[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.längst die Kunst, Diener zweier Herren zu sein? Die Freiheit zu lieben, wenn wir dem Aristokratismus Vorschub leisten? Hat die Thorheit nicht schon oft den Demokraten den Rath gegeben, sich zur Erreichung ihrer Zwecke bei den Aristokraten einzuschmeicheln? Und sind wir nicht stark und unermüdlich in seiner Befolgung? Du drohst schon wieder mit dem Zeigefinger, Geliebte! Erschrickst vor den sengenden Blitzen, die jetzt durch mein grollendes Redegeroll zucken wollen, und ahnst, daß meine Worte immer mehr sagen wollen, als sie zu bedeuten scheinen. Ja, Wolken können über die klare Bläue des Himmels ziehen, selbst Fliegen in der Milch sind mir nicht so zuwider, wie Coalitionen fremdartiger Elemente. Jeder freie Geist ist ein geborner Scheidekünstler. Die reine Hand darf sich nicht in die schmutzige legen, sonst geht's wie in dem schlechten Sprichworte, daß eine die andere wäscht. Der Republicaner haucht im Arme eines Royalisten seine Seele aus. Man redet soviel von gesetzlicher Freiheit, aber dies Ding hat nur dann Sinn, wenn sich die Freiheit diese Gesetzlichkeit selbst gegeben hat. In den constitutionellen Staaten Süddeutschlands trifft man aller Orten auf Leute, die von der Regierung ein Privilegium erkauft haben, Demokraten sein zu dürfen, Demagogen, die der längst die Kunst, Diener zweier Herren zu sein? Die Freiheit zu lieben, wenn wir dem Aristokratismus Vorschub leisten? Hat die Thorheit nicht schon oft den Demokraten den Rath gegeben, sich zur Erreichung ihrer Zwecke bei den Aristokraten einzuschmeicheln? Und sind wir nicht stark und unermüdlich in seiner Befolgung? Du drohst schon wieder mit dem Zeigefinger, Geliebte! Erschrickst vor den sengenden Blitzen, die jetzt durch mein grollendes Redegeroll zucken wollen, und ahnst, daß meine Worte immer mehr sagen wollen, als sie zu bedeuten scheinen. Ja, Wolken können über die klare Bläue des Himmels ziehen, selbst Fliegen in der Milch sind mir nicht so zuwider, wie Coalitionen fremdartiger Elemente. Jeder freie Geist ist ein geborner Scheidekünstler. Die reine Hand darf sich nicht in die schmutzige legen, sonst geht’s wie in dem schlechten Sprichworte, daß eine die andere wäscht. Der Republicaner haucht im Arme eines Royalisten seine Seele aus. Man redet soviel von gesetzlicher Freiheit, aber dies Ding hat nur dann Sinn, wenn sich die Freiheit diese Gesetzlichkeit selbst gegeben hat. In den constitutionellen Staaten Süddeutschlands trifft man aller Orten auf Leute, die von der Regierung ein Privilegium erkauft haben, Demokraten sein zu dürfen, Demagogen, die der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0255" n="242"/> längst die Kunst, Diener zweier Herren zu sein? Die Freiheit zu lieben, wenn wir dem Aristokratismus Vorschub leisten? Hat die Thorheit nicht schon oft den Demokraten den Rath gegeben, sich zur Erreichung ihrer Zwecke bei den Aristokraten einzuschmeicheln? Und sind wir nicht stark und unermüdlich in seiner Befolgung?</p> <p>Du drohst schon wieder mit dem Zeigefinger, Geliebte! Erschrickst vor den sengenden Blitzen, die jetzt durch mein grollendes Redegeroll zucken wollen, und ahnst, daß meine Worte immer mehr sagen wollen, als sie zu bedeuten scheinen. Ja, Wolken können über die klare Bläue des Himmels ziehen, selbst Fliegen in der Milch sind mir nicht so zuwider, wie Coalitionen fremdartiger Elemente. Jeder freie Geist ist ein geborner Scheidekünstler. Die reine Hand darf sich nicht in die schmutzige legen, sonst geht’s wie in dem schlechten Sprichworte, daß eine die andere wäscht. Der Republicaner haucht im Arme eines Royalisten seine Seele aus. Man redet soviel von gesetzlicher Freiheit, aber dies Ding hat nur dann Sinn, wenn sich die Freiheit diese Gesetzlichkeit selbst gegeben hat. In den constitutionellen Staaten Süddeutschlands trifft man aller Orten auf Leute, die von der Regierung ein Privilegium erkauft haben, Demokraten sein zu dürfen, Demagogen, die der </p> </div> </body> </text> </TEI> [242/0255]
längst die Kunst, Diener zweier Herren zu sein? Die Freiheit zu lieben, wenn wir dem Aristokratismus Vorschub leisten? Hat die Thorheit nicht schon oft den Demokraten den Rath gegeben, sich zur Erreichung ihrer Zwecke bei den Aristokraten einzuschmeicheln? Und sind wir nicht stark und unermüdlich in seiner Befolgung?
Du drohst schon wieder mit dem Zeigefinger, Geliebte! Erschrickst vor den sengenden Blitzen, die jetzt durch mein grollendes Redegeroll zucken wollen, und ahnst, daß meine Worte immer mehr sagen wollen, als sie zu bedeuten scheinen. Ja, Wolken können über die klare Bläue des Himmels ziehen, selbst Fliegen in der Milch sind mir nicht so zuwider, wie Coalitionen fremdartiger Elemente. Jeder freie Geist ist ein geborner Scheidekünstler. Die reine Hand darf sich nicht in die schmutzige legen, sonst geht’s wie in dem schlechten Sprichworte, daß eine die andere wäscht. Der Republicaner haucht im Arme eines Royalisten seine Seele aus. Man redet soviel von gesetzlicher Freiheit, aber dies Ding hat nur dann Sinn, wenn sich die Freiheit diese Gesetzlichkeit selbst gegeben hat. In den constitutionellen Staaten Süddeutschlands trifft man aller Orten auf Leute, die von der Regierung ein Privilegium erkauft haben, Demokraten sein zu dürfen, Demagogen, die der
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