Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Phrasen sozusagen aus Schiller und Goethe, die geflügelten Worte werden bald zu Kalauern geworden sein, der Pegasus ein alter Droschkengaul, der Staat ein toller Hund, dem Jeder aus dem Wege geht - Althing! Althing! rief man von allen Seiten. Der Justizrath war verschwunden. Er hatte doch noch bis zuletzt zugehört, ging aber, ohne die Miene zu verziehen. Er überließ die hinterlassene These einer, wie sein durch die Brille verschärfter Blick sofort wahrnahm, sich zur Lebhaftigkeit rüstenden Debatte, deren Reigen denn auch mit "sittlicher Entrüstung" der ordengeschmückte Hofmaler begann. Die weiten Entfernungen in der Stadt und die außerordentliche Fülle von Geschäften, die auf den Schultern des eigenthümlichen, Vielen räthselhaften Mannes lagen, hätten diesen längst bestimmen sollen, den dringenden Wunsch seiner Gattin und Töchter zu erfüllen, sich Wagen und Pferde anzuschaffen. Der schwer zugängliche, an Blutandrang oder innerer Verstimmung leidende Mann erklärte jedoch, möglichst frei bleiben zu wollen, was er mit Equipage nicht sein könnte. Denn dann würde er der Sklave des unvernünftigen Viehes, der Mucken seiner Pferde, und auch des Thierischen bei vierzehntäglich wechselnden Kutschern. Er bediente sich der Fiaker, die ja an jeder Ecke zu haben waren. Phrasen sozusagen aus Schiller und Goethe, die geflügelten Worte werden bald zu Kalauern geworden sein, der Pegasus ein alter Droschkengaul, der Staat ein toller Hund, dem Jeder aus dem Wege geht – Althing! Althing! rief man von allen Seiten. Der Justizrath war verschwunden. Er hatte doch noch bis zuletzt zugehört, ging aber, ohne die Miene zu verziehen. Er überließ die hinterlassene These einer, wie sein durch die Brille verschärfter Blick sofort wahrnahm, sich zur Lebhaftigkeit rüstenden Debatte, deren Reigen denn auch mit „sittlicher Entrüstung“ der ordengeschmückte Hofmaler begann. Die weiten Entfernungen in der Stadt und die außerordentliche Fülle von Geschäften, die auf den Schultern des eigenthümlichen, Vielen räthselhaften Mannes lagen, hätten diesen längst bestimmen sollen, den dringenden Wunsch seiner Gattin und Töchter zu erfüllen, sich Wagen und Pferde anzuschaffen. Der schwer zugängliche, an Blutandrang oder innerer Verstimmung leidende Mann erklärte jedoch, möglichst frei bleiben zu wollen, was er mit Equipage nicht sein könnte. Denn dann würde er der Sklave des unvernünftigen Viehes, der Mucken seiner Pferde, und auch des Thierischen bei vierzehntäglich wechselnden Kutschern. Er bediente sich der Fiaker, die ja an jeder Ecke zu haben waren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0058" n="52"/> Phrasen sozusagen aus Schiller und Goethe, <ref xml:id="TEXTdiegefluegeltenBISsein" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLdiegefluegeltenBISsein">die geflügelten Worte werden bald zu Kalauern geworden sein</ref>, der Pegasus ein alter Droschkengaul, der Staat ein toller Hund, dem Jeder aus dem Wege geht – </p> <p>Althing! Althing! rief man von allen Seiten. </p> <p>Der Justizrath war verschwunden. Er hatte doch noch bis zuletzt zugehört, ging aber, ohne die Miene zu verziehen. Er überließ die hinterlassene These einer, wie sein durch die Brille verschärfter Blick sofort wahrnahm, sich zur Lebhaftigkeit rüstenden Debatte, deren Reigen denn auch <ref xml:id="TEXTmitsittlicherEntruestung" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLmitsittlicherEntruestung">mit „sittlicher Entrüstung</ref>“ der ordengeschmückte Hofmaler begann. </p> <p>Die weiten Entfernungen in der Stadt und die außerordentliche Fülle von Geschäften, die auf den Schultern des eigenthümlichen, Vielen räthselhaften Mannes lagen, hätten diesen längst bestimmen sollen, den dringenden Wunsch seiner Gattin und Töchter zu erfüllen, sich Wagen und Pferde anzuschaffen. Der schwer zugängliche, an Blutandrang oder innerer Verstimmung leidende Mann erklärte jedoch, möglichst frei bleiben zu wollen, was er mit Equipage nicht sein könnte. Denn dann würde er der Sklave des unvernünftigen Viehes, der Mucken seiner Pferde, und auch des Thierischen bei vierzehntäglich wechselnden Kutschern. Er bediente sich der <ref xml:id="TEXTFiakerBISwaren" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLFiakerBISwaren">Fiaker, die ja an jeder Ecke zu haben waren</ref>. </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0058]
Phrasen sozusagen aus Schiller und Goethe, die geflügelten Worte werden bald zu Kalauern geworden sein, der Pegasus ein alter Droschkengaul, der Staat ein toller Hund, dem Jeder aus dem Wege geht –
Althing! Althing! rief man von allen Seiten.
Der Justizrath war verschwunden. Er hatte doch noch bis zuletzt zugehört, ging aber, ohne die Miene zu verziehen. Er überließ die hinterlassene These einer, wie sein durch die Brille verschärfter Blick sofort wahrnahm, sich zur Lebhaftigkeit rüstenden Debatte, deren Reigen denn auch mit „sittlicher Entrüstung“ der ordengeschmückte Hofmaler begann.
Die weiten Entfernungen in der Stadt und die außerordentliche Fülle von Geschäften, die auf den Schultern des eigenthümlichen, Vielen räthselhaften Mannes lagen, hätten diesen längst bestimmen sollen, den dringenden Wunsch seiner Gattin und Töchter zu erfüllen, sich Wagen und Pferde anzuschaffen. Der schwer zugängliche, an Blutandrang oder innerer Verstimmung leidende Mann erklärte jedoch, möglichst frei bleiben zu wollen, was er mit Equipage nicht sein könnte. Denn dann würde er der Sklave des unvernünftigen Viehes, der Mucken seiner Pferde, und auch des Thierischen bei vierzehntäglich wechselnden Kutschern. Er bediente sich der Fiaker, die ja an jeder Ecke zu haben waren.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/58>, abgerufen am 16.02.2025. |