Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Chateaubriand. des Mirakelkindes geziemte. Aber er begnügte sichnicht mit dem schmachtenden Air des Unglücks, mit der noblen Physiognomie der Zurücksetzung, er legte sich nicht jenes historische Stillschweigen auf, welches für fallende Charaktere so theilnehmen macht; sondern er¬ öffnete auf eigene Verantwortlichkeit einen Guerillakrieg mit dem 7. August. Seine Waffen waren glänzende Phrasen, der Himmel, dessen Zeichen er deutete, das Mitleid, welches er für das gesunkene Königshaus be¬ schwor. Er wußte selbst, wie schwach diese Munition für seinen Krieg war: aber er resignirte schon beim er¬ sten Schlage auf den Sieg, er wollte nichts, als eine Rolle mit Ehren ausspielen, und sah sich nicht einmal nach Bundesgenossen um. Es war eine Komödie, von der man nur sagen kann, daß sie Chateaubriand mit zu vielem Nachdruck in die Scene setzte. Chateaubri¬ and verließ den Boden der Dichtung, dem seine Bro¬ chüren, und Protestationen noch angehörten, er konspi¬ rirte und mußte ins Gefängniß. Das Gefängniß setzte dem Martyrium die Dor¬ Chateaubriand. des Mirakelkindes geziemte. Aber er begnuͤgte ſichnicht mit dem ſchmachtenden Air des Ungluͤcks, mit der noblen Phyſiognomie der Zuruͤckſetzung, er legte ſich nicht jenes hiſtoriſche Stillſchweigen auf, welches fuͤr fallende Charaktere ſo theilnehmen macht; ſondern er¬ oͤffnete auf eigene Verantwortlichkeit einen Guerillakrieg mit dem 7. Auguſt. Seine Waffen waren glaͤnzende Phraſen, der Himmel, deſſen Zeichen er deutete, das Mitleid, welches er fuͤr das geſunkene Koͤnigshaus be¬ ſchwor. Er wußte ſelbſt, wie ſchwach dieſe Munition fuͤr ſeinen Krieg war: aber er reſignirte ſchon beim er¬ ſten Schlage auf den Sieg, er wollte nichts, als eine Rolle mit Ehren ausſpielen, und ſah ſich nicht einmal nach Bundesgenoſſen um. Es war eine Komoͤdie, von der man nur ſagen kann, daß ſie Chateaubriand mit zu vielem Nachdruck in die Scene ſetzte. Chateaubri¬ and verließ den Boden der Dichtung, dem ſeine Bro¬ chuͤren, und Proteſtationen noch angehoͤrten, er konſpi¬ rirte und mußte ins Gefaͤngniß. Das Gefaͤngniß ſetzte dem Martyrium die Dor¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0097" n="79"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Chateaubriand</hi>.<lb/></fw> des Mirakelkindes geziemte. Aber er begnuͤgte ſich<lb/> nicht mit dem ſchmachtenden Air des Ungluͤcks, mit<lb/> der noblen Phyſiognomie der Zuruͤckſetzung, er legte ſich<lb/> nicht jenes hiſtoriſche Stillſchweigen auf, welches fuͤr<lb/> fallende Charaktere ſo theilnehmen macht; ſondern er¬<lb/> oͤffnete auf eigene Verantwortlichkeit einen Guerillakrieg<lb/> mit dem 7. Auguſt. Seine Waffen waren glaͤnzende<lb/> Phraſen, der Himmel, deſſen Zeichen er deutete, das<lb/> Mitleid, welches er fuͤr das geſunkene Koͤnigshaus be¬<lb/> ſchwor. Er wußte ſelbſt, wie ſchwach dieſe Munition<lb/> fuͤr ſeinen Krieg war: aber er reſignirte ſchon beim er¬<lb/> ſten Schlage auf den Sieg, er wollte nichts, als eine<lb/> Rolle mit Ehren ausſpielen, und ſah ſich nicht einmal<lb/> nach Bundesgenoſſen um. Es war eine Komoͤdie, von<lb/> der man nur ſagen kann, daß ſie Chateaubriand mit<lb/> zu vielem Nachdruck in die Scene ſetzte. Chateaubri¬<lb/> and verließ den Boden der Dichtung, dem ſeine Bro¬<lb/> chuͤren, und Proteſtationen noch angehoͤrten, er konſpi¬<lb/> rirte und mußte ins Gefaͤngniß.</p><lb/> <p>Das Gefaͤngniß ſetzte dem Martyrium die Dor¬<lb/> nenkrone auf; hier haͤtte Chateaubriand ſtehen bleiben<lb/> ſollen, er hatte nun Alles, was er zur Rechtfertigung<lb/> ſeines Lebens bedurfte. Allein, kaum in Freiheit ge¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [79/0097]
Chateaubriand.
des Mirakelkindes geziemte. Aber er begnuͤgte ſich
nicht mit dem ſchmachtenden Air des Ungluͤcks, mit
der noblen Phyſiognomie der Zuruͤckſetzung, er legte ſich
nicht jenes hiſtoriſche Stillſchweigen auf, welches fuͤr
fallende Charaktere ſo theilnehmen macht; ſondern er¬
oͤffnete auf eigene Verantwortlichkeit einen Guerillakrieg
mit dem 7. Auguſt. Seine Waffen waren glaͤnzende
Phraſen, der Himmel, deſſen Zeichen er deutete, das
Mitleid, welches er fuͤr das geſunkene Koͤnigshaus be¬
ſchwor. Er wußte ſelbſt, wie ſchwach dieſe Munition
fuͤr ſeinen Krieg war: aber er reſignirte ſchon beim er¬
ſten Schlage auf den Sieg, er wollte nichts, als eine
Rolle mit Ehren ausſpielen, und ſah ſich nicht einmal
nach Bundesgenoſſen um. Es war eine Komoͤdie, von
der man nur ſagen kann, daß ſie Chateaubriand mit
zu vielem Nachdruck in die Scene ſetzte. Chateaubri¬
and verließ den Boden der Dichtung, dem ſeine Bro¬
chuͤren, und Proteſtationen noch angehoͤrten, er konſpi¬
rirte und mußte ins Gefaͤngniß.
Das Gefaͤngniß ſetzte dem Martyrium die Dor¬
nenkrone auf; hier haͤtte Chateaubriand ſtehen bleiben
ſollen, er hatte nun Alles, was er zur Rechtfertigung
ſeines Lebens bedurfte. Allein, kaum in Freiheit ge¬
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