Schrif- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0344" n="302"/> lichem Glücke angelächeltes Dasein, ein Dasein behaglich-heitrer Abspannung, für normal halten durfte.</p> <p>Der materielle Werth der Schriften, die Börne hinterlassen hat, liegt zunächst in ihrer Beziehung zur Zeitgeschichte. Der künftige Geschichtsschreiber unsrer Epoche wird sie zwar nicht als Aktenstücke brauchen können, um aus ihnen Thatsachen festzustellen; aber den Pragmatismus der Begebenheiten wird er aus ihnen entlehnen dürfen: die Lichter und Schatten seines Gemäldes; nicht die Melodie, wohl aber die Harmonie seiner Tonsätze. Denn diese Schriften spiegelten nicht immer die ewigen Sterne der Wahrheit ab, sondern oft auch die Dunstwolken, die sich zwischen den Himmel und die Erde legen. Die Sage, das Gerücht drängte dem Verfasser die Feder in die Hand; oft hatte die Sage wahr gesprochen, oft ist aber auch nur das Urtheil und die Gesinnung, die sie hier hervorrief, wahr, sie selbst wurde berichtigt. So breitet sich in diesen Schriften die ganze gleichzeitige Epoche aus, mit ihren Hoffnungen und Wünschen, mit ihren Schmerzen und Thorheiten, so weit nur ein freies, vom bösen Willen nicht umflortes Auge trug. Zu diesem Quellen-Werth kömmt die Natürlichkeit der in diesen Schrif- </p> </div> </body> </text> </TEI> [302/0344]
lichem Glücke angelächeltes Dasein, ein Dasein behaglich-heitrer Abspannung, für normal halten durfte.
Der materielle Werth der Schriften, die Börne hinterlassen hat, liegt zunächst in ihrer Beziehung zur Zeitgeschichte. Der künftige Geschichtsschreiber unsrer Epoche wird sie zwar nicht als Aktenstücke brauchen können, um aus ihnen Thatsachen festzustellen; aber den Pragmatismus der Begebenheiten wird er aus ihnen entlehnen dürfen: die Lichter und Schatten seines Gemäldes; nicht die Melodie, wohl aber die Harmonie seiner Tonsätze. Denn diese Schriften spiegelten nicht immer die ewigen Sterne der Wahrheit ab, sondern oft auch die Dunstwolken, die sich zwischen den Himmel und die Erde legen. Die Sage, das Gerücht drängte dem Verfasser die Feder in die Hand; oft hatte die Sage wahr gesprochen, oft ist aber auch nur das Urtheil und die Gesinnung, die sie hier hervorrief, wahr, sie selbst wurde berichtigt. So breitet sich in diesen Schriften die ganze gleichzeitige Epoche aus, mit ihren Hoffnungen und Wünschen, mit ihren Schmerzen und Thorheiten, so weit nur ein freies, vom bösen Willen nicht umflortes Auge trug. Zu diesem Quellen-Werth kömmt die Natürlichkeit der in diesen Schrif-
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