erlaubt -- wie auffallend ist dies Alles, und doch hat man es dicht neben sich!
Glücklich ist Delphine zu nennen, denn nie¬ mals wird ihr die Religion irgend eine Aengst¬ lichkeit verursachen. Ein gewisses unbestimm¬ tes Dämmern des Gefühls muß für sie schon hinreichend sein, die Nähe des Himmels zu spüren. Sie braucht jene Stufenleiter von po¬ sitiven Lehren und historischen Thatsachen nicht, die die Christin erst erklimmen muß, um eine Einsicht in das Wesen der Religion zu bekom¬ men. Wir sind weit schwieriger in diesem Be¬ tracht gestellt und sollten im Grunde, wenn die Religion die Tugend befördert, weit weni¬ ger tugendhaft, als die Juden sein; denn un¬ sere Religion ist ein so hoher Münster, daß man ihn zwar ersteigen, aber nicht zu jedem Sims, zu jedem Vorsprunge, zu jedem Sei¬ tenthurme gelangen kann. Eins aber bemerk' ich, was charakteristisch ist. Niemals könnt'
erlaubt — wie auffallend iſt dies Alles, und doch hat man es dicht neben ſich!
Glücklich iſt Delphine zu nennen, denn nie¬ mals wird ihr die Religion irgend eine Aengſt¬ lichkeit verurſachen. Ein gewiſſes unbeſtimm¬ tes Dämmern des Gefühls muß für ſie ſchon hinreichend ſein, die Nähe des Himmels zu ſpüren. Sie braucht jene Stufenleiter von po¬ ſitiven Lehren und hiſtoriſchen Thatſachen nicht, die die Chriſtin erſt erklimmen muß, um eine Einſicht in das Weſen der Religion zu bekom¬ men. Wir ſind weit ſchwieriger in dieſem Be¬ tracht geſtellt und ſollten im Grunde, wenn die Religion die Tugend befördert, weit weni¬ ger tugendhaft, als die Juden ſein; denn un¬ ſere Religion iſt ein ſo hoher Münſter, daß man ihn zwar erſteigen, aber nicht zu jedem Sims, zu jedem Vorſprunge, zu jedem Sei¬ tenthurme gelangen kann. Eins aber bemerk' ich, was charakteriſtiſch iſt. Niemals könnt'
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erlaubt — wie auffallend iſt dies Alles, und
doch hat man es dicht neben ſich!
Glücklich iſt Delphine zu nennen, denn nie¬
mals wird ihr die Religion irgend eine Aengſt¬
lichkeit verurſachen. Ein gewiſſes unbeſtimm¬
tes Dämmern des Gefühls muß für ſie ſchon
hinreichend ſein, die Nähe des Himmels zu
ſpüren. Sie braucht jene Stufenleiter von po¬
ſitiven Lehren und hiſtoriſchen Thatſachen nicht,
die die Chriſtin erſt erklimmen muß, um eine
Einſicht in das Weſen der Religion zu bekom¬
men. Wir ſind weit ſchwieriger in dieſem Be¬
tracht geſtellt und ſollten im Grunde, wenn
die Religion die Tugend befördert, weit weni¬
ger tugendhaft, als die Juden ſein; denn un¬
ſere Religion iſt ein ſo hoher Münſter, daß
man ihn zwar erſteigen, aber nicht zu jedem
Sims, zu jedem Vorſprunge, zu jedem Sei¬
tenthurme gelangen kann. Eins aber bemerk'
ich, was charakteriſtiſch iſt. Niemals könnt'
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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/221>, abgerufen am 09.11.2024.
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