Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.einer vermummten Gestalt muthig auf den Leib zu rücken, so konnte doch von dem Thema der Ehe nur der obere Schaum einer vielleicht innerlich vorhandenen stillen Gährung bei Jedem abgeschöpft werden. Das Zündendste war dann Triesels Mittheilung, daß auch ihm der Graf beim Sitzen, wo viel geplaudert worden wäre, vom Bedürfniß des Mannes nach dem "Weibe an sich" gesprochen hätte. Ja, sagte Major Brandt, der Begriff kommt wirklich leider zu sehr abhanden. Die Ansprüche der Frauen wachsen zu maßlos. Die weibliche Emancipationssucht, die Schriftstellerei in diesem Fach, das Einfordern von Gleichberechtigung mit den Männern, die Einstellung von Frauen in öffentliche Aemter, wie solche unter dem Schutz einer falschen Humanitäts- und Sentimentalitätslehre bereits begonnen hat, ziehen eine Weiblichkeit groß, auf welche nachgrade die alten Verherrlichungen der Dichter nicht mehr passen. Das Schöne entschwindet aus der Welt. Wir haben vor'm Jahre das Erhabene in unsern Sitzungen aufgegeben. Wir werden es auch mit dem Schönen, Fesselnden, Bescheidenen, Gebundenen, Beseligenden am Weibe thun müssen. Natürlich erfolgten die heftigsten Proteste. Jeder wußte Engel an Lieblichkeit zu nennen. Das Reich des Schönen war in voller Blüthe. Der Adel "edler einer vermummten Gestalt muthig auf den Leib zu rücken, so konnte doch von dem Thema der Ehe nur der obere Schaum einer vielleicht innerlich vorhandenen stillen Gährung bei Jedem abgeschöpft werden. Das Zündendste war dann Triesels Mittheilung, daß auch ihm der Graf beim Sitzen, wo viel geplaudert worden wäre, vom Bedürfniß des Mannes nach dem „Weibe an sich“ gesprochen hätte. Ja, sagte Major Brandt, der Begriff kommt wirklich leider zu sehr abhanden. Die Ansprüche der Frauen wachsen zu maßlos. Die weibliche Emancipationssucht, die Schriftstellerei in diesem Fach, das Einfordern von Gleichberechtigung mit den Männern, die Einstellung von Frauen in öffentliche Aemter, wie solche unter dem Schutz einer falschen Humanitäts- und Sentimentalitätslehre bereits begonnen hat, ziehen eine Weiblichkeit groß, auf welche nachgrade die alten Verherrlichungen der Dichter nicht mehr passen. Das Schöne entschwindet aus der Welt. Wir haben vor’m Jahre das Erhabene in unsern Sitzungen aufgegeben. Wir werden es auch mit dem Schönen, Fesselnden, Bescheidenen, Gebundenen, Beseligenden am Weibe thun müssen. Natürlich erfolgten die heftigsten Proteste. Jeder wußte Engel an Lieblichkeit zu nennen. Das Reich des Schönen war in voller Blüthe. Der Adel „edler <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0306" n="300"/> einer vermummten Gestalt muthig auf den Leib zu rücken, so konnte doch von dem Thema der Ehe nur der obere Schaum einer vielleicht innerlich vorhandenen stillen Gährung bei Jedem abgeschöpft werden. Das Zündendste war dann Triesels Mittheilung, daß auch ihm der Graf beim Sitzen, wo viel geplaudert worden wäre, vom Bedürfniß des Mannes nach dem „Weibe an sich“ gesprochen hätte.</p> <p>Ja, sagte Major Brandt, der Begriff kommt wirklich leider zu sehr abhanden. Die Ansprüche der Frauen wachsen zu maßlos. Die weibliche Emancipationssucht, die Schriftstellerei in diesem Fach, das Einfordern von Gleichberechtigung mit den Männern, die Einstellung von Frauen in öffentliche Aemter, wie solche unter dem Schutz einer falschen Humanitäts- und Sentimentalitätslehre bereits begonnen hat, ziehen eine Weiblichkeit groß, auf welche nachgrade die alten Verherrlichungen der Dichter nicht mehr passen. Das Schöne entschwindet aus der Welt. Wir haben vor’m Jahre das Erhabene in unsern Sitzungen aufgegeben. Wir werden es auch mit dem Schönen, Fesselnden, Bescheidenen, Gebundenen, Beseligenden am Weibe thun müssen.</p> <p>Natürlich erfolgten die heftigsten Proteste. Jeder wußte Engel an Lieblichkeit zu nennen. Das Reich des Schönen war in voller Blüthe. Der Adel „edler </p> </div> </body> </text> </TEI> [300/0306]
einer vermummten Gestalt muthig auf den Leib zu rücken, so konnte doch von dem Thema der Ehe nur der obere Schaum einer vielleicht innerlich vorhandenen stillen Gährung bei Jedem abgeschöpft werden. Das Zündendste war dann Triesels Mittheilung, daß auch ihm der Graf beim Sitzen, wo viel geplaudert worden wäre, vom Bedürfniß des Mannes nach dem „Weibe an sich“ gesprochen hätte.
Ja, sagte Major Brandt, der Begriff kommt wirklich leider zu sehr abhanden. Die Ansprüche der Frauen wachsen zu maßlos. Die weibliche Emancipationssucht, die Schriftstellerei in diesem Fach, das Einfordern von Gleichberechtigung mit den Männern, die Einstellung von Frauen in öffentliche Aemter, wie solche unter dem Schutz einer falschen Humanitäts- und Sentimentalitätslehre bereits begonnen hat, ziehen eine Weiblichkeit groß, auf welche nachgrade die alten Verherrlichungen der Dichter nicht mehr passen. Das Schöne entschwindet aus der Welt. Wir haben vor’m Jahre das Erhabene in unsern Sitzungen aufgegeben. Wir werden es auch mit dem Schönen, Fesselnden, Bescheidenen, Gebundenen, Beseligenden am Weibe thun müssen.
Natürlich erfolgten die heftigsten Proteste. Jeder wußte Engel an Lieblichkeit zu nennen. Das Reich des Schönen war in voller Blüthe. Der Adel „edler
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