Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.der Gastgeber eben in Begleitung des Fabrikanten Schindler passirt war. Ein sogenanntes Herrendiner gehörte manchmal zu den Verpflichtungen, denen sich die Damen Luzius nicht entziehen konnten. Sie thaten es ungern. Es dauerte in der Regel von 4 bis 8. Jüngere Herren wurden selten dazu gezogen. Nur Familienväter, wenn auch mit Orden überladen, graubärtige Cölibatäre, auf deren Ehelosigkeit das alte Rom mit Recht eine nachdrückliche Steuer gelegt haben würde, Feinschmecker oder auch in Tafelfreuden Unverwöhnte wurden deren heute, "ihrer fünfzig Stück", wie die Töchter des Hauses sich ausdrückten, "abgefüttert". Die Mutter präsidirte bis zum Braten; am anderen Ende des von Krystall und Silber strahlenden Riesentisches waren die Töchter zweien Herren zugetheilt gewesen. Später ließen die Damen die Herren allein und schlüpften leise davon. Heute hielt schon der Wagen für die Oper dreiviertel auf Sieben. Eine cerisefarbene Toilette hielt die Mutter noch immer nicht für zu jugendlich für ihren Kalender. Nur wurden leider ihre Reize durch übermäßige Magerkeit und eine Nase von nicht gut qualificirbarer Röthe beeinträchtigt. Der weiße Puder mußte entschiedenes Weinroth abdämpfen und in Harmonie mit dem übrigen weniger blauen Roth des Antlitzes bringen. Wie neckisch da ein weißes Spitzenfichu um die hervorstehenden der Gastgeber eben in Begleitung des Fabrikanten Schindler passirt war. Ein sogenanntes Herrendiner gehörte manchmal zu den Verpflichtungen, denen sich die Damen Luzius nicht entziehen konnten. Sie thaten es ungern. Es dauerte in der Regel von 4 bis 8. Jüngere Herren wurden selten dazu gezogen. Nur Familienväter, wenn auch mit Orden überladen, graubärtige Cölibatäre, auf deren Ehelosigkeit das alte Rom mit Recht eine nachdrückliche Steuer gelegt haben würde, Feinschmecker oder auch in Tafelfreuden Unverwöhnte wurden deren heute, „ihrer fünfzig Stück“, wie die Töchter des Hauses sich ausdrückten, „abgefüttert“. Die Mutter präsidirte bis zum Braten; am anderen Ende des von Krystall und Silber strahlenden Riesentisches waren die Töchter zweien Herren zugetheilt gewesen. Später ließen die Damen die Herren allein und schlüpften leise davon. Heute hielt schon der Wagen für die Oper dreiviertel auf Sieben. Eine cerisefarbene Toilette hielt die Mutter noch immer nicht für zu jugendlich für ihren Kalender. Nur wurden leider ihre Reize durch übermäßige Magerkeit und eine Nase von nicht gut qualificirbarer Röthe beeinträchtigt. Der weiße Puder mußte entschiedenes Weinroth abdämpfen und in Harmonie mit dem übrigen weniger blauen Roth des Antlitzes bringen. Wie neckisch da ein weißes Spitzenfichu um die hervorstehenden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0252" n="246"/> der Gastgeber eben in Begleitung des Fabrikanten Schindler passirt war. Ein sogenanntes Herrendiner gehörte manchmal zu den Verpflichtungen, denen sich die Damen Luzius nicht entziehen konnten. Sie thaten es ungern. Es dauerte in der Regel von 4 bis 8. Jüngere Herren wurden selten dazu gezogen. Nur Familienväter, wenn auch mit Orden überladen, graubärtige <ref xml:id="TEXTCoelibataereBISwuerde" type="editorialNote" target="NSer3E.htm#ERLCoelibataereBISwuerde">Cölibatäre, auf deren Ehelosigkeit das alte Rom mit Recht eine nachdrückliche Steuer gelegt haben würde</ref>, Feinschmecker oder auch in Tafelfreuden Unverwöhnte wurden deren heute, „ihrer fünfzig Stück“, wie die Töchter des Hauses sich ausdrückten, „abgefüttert“. Die Mutter präsidirte bis zum Braten; am anderen Ende des von Krystall und Silber strahlenden Riesentisches waren die Töchter zweien Herren zugetheilt gewesen. Später ließen die Damen die Herren allein und schlüpften leise davon. Heute hielt schon der Wagen für die Oper dreiviertel auf Sieben. Eine cerisefarbene Toilette hielt die Mutter noch immer nicht für zu jugendlich für ihren Kalender. Nur wurden leider ihre Reize durch übermäßige Magerkeit und eine Nase von nicht gut qualificirbarer Röthe beeinträchtigt. Der weiße Puder mußte entschiedenes Weinroth abdämpfen und in Harmonie mit dem übrigen weniger blauen Roth des Antlitzes bringen. Wie neckisch da ein weißes Spitzenfichu um die hervorstehenden </p> </div> </body> </text> </TEI> [246/0252]
der Gastgeber eben in Begleitung des Fabrikanten Schindler passirt war. Ein sogenanntes Herrendiner gehörte manchmal zu den Verpflichtungen, denen sich die Damen Luzius nicht entziehen konnten. Sie thaten es ungern. Es dauerte in der Regel von 4 bis 8. Jüngere Herren wurden selten dazu gezogen. Nur Familienväter, wenn auch mit Orden überladen, graubärtige Cölibatäre, auf deren Ehelosigkeit das alte Rom mit Recht eine nachdrückliche Steuer gelegt haben würde, Feinschmecker oder auch in Tafelfreuden Unverwöhnte wurden deren heute, „ihrer fünfzig Stück“, wie die Töchter des Hauses sich ausdrückten, „abgefüttert“. Die Mutter präsidirte bis zum Braten; am anderen Ende des von Krystall und Silber strahlenden Riesentisches waren die Töchter zweien Herren zugetheilt gewesen. Später ließen die Damen die Herren allein und schlüpften leise davon. Heute hielt schon der Wagen für die Oper dreiviertel auf Sieben. Eine cerisefarbene Toilette hielt die Mutter noch immer nicht für zu jugendlich für ihren Kalender. Nur wurden leider ihre Reize durch übermäßige Magerkeit und eine Nase von nicht gut qualificirbarer Röthe beeinträchtigt. Der weiße Puder mußte entschiedenes Weinroth abdämpfen und in Harmonie mit dem übrigen weniger blauen Roth des Antlitzes bringen. Wie neckisch da ein weißes Spitzenfichu um die hervorstehenden
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder02_1877/252>, abgerufen am 25.06.2024. |