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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Chateaubriand.

Nach Voltaire konnte ein Kind, wie Chateaubriand,
nur der Don Quixote des Christenthums werden. Er
brachte nichts Neues an die alte Lehre heran, als den
Schmelz seiner Sprache. Das war Alles wenig genug
für eine Zeit, zu der man im Posaunentone des Welt¬
gerichts hätte sprechen müssen, wenn man aus einer
Sache, die in Frankreich allenfalls Mode werden konnte,
einen heiligen Ernst hätte machen wollen.

Ja, in der That, Chateaubriand hatte das Unglück,
in die Mode zu kommen; man interessirte sich für ihn
etwas mehr, aber nicht viel, als für Abel Remusat,
der die indischen Romane aufbrachte. Chateaubriand kam
in Begebenheiten, die er nicht verstand; er verwechselte
das Christenthum mit sich, hielt sich für unfehlbar und
beging so viel Thorheiten, daß man ihn schnell bei
Seite schob.

Jetzt aber saß der edle Vicomte einmal mitten
drinnen in den Geschäften; die Weltgeschichte war
bis an seine Antichambre gekommen, er hatte sich
in acht Tagen, wo man kaum die Flöte blasen lernt,
auf die Höhe der Zeit gestellt; es kann nirgends so ver¬
worren aussehen, als in Chateaubriands Kopf und in
seinem Portefeuille, das ihm die Bourbons anvertrau¬
ten. Ich zweifle, ob dieser Spätling der Croisaden sich

Chateaubriand.

Nach Voltaire konnte ein Kind, wie Chateaubriand,
nur der Don Quixote des Chriſtenthums werden. Er
brachte nichts Neues an die alte Lehre heran, als den
Schmelz ſeiner Sprache. Das war Alles wenig genug
fuͤr eine Zeit, zu der man im Poſaunentone des Welt¬
gerichts haͤtte ſprechen muͤſſen, wenn man aus einer
Sache, die in Frankreich allenfalls Mode werden konnte,
einen heiligen Ernſt haͤtte machen wollen.

Ja, in der That, Chateaubriand hatte das Ungluͤck,
in die Mode zu kommen; man intereſſirte ſich fuͤr ihn
etwas mehr, aber nicht viel, als fuͤr Abel Remuſat,
der die indiſchen Romane aufbrachte. Chateaubriand kam
in Begebenheiten, die er nicht verſtand; er verwechſelte
das Chriſtenthum mit ſich, hielt ſich fuͤr unfehlbar und
beging ſo viel Thorheiten, daß man ihn ſchnell bei
Seite ſchob.

Jetzt aber ſaß der edle Vicomte einmal mitten
drinnen in den Geſchaͤften; die Weltgeſchichte war
bis an ſeine Antichambre gekommen, er hatte ſich
in acht Tagen, wo man kaum die Floͤte blaſen lernt,
auf die Hoͤhe der Zeit geſtellt; es kann nirgends ſo ver¬
worren ausſehen, als in Chateaubriands Kopf und in
ſeinem Portefeuille, das ihm die Bourbons anvertrau¬
ten. Ich zweifle, ob dieſer Spaͤtling der Croiſaden ſich

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[60/0078] Chateaubriand. Nach Voltaire konnte ein Kind, wie Chateaubriand, nur der Don Quixote des Chriſtenthums werden. Er brachte nichts Neues an die alte Lehre heran, als den Schmelz ſeiner Sprache. Das war Alles wenig genug fuͤr eine Zeit, zu der man im Poſaunentone des Welt¬ gerichts haͤtte ſprechen muͤſſen, wenn man aus einer Sache, die in Frankreich allenfalls Mode werden konnte, einen heiligen Ernſt haͤtte machen wollen. Ja, in der That, Chateaubriand hatte das Ungluͤck, in die Mode zu kommen; man intereſſirte ſich fuͤr ihn etwas mehr, aber nicht viel, als fuͤr Abel Remuſat, der die indiſchen Romane aufbrachte. Chateaubriand kam in Begebenheiten, die er nicht verſtand; er verwechſelte das Chriſtenthum mit ſich, hielt ſich fuͤr unfehlbar und beging ſo viel Thorheiten, daß man ihn ſchnell bei Seite ſchob. Jetzt aber ſaß der edle Vicomte einmal mitten drinnen in den Geſchaͤften; die Weltgeſchichte war bis an ſeine Antichambre gekommen, er hatte ſich in acht Tagen, wo man kaum die Floͤte blaſen lernt, auf die Hoͤhe der Zeit geſtellt; es kann nirgends ſo ver¬ worren ausſehen, als in Chateaubriands Kopf und in ſeinem Portefeuille, das ihm die Bourbons anvertrau¬ ten. Ich zweifle, ob dieſer Spaͤtling der Croiſaden ſich

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/78>, abgerufen am 24.11.2024.