Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 2. Breslau, 1877.Oder seine Erben haben seine letzte Bestimmung unterschlagen! Meine Briefe an ihn konnten nicht für mich zeugen! Ich schrieb sie mit der einem Standesherrn zukommenden Anrede: Ew. Erlaucht! Ich setzte vor Zorn meinen Pflegevater, Marloff, in Bewegung. Dieser Hitzkopf verbot mir, muthig vorzugehen! Der Graf hätte genug für mich gethan! Ich sollte arbeiten, nähen, stricken, Stunden geben! Der Teufel! schrie ich. Ich machte ihm die Hölle heiß. Ich sollte vier Jahre meines Lebens einer Idylle geopfert haben und dafür keine Anerkennung finden, keine Weiterführung meines Lebensfadens, sowie ich's mit dem Grafen abgemacht hatte? Nächte lang habe ich mit mir gerungen, ob ich nicht meinen Schwur brechen sollte und geradezu die Wittwe bestürmen, sie durch meine Aehnlichkeit mit dem Verstorbenen vielleicht rühren und erklären: Ich will Theil haben an seinem Namen, an seinen Gütern, seinem hinterlassenen Andenken! Ihr Onkel hatte mir oft erzählt, daß er seine Gattin so schone, weil sie einmal an sich den edelsten Charakter besäße und weil sie, eine geborene Prinzessin aus hohem Hause, nur unter heftigen Kämpfen mit den Ihrigen der Neigung und der Wahl, die sie getroffen, hätte nachgeben wollen. Sie war älter als Graf Wilhelm, "ohne Geist und ohne Reize." Ueber die Verwendung der endlich errungenen 30,000 Oder seine Erben haben seine letzte Bestimmung unterschlagen! Meine Briefe an ihn konnten nicht für mich zeugen! Ich schrieb sie mit der einem Standesherrn zukommenden Anrede: Ew. Erlaucht! Ich setzte vor Zorn meinen Pflegevater, Marloff, in Bewegung. Dieser Hitzkopf verbot mir, muthig vorzugehen! Der Graf hätte genug für mich gethan! Ich sollte arbeiten, nähen, stricken, Stunden geben! Der Teufel! schrie ich. Ich machte ihm die Hölle heiß. Ich sollte vier Jahre meines Lebens einer Idylle geopfert haben und dafür keine Anerkennung finden, keine Weiterführung meines Lebensfadens, sowie ich’s mit dem Grafen abgemacht hatte? Nächte lang habe ich mit mir gerungen, ob ich nicht meinen Schwur brechen sollte und geradezu die Wittwe bestürmen, sie durch meine Aehnlichkeit mit dem Verstorbenen vielleicht rühren und erklären: Ich will Theil haben an seinem Namen, an seinen Gütern, seinem hinterlassenen Andenken! Ihr Onkel hatte mir oft erzählt, daß er seine Gattin so schone, weil sie einmal an sich den edelsten Charakter besäße und weil sie, eine geborene Prinzessin aus hohem Hause, nur unter heftigen Kämpfen mit den Ihrigen der Neigung und der Wahl, die sie getroffen, hätte nachgeben wollen. Sie war älter als Graf Wilhelm, „ohne Geist und ohne Reize.“ Ueber die Verwendung der endlich errungenen 30,000 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0070" n="64"/> Oder seine Erben haben seine letzte Bestimmung unterschlagen! Meine Briefe an ihn konnten nicht für mich zeugen! Ich schrieb sie mit der einem Standesherrn zukommenden Anrede: Ew. Erlaucht! Ich setzte vor Zorn meinen Pflegevater, Marloff, in Bewegung. Dieser Hitzkopf verbot mir, muthig vorzugehen! Der Graf hätte genug für mich gethan! Ich sollte arbeiten, nähen, stricken, Stunden geben! Der Teufel! schrie ich. Ich machte ihm die Hölle heiß. Ich sollte vier Jahre meines Lebens einer Idylle geopfert haben und dafür keine Anerkennung finden, keine Weiterführung meines Lebensfadens, sowie ich’s mit dem Grafen abgemacht hatte? Nächte lang habe ich mit mir gerungen, ob ich nicht meinen Schwur brechen sollte und geradezu die Wittwe bestürmen, sie durch meine Aehnlichkeit mit dem Verstorbenen vielleicht rühren und erklären: Ich will Theil haben an seinem Namen, an seinen Gütern, seinem hinterlassenen Andenken! Ihr Onkel hatte mir oft erzählt, daß er seine Gattin so schone, weil sie einmal an sich den edelsten Charakter besäße und weil sie, eine geborene Prinzessin aus hohem Hause, nur unter heftigen Kämpfen mit den Ihrigen der Neigung und der Wahl, die sie getroffen, hätte nachgeben wollen. Sie war älter als Graf Wilhelm, „ohne Geist und ohne Reize.“ Ueber die Verwendung der endlich errungenen 30,000 </p> </div> </body> </text> </TEI> [64/0070]
Oder seine Erben haben seine letzte Bestimmung unterschlagen! Meine Briefe an ihn konnten nicht für mich zeugen! Ich schrieb sie mit der einem Standesherrn zukommenden Anrede: Ew. Erlaucht! Ich setzte vor Zorn meinen Pflegevater, Marloff, in Bewegung. Dieser Hitzkopf verbot mir, muthig vorzugehen! Der Graf hätte genug für mich gethan! Ich sollte arbeiten, nähen, stricken, Stunden geben! Der Teufel! schrie ich. Ich machte ihm die Hölle heiß. Ich sollte vier Jahre meines Lebens einer Idylle geopfert haben und dafür keine Anerkennung finden, keine Weiterführung meines Lebensfadens, sowie ich’s mit dem Grafen abgemacht hatte? Nächte lang habe ich mit mir gerungen, ob ich nicht meinen Schwur brechen sollte und geradezu die Wittwe bestürmen, sie durch meine Aehnlichkeit mit dem Verstorbenen vielleicht rühren und erklären: Ich will Theil haben an seinem Namen, an seinen Gütern, seinem hinterlassenen Andenken! Ihr Onkel hatte mir oft erzählt, daß er seine Gattin so schone, weil sie einmal an sich den edelsten Charakter besäße und weil sie, eine geborene Prinzessin aus hohem Hause, nur unter heftigen Kämpfen mit den Ihrigen der Neigung und der Wahl, die sie getroffen, hätte nachgeben wollen. Sie war älter als Graf Wilhelm, „ohne Geist und ohne Reize.“ Ueber die Verwendung der endlich errungenen 30,000
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