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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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Sechswöchnerin, Du hast Dich ja selbst aus Deinem Schooße geboren.

Hörst Du, wie Vulcan drüben grollt und donnert, daß ich seine Venus aus einer Masche dieses großen Steinnetzes herausgelassen habe? daß das Göttergesindel dort unten, das kleine Gezwerg nicht mehr Stoff zum Lachen hat, wenn es vom Mahle berauscht aufsteht und hinausgeht, um sich an dem Anblick, wie Du in den Armen des kalten, gepanzerten Kriegsgottes erfrierst, zu weiden? Jene doppelte Flammensäule soll Dir und mir gelten. Wie er die Kugeln aus seinem krachenden Mörser auf uns zu zielen weiß! In seinem grauen Aschenblute will er uns ersticken; aber wir fürchten nichts; denn wir haben ein gut Gewissen, geben den Armen, was wir erübrigen, lieben Gott und den König -- was kann uns die Hölle?

An der Thür jenes Theaters, das Dein staunender Blick wiedererkennt, standen wir oft vor Sonnenuntergang, und überließen unsere Körper aus Liebe zur Kunst den Stößen des harrenden Publicums, bis es mir gelang, zwei Parquetbillets zu erdrängen. Noch siehst Du jene steinenen Stufen, von denen wir auf die Spiele der Histrionen und Mimen lauschten, noch ist es als rauschten die Geigen durch die melodienreiche Luft, als ginge der Sorbettier mit Gefrornem durch die Logen-

Sechswöchnerin, Du hast Dich ja selbst aus Deinem Schooße geboren.

Hörst Du, wie Vulcan drüben grollt und donnert, daß ich seine Venus aus einer Masche dieses großen Steinnetzes herausgelassen habe? daß das Göttergesindel dort unten, das kleine Gezwerg nicht mehr Stoff zum Lachen hat, wenn es vom Mahle berauscht aufsteht und hinausgeht, um sich an dem Anblick, wie Du in den Armen des kalten, gepanzerten Kriegsgottes erfrierst, zu weiden? Jene doppelte Flammensäule soll Dir und mir gelten. Wie er die Kugeln aus seinem krachenden Mörser auf uns zu zielen weiß! In seinem grauen Aschenblute will er uns ersticken; aber wir fürchten nichts; denn wir haben ein gut Gewissen, geben den Armen, was wir erübrigen, lieben Gott und den König — was kann uns die Hölle?

An der Thür jenes Theaters, das Dein staunender Blick wiedererkennt, standen wir oft vor Sonnenuntergang, und überließen unsere Körper aus Liebe zur Kunst den Stößen des harrenden Publicums, bis es mir gelang, zwei Parquetbillets zu erdrängen. Noch siehst Du jene steinenen Stufen, von denen wir auf die Spiele der Histrionen und Mimen lauschten, noch ist es als rauschten die Geigen durch die melodienreiche Luft, als ginge der Sorbettier mit Gefrornem durch die Logen-

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[272/0285] Sechswöchnerin, Du hast Dich ja selbst aus Deinem Schooße geboren. Hörst Du, wie Vulcan drüben grollt und donnert, daß ich seine Venus aus einer Masche dieses großen Steinnetzes herausgelassen habe? daß das Göttergesindel dort unten, das kleine Gezwerg nicht mehr Stoff zum Lachen hat, wenn es vom Mahle berauscht aufsteht und hinausgeht, um sich an dem Anblick, wie Du in den Armen des kalten, gepanzerten Kriegsgottes erfrierst, zu weiden? Jene doppelte Flammensäule soll Dir und mir gelten. Wie er die Kugeln aus seinem krachenden Mörser auf uns zu zielen weiß! In seinem grauen Aschenblute will er uns ersticken; aber wir fürchten nichts; denn wir haben ein gut Gewissen, geben den Armen, was wir erübrigen, lieben Gott und den König — was kann uns die Hölle? An der Thür jenes Theaters, das Dein staunender Blick wiedererkennt, standen wir oft vor Sonnenuntergang, und überließen unsere Körper aus Liebe zur Kunst den Stößen des harrenden Publicums, bis es mir gelang, zwei Parquetbillets zu erdrängen. Noch siehst Du jene steinenen Stufen, von denen wir auf die Spiele der Histrionen und Mimen lauschten, noch ist es als rauschten die Geigen durch die melodienreiche Luft, als ginge der Sorbettier mit Gefrornem durch die Logen-

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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/285>, abgerufen am 22.11.2024.