Sein Patron war Bairaktar, gewiß einer der kräftigsten Charaktere in der neuern türkischen Geschichte. Das Resultat einer blutigen Verwirrung von vielen Wochen war allerdings der günstige Tod Mustaphas, die ungestörte Umgürtung Mahmuds mit Osmans Säbel, das glückliche Untertauchen von fünf in den Bosporus geworfenen Säcken, in welche ein Kind Mu¬ staphas und vier schwangere Sultaninnen eingenäht waren; aber auch eine an die Janitscharen verlorne Schlacht, der Tod Bairaktars, der von ihnen belagert wurde und sich heldenmüthig in die Luft sprengte, und eine zur bösen Stunde offenbarte Schwäche, denn der Thron und der Divan hatten mit den meuterischen Kasernen unterhandeln müssen. Der Sultan beköstigte die Janitscharen selbst, und ihr Appetit war wörtlich die Temperatur, von der im Barometer der öffentli¬ chen Meinung sein Steigen oder Fallen abhing. Er zitterte, ob man ihm die Nachricht brächte, die ver¬ dächtigen Soldaten hätten den Reis unschmackhaft ge¬ funden, oder sie verschmähten Brod und Salz, was in den türkischen Revolutionen ein technischer Ausdruck ist; doch der Reis quoll gut, man blieb ruhig, und der neue Herrscher wagte mit Rußland und Serbien Frieden zu schließen. Das war im Jahr 1812.
Der Sultan.
Sein Patron war Bairaktar, gewiß einer der kraͤftigſten Charaktere in der neuern tuͤrkiſchen Geſchichte. Das Reſultat einer blutigen Verwirrung von vielen Wochen war allerdings der guͤnſtige Tod Muſtaphas, die ungeſtoͤrte Umguͤrtung Mahmuds mit Osmans Saͤbel, das gluͤckliche Untertauchen von fuͤnf in den Bosporus geworfenen Saͤcken, in welche ein Kind Mu¬ ſtaphas und vier ſchwangere Sultaninnen eingenaͤht waren; aber auch eine an die Janitſcharen verlorne Schlacht, der Tod Bairaktars, der von ihnen belagert wurde und ſich heldenmuͤthig in die Luft ſprengte, und eine zur boͤſen Stunde offenbarte Schwaͤche, denn der Thron und der Divan hatten mit den meuteriſchen Kaſernen unterhandeln muͤſſen. Der Sultan bekoͤſtigte die Janitſcharen ſelbſt, und ihr Appetit war woͤrtlich die Temperatur, von der im Barometer der oͤffentli¬ chen Meinung ſein Steigen oder Fallen abhing. Er zitterte, ob man ihm die Nachricht braͤchte, die ver¬ daͤchtigen Soldaten haͤtten den Reis unſchmackhaft ge¬ funden, oder ſie verſchmaͤhten Brod und Salz, was in den tuͤrkiſchen Revolutionen ein techniſcher Ausdruck iſt; doch der Reis quoll gut, man blieb ruhig, und der neue Herrſcher wagte mit Rußland und Serbien Frieden zu ſchließen. Das war im Jahr 1812.
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Der Sultan.
Sein Patron war Bairaktar, gewiß einer der
kraͤftigſten Charaktere in der neuern tuͤrkiſchen Geſchichte.
Das Reſultat einer blutigen Verwirrung von vielen
Wochen war allerdings der guͤnſtige Tod Muſtaphas,
die ungeſtoͤrte Umguͤrtung Mahmuds mit Osmans
Saͤbel, das gluͤckliche Untertauchen von fuͤnf in den
Bosporus geworfenen Saͤcken, in welche ein Kind Mu¬
ſtaphas und vier ſchwangere Sultaninnen eingenaͤht
waren; aber auch eine an die Janitſcharen verlorne
Schlacht, der Tod Bairaktars, der von ihnen belagert
wurde und ſich heldenmuͤthig in die Luft ſprengte, und
eine zur boͤſen Stunde offenbarte Schwaͤche, denn der
Thron und der Divan hatten mit den meuteriſchen
Kaſernen unterhandeln muͤſſen. Der Sultan bekoͤſtigte
die Janitſcharen ſelbſt, und ihr Appetit war woͤrtlich
die Temperatur, von der im Barometer der oͤffentli¬
chen Meinung ſein Steigen oder Fallen abhing. Er
zitterte, ob man ihm die Nachricht braͤchte, die ver¬
daͤchtigen Soldaten haͤtten den Reis unſchmackhaft ge¬
funden, oder ſie verſchmaͤhten Brod und Salz, was
in den tuͤrkiſchen Revolutionen ein techniſcher Ausdruck
iſt; doch der Reis quoll gut, man blieb ruhig, und
der neue Herrſcher wagte mit Rußland und Serbien
Frieden zu ſchließen. Das war im Jahr 1812.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/336>, abgerufen am 21.11.2024.
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