Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

"Madame, es sollen viele eine gute Toi¬
lette gemacht haben, sagt man. Ich sahe nur
Sie. Viele werden sie machen, ich werde nur
Sie sehen. Wenn ich die Sprache eines Dich¬
ters führen könnte, dann würd' ich erst die
Ausdrücke haben, welche Ihrer würdig sind.
Ja, ich muß dies elende Wort: bezaubern adop¬
tiren und meine Gefühle hinter der armseligen
Wendung verstecken, daß ich Sie versichre,
Ihre Schönheit kann niemals vom Künstler
getroffen werden; denn müßte er nicht erblin¬
den in der Anschauung solcher Reize, Madame?"

"Ich schäme mich, mein Herr," sagte
Wally, "Ihnen ein Wort empfohlen zu haben,
das sie lernen sollten, um bald in die Gesell¬
schaft der jungen Enthusiasten einzutreten; denn
ich sehe, daß Sie schon Meister sind in diesen
allerliebsten Uebertreibungen, die man um so
lieber hört, je weniger Grund sie haben!"

"Sie weichen mir aus, Madame; Sie ver¬

„Madame, es ſollen viele eine gute Toi¬
lette gemacht haben, ſagt man. Ich ſahe nur
Sie. Viele werden ſie machen, ich werde nur
Sie ſehen. Wenn ich die Sprache eines Dich¬
ters führen könnte, dann würd' ich erſt die
Ausdrücke haben, welche Ihrer würdig ſind.
Ja, ich muß dies elende Wort: bezaubern adop¬
tiren und meine Gefühle hinter der armſeligen
Wendung verſtecken, daß ich Sie verſichre,
Ihre Schönheit kann niemals vom Künſtler
getroffen werden; denn müßte er nicht erblin¬
den in der Anſchauung ſolcher Reize, Madame?“

„Ich ſchäme mich, mein Herr,“ ſagte
Wally, „Ihnen ein Wort empfohlen zu haben,
das ſie lernen ſollten, um bald in die Geſell¬
ſchaft der jungen Enthuſiaſten einzutreten; denn
ich ſehe, daß Sie ſchon Meiſter ſind in dieſen
allerliebſten Uebertreibungen, die man um ſo
lieber hört, je weniger Grund ſie haben!“

„Sie weichen mir aus, Madame; Sie ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0149" n="140"/>
          <p>&#x201E;Madame, es &#x017F;ollen viele eine gute Toi¬<lb/>
lette gemacht haben, &#x017F;agt man. Ich &#x017F;ahe nur<lb/>
Sie. Viele werden &#x017F;ie machen, ich werde nur<lb/>
Sie &#x017F;ehen. Wenn ich die Sprache eines Dich¬<lb/>
ters führen könnte, dann würd' ich er&#x017F;t die<lb/>
Ausdrücke haben, welche Ihrer würdig &#x017F;ind.<lb/>
Ja, ich muß dies elende Wort: bezaubern adop¬<lb/>
tiren und meine Gefühle hinter der arm&#x017F;eligen<lb/>
Wendung ver&#x017F;tecken, daß ich Sie ver&#x017F;ichre,<lb/>
Ihre Schönheit kann niemals vom Kün&#x017F;tler<lb/>
getroffen werden; denn müßte er nicht erblin¬<lb/>
den in der An&#x017F;chauung &#x017F;olcher Reize, Madame?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich &#x017F;chäme mich, mein Herr,&#x201C; &#x017F;agte<lb/>
Wally, &#x201E;Ihnen ein Wort empfohlen zu haben,<lb/>
das &#x017F;ie lernen &#x017F;ollten, um bald in die Ge&#x017F;ell¬<lb/>
&#x017F;chaft der jungen Enthu&#x017F;ia&#x017F;ten einzutreten; denn<lb/>
ich &#x017F;ehe, daß Sie &#x017F;chon Mei&#x017F;ter &#x017F;ind in die&#x017F;en<lb/>
allerlieb&#x017F;ten Uebertreibungen, die man um &#x017F;o<lb/>
lieber hört, je weniger Grund &#x017F;ie haben!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sie weichen mir aus, Madame; Sie ver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0149] „Madame, es ſollen viele eine gute Toi¬ lette gemacht haben, ſagt man. Ich ſahe nur Sie. Viele werden ſie machen, ich werde nur Sie ſehen. Wenn ich die Sprache eines Dich¬ ters führen könnte, dann würd' ich erſt die Ausdrücke haben, welche Ihrer würdig ſind. Ja, ich muß dies elende Wort: bezaubern adop¬ tiren und meine Gefühle hinter der armſeligen Wendung verſtecken, daß ich Sie verſichre, Ihre Schönheit kann niemals vom Künſtler getroffen werden; denn müßte er nicht erblin¬ den in der Anſchauung ſolcher Reize, Madame?“ „Ich ſchäme mich, mein Herr,“ ſagte Wally, „Ihnen ein Wort empfohlen zu haben, das ſie lernen ſollten, um bald in die Geſell¬ ſchaft der jungen Enthuſiaſten einzutreten; denn ich ſehe, daß Sie ſchon Meiſter ſind in dieſen allerliebſten Uebertreibungen, die man um ſo lieber hört, je weniger Grund ſie haben!“ „Sie weichen mir aus, Madame; Sie ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/149
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/149>, abgerufen am 21.11.2024.