Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Helene lächelt, so ist es die Rose, die erglüht. Nie fand ich ein Uebermaß. Nie etwas, das sich mit einer bewußten eiteln Anstrengung zu behaupten suchte. O meine Gattin - daß ich den Vergleich brauchen muß - diese ist wie ein störrisches Roß. Es weicht und wankt nicht von der Stelle, es bricht eher zusammen, bis es auf unser Wort, auf Peitschenhiebe, die ich allerdings schon in Worten gebraucht habe, vorwärts geht. Dann plötzlich, aus irgend einer Caprice, geht mein Vergleich ganz ruhig und vernünftig an der Stelle vorbei, so daß man dem Thiere den Hals klopfen und sagen muß: Bist ein lieber Kerl! Es schüttelt vergnügt die Mähne und man gönnt ihm sein Brot und Zucker. Aber solche Scenen greifen mich an! Ich bin eine positive Natur, litt lange Jahre auf meinen Reisen unter den Folgen des gelben Fiebers, wurde weich, leidend, zu schonen - ich kann mit solchen Naturen nicht leben. Und dagegen die Seligkeit, immer mit der Vernunft zu verkehren, mit einer Seele zusammenzuleben, die Wohllaut in unser Dasein zu strömen sucht und diesen aus dem Nächsten zu ziehen weiß! Die wunderherrliche Kunst, Vorwürfe in milder Form aussprechen zu können -! Wer das Talent besitzt! Theure, hochverehrte Frau, ich könnte rasen gegen den Apostel, der in der heiligen Schrift die Ehe so gedankenlos, so obenhin als einen bloßen Klug- Helene lächelt, so ist es die Rose, die erglüht. Nie fand ich ein Uebermaß. Nie etwas, das sich mit einer bewußten eiteln Anstrengung zu behaupten suchte. O meine Gattin – daß ich den Vergleich brauchen muß – diese ist wie ein störrisches Roß. Es weicht und wankt nicht von der Stelle, es bricht eher zusammen, bis es auf unser Wort, auf Peitschenhiebe, die ich allerdings schon in Worten gebraucht habe, vorwärts geht. Dann plötzlich, aus irgend einer Caprice, geht mein Vergleich ganz ruhig und vernünftig an der Stelle vorbei, so daß man dem Thiere den Hals klopfen und sagen muß: Bist ein lieber Kerl! Es schüttelt vergnügt die Mähne und man gönnt ihm sein Brot und Zucker. Aber solche Scenen greifen mich an! Ich bin eine positive Natur, litt lange Jahre auf meinen Reisen unter den Folgen des gelben Fiebers, wurde weich, leidend, zu schonen – ich kann mit solchen Naturen nicht leben. Und dagegen die Seligkeit, immer mit der Vernunft zu verkehren, mit einer Seele zusammenzuleben, die Wohllaut in unser Dasein zu strömen sucht und diesen aus dem Nächsten zu ziehen weiß! Die wunderherrliche Kunst, Vorwürfe in milder Form aussprechen zu können –! Wer das Talent besitzt! Theure, hochverehrte Frau, ich könnte rasen gegen den Apostel, der in der heiligen Schrift die Ehe so gedankenlos, so obenhin als einen bloßen Klug- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0131" n="125"/> Helene lächelt, so ist es die Rose, die erglüht. Nie fand ich ein Uebermaß. Nie etwas, das sich mit einer bewußten eiteln Anstrengung zu behaupten suchte. O meine Gattin – daß ich den Vergleich brauchen muß – diese ist wie ein störrisches Roß. Es weicht und wankt nicht von der Stelle, es bricht eher zusammen, bis es auf unser Wort, auf Peitschenhiebe, die ich allerdings schon in Worten gebraucht habe, vorwärts geht. Dann plötzlich, aus irgend einer Caprice, geht mein Vergleich ganz ruhig und vernünftig an der Stelle vorbei, so daß man dem Thiere den Hals klopfen und sagen muß: Bist ein lieber Kerl! Es schüttelt vergnügt die Mähne und man gönnt ihm sein Brot und Zucker. Aber solche Scenen greifen mich an! Ich bin eine positive Natur, litt lange Jahre auf meinen Reisen unter den Folgen des gelben Fiebers, wurde weich, leidend, zu schonen – ich kann mit solchen Naturen nicht leben. Und dagegen die Seligkeit, immer mit der Vernunft zu verkehren, mit einer Seele zusammenzuleben, die Wohllaut in unser Dasein zu strömen sucht und diesen aus dem Nächsten zu ziehen weiß! Die wunderherrliche Kunst, Vorwürfe in milder Form aussprechen zu können –! Wer das Talent besitzt! Theure, hochverehrte Frau, ich könnte rasen gegen den Apostel, der in der heiligen Schrift die Ehe so gedankenlos, so obenhin als einen bloßen Klug- </p> </div> </body> </text> </TEI> [125/0131]
Helene lächelt, so ist es die Rose, die erglüht. Nie fand ich ein Uebermaß. Nie etwas, das sich mit einer bewußten eiteln Anstrengung zu behaupten suchte. O meine Gattin – daß ich den Vergleich brauchen muß – diese ist wie ein störrisches Roß. Es weicht und wankt nicht von der Stelle, es bricht eher zusammen, bis es auf unser Wort, auf Peitschenhiebe, die ich allerdings schon in Worten gebraucht habe, vorwärts geht. Dann plötzlich, aus irgend einer Caprice, geht mein Vergleich ganz ruhig und vernünftig an der Stelle vorbei, so daß man dem Thiere den Hals klopfen und sagen muß: Bist ein lieber Kerl! Es schüttelt vergnügt die Mähne und man gönnt ihm sein Brot und Zucker. Aber solche Scenen greifen mich an! Ich bin eine positive Natur, litt lange Jahre auf meinen Reisen unter den Folgen des gelben Fiebers, wurde weich, leidend, zu schonen – ich kann mit solchen Naturen nicht leben. Und dagegen die Seligkeit, immer mit der Vernunft zu verkehren, mit einer Seele zusammenzuleben, die Wohllaut in unser Dasein zu strömen sucht und diesen aus dem Nächsten zu ziehen weiß! Die wunderherrliche Kunst, Vorwürfe in milder Form aussprechen zu können –! Wer das Talent besitzt! Theure, hochverehrte Frau, ich könnte rasen gegen den Apostel, der in der heiligen Schrift die Ehe so gedankenlos, so obenhin als einen bloßen Klug-
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