das parteiische Frankreich sich in ruhmbewachten Feld¬ lagern auf brüderliches, gemeinschaftliches, versöhnendes Stroh legen. Manuel, der widersprechen wollte, wurde mit Bajonnetten aus der Kammer getrieben; das Al¬ les geschah unter Chateaubriand, der sich so wenig be¬ herrschen konnte, daß selbst Villele ihn desavouirte, und der Vicomte zum Zweitenmale fiel.
Dismal war sogar die Camarilla mit seinem Sturze einverstanden.
Daß Chateaubriand kein Heiliger war, sieht man daraus, daß er den ganz gewöhnlichen Weg fallender Staatsmänner einschlug, nämlich aus dem alten Mi¬ nisterium in die Opposition des neuen überzugehen. Er bekämpfte als Pair die Villele'sche Censur, das Wahlgesetz, die Rentenreduktion, was man wollte, wie jeder Andre auch, bis ihn das öffentliche Leben zuletzt so aufrieb, daß er den politischen Schauplatz fast gänz¬ lich verließ, und sich zur Erholung mit seinen alten poetischen und historischen Studien beschäftigte.
Aber es war Chateaubriands Unglück, daß man ihn trotz der Ungnade doch nicht ganz vergessen wollte: Talleyrand hatte das Unvermeidliche, daß er wie ein Dämon überall spukte, Herr von Blacas, vorzugsweise
Chateaubriand.
das parteiiſche Frankreich ſich in ruhmbewachten Feld¬ lagern auf bruͤderliches, gemeinſchaftliches, verſoͤhnendes Stroh legen. Manuel, der widerſprechen wollte, wurde mit Bajonnetten aus der Kammer getrieben; das Al¬ les geſchah unter Chateaubriand, der ſich ſo wenig be¬ herrſchen konnte, daß ſelbſt Villèle ihn desavouirte, und der Vicomte zum Zweitenmale fiel.
Dismal war ſogar die Camarilla mit ſeinem Sturze einverſtanden.
Daß Chateaubriand kein Heiliger war, ſieht man daraus, daß er den ganz gewoͤhnlichen Weg fallender Staatsmaͤnner einſchlug, naͤmlich aus dem alten Mi¬ niſterium in die Oppoſition des neuen uͤberzugehen. Er bekaͤmpfte als Pair die Villèle'ſche Cenſur, das Wahlgeſetz, die Rentenreduktion, was man wollte, wie jeder Andre auch, bis ihn das oͤffentliche Leben zuletzt ſo aufrieb, daß er den politiſchen Schauplatz faſt gaͤnz¬ lich verließ, und ſich zur Erholung mit ſeinen alten poetiſchen und hiſtoriſchen Studien beſchaͤftigte.
Aber es war Chateaubriands Ungluͤck, daß man ihn trotz der Ungnade doch nicht ganz vergeſſen wollte: Talleyrand hatte das Unvermeidliche, daß er wie ein Daͤmon uͤberall ſpukte, Herr von Blacas, vorzugsweiſe
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Chateaubriand.
das parteiiſche Frankreich ſich in ruhmbewachten Feld¬
lagern auf bruͤderliches, gemeinſchaftliches, verſoͤhnendes
Stroh legen. Manuel, der widerſprechen wollte, wurde
mit Bajonnetten aus der Kammer getrieben; das Al¬
les geſchah unter Chateaubriand, der ſich ſo wenig be¬
herrſchen konnte, daß ſelbſt Villèle ihn desavouirte, und
der Vicomte zum Zweitenmale fiel.
Dismal war ſogar die Camarilla mit ſeinem Sturze
einverſtanden.
Daß Chateaubriand kein Heiliger war, ſieht man
daraus, daß er den ganz gewoͤhnlichen Weg fallender
Staatsmaͤnner einſchlug, naͤmlich aus dem alten Mi¬
niſterium in die Oppoſition des neuen uͤberzugehen.
Er bekaͤmpfte als Pair die Villèle'ſche Cenſur, das
Wahlgeſetz, die Rentenreduktion, was man wollte, wie
jeder Andre auch, bis ihn das oͤffentliche Leben zuletzt
ſo aufrieb, daß er den politiſchen Schauplatz faſt gaͤnz¬
lich verließ, und ſich zur Erholung mit ſeinen alten
poetiſchen und hiſtoriſchen Studien beſchaͤftigte.
Aber es war Chateaubriands Ungluͤck, daß man
ihn trotz der Ungnade doch nicht ganz vergeſſen wollte:
Talleyrand hatte das Unvermeidliche, daß er wie ein
Daͤmon uͤberall ſpukte, Herr von Blacas, vorzugsweiſe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/95>, abgerufen am 16.02.2025.
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