Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Nur um einen Ableiter seines Zorns zu haben, griff er nach Diesem und Jenem. Der gewohnte Respect vor dem immer würdig, selbst im Scherze maßvoll auftretenden Principal hatte ihm zuletzt die Zunge gelähmt. Die Thatsache der Entlassung war auch peinlich. Seine dominirende Stellung in den Arbeiterkreisen war nicht ohne Opfer. Die Reise nach Leipzig mußte wieder von ihm selbst bestritten werden. Wie sich rächen? Wo? Womit? Oft schon hatte Assessor Rabe sich an ihn gemacht und ihm vom Tode seiner Mutter, dem Bestehenbleiben der Fabrik, von einem "verruchten Testament" seines Vaters gesprochen. Seltsam, daß ihm Rabe und eine andere Persönlichkeit, mit der sich jener zu ziehen pflegte, heute grade unten begegneten, wie sie Beide bei Frau Marloff klingelten und eine Stimme durchs Schlüsselloch "Nicht zu Hause!" rief. Raimund, der die zweideutige Existenz des ersten Stockes längst kannte, aber nie gesehen hatte, grüßte lachend. Er hatte gewisse Erscheinungen des großstädtischen Lebens schon oft mit jenem Klingelzuge in Verbindung gebracht, dessen Besitzerin Keinem sichtbar wurde. Es hieß, die Dame sei eine "Ausgehaltene". Ein Schleier ruhte über ihr. Herr Ehlerdt, haben Sie Zeit? Kommen Sie doch in den Spanischen Keller! Baron von Forbeck - Herr Nur um einen Ableiter seines Zorns zu haben, griff er nach Diesem und Jenem. Der gewohnte Respect vor dem immer würdig, selbst im Scherze maßvoll auftretenden Principal hatte ihm zuletzt die Zunge gelähmt. Die Thatsache der Entlassung war auch peinlich. Seine dominirende Stellung in den Arbeiterkreisen war nicht ohne Opfer. Die Reise nach Leipzig mußte wieder von ihm selbst bestritten werden. Wie sich rächen? Wo? Womit? Oft schon hatte Assessor Rabe sich an ihn gemacht und ihm vom Tode seiner Mutter, dem Bestehenbleiben der Fabrik, von einem „verruchten Testament“ seines Vaters gesprochen. Seltsam, daß ihm Rabe und eine andere Persönlichkeit, mit der sich jener zu ziehen pflegte, heute grade unten begegneten, wie sie Beide bei Frau Marloff klingelten und eine Stimme durchs Schlüsselloch „Nicht zu Hause!“ rief. Raimund, der die zweideutige Existenz des ersten Stockes längst kannte, aber nie gesehen hatte, grüßte lachend. Er hatte gewisse Erscheinungen des großstädtischen Lebens schon oft mit jenem Klingelzuge in Verbindung gebracht, dessen Besitzerin Keinem sichtbar wurde. Es hieß, die Dame sei eine „Ausgehaltene“. Ein Schleier ruhte über ihr. Herr Ehlerdt, haben Sie Zeit? Kommen Sie doch in den Spanischen Keller! Baron von Forbeck – Herr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0183" n="177"/> Nur um einen Ableiter seines Zorns zu haben, griff er nach Diesem und Jenem. Der gewohnte Respect vor dem immer würdig, selbst im Scherze maßvoll auftretenden Principal hatte ihm zuletzt die Zunge gelähmt. Die Thatsache der Entlassung war auch peinlich. Seine dominirende Stellung in den Arbeiterkreisen war nicht ohne Opfer. Die Reise nach Leipzig mußte wieder von ihm selbst bestritten werden. Wie sich rächen? Wo? Womit? Oft schon hatte Assessor Rabe sich an ihn gemacht und ihm vom Tode seiner Mutter, dem Bestehenbleiben der Fabrik, von einem „verruchten Testament“ seines Vaters gesprochen. </p> <p>Seltsam, daß ihm Rabe und eine andere Persönlichkeit, mit der sich jener zu ziehen pflegte, heute grade unten begegneten, wie sie Beide bei Frau Marloff klingelten und eine Stimme durchs Schlüsselloch „Nicht zu Hause!“ rief. Raimund, der die zweideutige Existenz des ersten Stockes längst kannte, aber nie gesehen hatte, grüßte lachend. Er hatte gewisse Erscheinungen des großstädtischen Lebens schon oft mit jenem Klingelzuge in Verbindung gebracht, dessen Besitzerin Keinem sichtbar wurde. Es hieß, die Dame sei eine „Ausgehaltene“. Ein Schleier ruhte über ihr. </p> <p>Herr Ehlerdt, haben Sie Zeit? Kommen Sie doch in den Spanischen Keller! Baron von Forbeck – Herr </p> </div> </body> </text> </TEI> [177/0183]
Nur um einen Ableiter seines Zorns zu haben, griff er nach Diesem und Jenem. Der gewohnte Respect vor dem immer würdig, selbst im Scherze maßvoll auftretenden Principal hatte ihm zuletzt die Zunge gelähmt. Die Thatsache der Entlassung war auch peinlich. Seine dominirende Stellung in den Arbeiterkreisen war nicht ohne Opfer. Die Reise nach Leipzig mußte wieder von ihm selbst bestritten werden. Wie sich rächen? Wo? Womit? Oft schon hatte Assessor Rabe sich an ihn gemacht und ihm vom Tode seiner Mutter, dem Bestehenbleiben der Fabrik, von einem „verruchten Testament“ seines Vaters gesprochen.
Seltsam, daß ihm Rabe und eine andere Persönlichkeit, mit der sich jener zu ziehen pflegte, heute grade unten begegneten, wie sie Beide bei Frau Marloff klingelten und eine Stimme durchs Schlüsselloch „Nicht zu Hause!“ rief. Raimund, der die zweideutige Existenz des ersten Stockes längst kannte, aber nie gesehen hatte, grüßte lachend. Er hatte gewisse Erscheinungen des großstädtischen Lebens schon oft mit jenem Klingelzuge in Verbindung gebracht, dessen Besitzerin Keinem sichtbar wurde. Es hieß, die Dame sei eine „Ausgehaltene“. Ein Schleier ruhte über ihr.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/183>, abgerufen am 16.02.2025. |