Ich habe das gestern nur so hingeworfen, daß Delphine eine Jüdin ist. Aber welche eigenthümliche Richtung mußte dies ihrem We¬ sen geben! Sie wurde unter sehr glänzenden Verhältnissen erzogen. Das Judenthum in sei¬ nem Schmutz, mit seinen Ceremonien und Prie¬ stern nahte sich ihr niemals. Sie findet keine Reue darin, irgend eines der jüdischen Gebote zu übertreten, von welchen sie den größten Theil gar nicht kannte. Wie originell ist doch ein Mädchen, das den ganzen Bildungsgang christ¬ licher Ideen nicht durchmachte, und doch auf einer Stufe steht, welche ganz Gefühl ist, und das so viel Liebenswürdigkeit entwickelt! Del¬ phine kann von der Religion nur wenige Nach¬ richten haben, einen weiblichen Gottesdienst giebt es in ihrem Glauben nicht, eine häus¬ liche Verehrung kömmt in Form von Ceremo¬ nien, Gesang oder sonst einer Weise nicht vor, die Confirmation ist unter uns den Juden nicht
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Ich habe das geſtern nur ſo hingeworfen, daß Delphine eine Jüdin iſt. Aber welche eigenthümliche Richtung mußte dies ihrem We¬ ſen geben! Sie wurde unter ſehr glänzenden Verhältniſſen erzogen. Das Judenthum in ſei¬ nem Schmutz, mit ſeinen Ceremonien und Prie¬ ſtern nahte ſich ihr niemals. Sie findet keine Reue darin, irgend eines der jüdiſchen Gebote zu übertreten, von welchen ſie den größten Theil gar nicht kannte. Wie originell iſt doch ein Mädchen, das den ganzen Bildungsgang chriſt¬ licher Ideen nicht durchmachte, und doch auf einer Stufe ſteht, welche ganz Gefühl iſt, und das ſo viel Liebenswürdigkeit entwickelt! Del¬ phine kann von der Religion nur wenige Nach¬ richten haben, einen weiblichen Gottesdienſt giebt es in ihrem Glauben nicht, eine häus¬ liche Verehrung kömmt in Form von Ceremo¬ nien, Geſang oder ſonſt einer Weiſe nicht vor, die Confirmation iſt unter uns den Juden nicht
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Ich habe das geſtern nur ſo hingeworfen,
daß Delphine eine Jüdin iſt. Aber welche
eigenthümliche Richtung mußte dies ihrem We¬
ſen geben! Sie wurde unter ſehr glänzenden
Verhältniſſen erzogen. Das Judenthum in ſei¬
nem Schmutz, mit ſeinen Ceremonien und Prie¬
ſtern nahte ſich ihr niemals. Sie findet keine
Reue darin, irgend eines der jüdiſchen Gebote
zu übertreten, von welchen ſie den größten Theil
gar nicht kannte. Wie originell iſt doch ein
Mädchen, das den ganzen Bildungsgang chriſt¬
licher Ideen nicht durchmachte, und doch auf
einer Stufe ſteht, welche ganz Gefühl iſt, und
das ſo viel Liebenswürdigkeit entwickelt! Del¬
phine kann von der Religion nur wenige Nach¬
richten haben, einen weiblichen Gottesdienſt
giebt es in ihrem Glauben nicht, eine häus¬
liche Verehrung kömmt in Form von Ceremo¬
nien, Geſang oder ſonſt einer Weiſe nicht vor,
die Confirmation iſt unter uns den Juden nicht
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/220>, abgerufen am 21.11.2024.
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