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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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ich als Christin über meine Religion zu Del¬
phinen sprechen und sie eine Verzweiflung über
meinen Glauben blicken lassen. Es ist dies
eine Schaam und ein Stolz, welcher unver¬
tilgbar in uns niedergelegt ist, und die uns
nicht verlassen würde, selbst wenn vom Chri¬
stenthum Alles in uns morsch geworden ist.

Für christliche Männer, welche widerspän¬
stig gegen den Katechismus sind, muß die Liebe
einer Jüdin von besonderm Reize sein. Sie
nehmen hier weder Bigottismus, noch eine Zer¬
rissenheit, wie die meinige, in den Kauf, son¬
dern weiden sich an der reinen, ungetrübten,
natürlichen Weiblichkeit, an einem sinnlichen
Schmelz der Liebe, welcher die der Christinnen
bei Weitem übertreffen soll. Bei einer Jüdin
reduzirt sich Alles einseitig auf ihre Liebe,
Rücksichten tauchen nirgends auf: ihre Liebe
ist ganz pflanzenartiger Natur, orientalisch,
wie eingeschlossen in das Treibhaus eines Ha¬

ich als Chriſtin über meine Religion zu Del¬
phinen ſprechen und ſie eine Verzweiflung über
meinen Glauben blicken laſſen. Es iſt dies
eine Schaam und ein Stolz, welcher unver¬
tilgbar in uns niedergelegt iſt, und die uns
nicht verlaſſen würde, ſelbſt wenn vom Chri¬
ſtenthum Alles in uns morſch geworden iſt.

Für chriſtliche Männer, welche widerſpän¬
ſtig gegen den Katechismus ſind, muß die Liebe
einer Jüdin von beſonderm Reize ſein. Sie
nehmen hier weder Bigottismus, noch eine Zer¬
riſſenheit, wie die meinige, in den Kauf, ſon¬
dern weiden ſich an der reinen, ungetrübten,
natürlichen Weiblichkeit, an einem ſinnlichen
Schmelz der Liebe, welcher die der Chriſtinnen
bei Weitem übertreffen ſoll. Bei einer Jüdin
reduzirt ſich Alles einſeitig auf ihre Liebe,
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[213/0222] ich als Chriſtin über meine Religion zu Del¬ phinen ſprechen und ſie eine Verzweiflung über meinen Glauben blicken laſſen. Es iſt dies eine Schaam und ein Stolz, welcher unver¬ tilgbar in uns niedergelegt iſt, und die uns nicht verlaſſen würde, ſelbſt wenn vom Chri¬ ſtenthum Alles in uns morſch geworden iſt. Für chriſtliche Männer, welche widerſpän¬ ſtig gegen den Katechismus ſind, muß die Liebe einer Jüdin von beſonderm Reize ſein. Sie nehmen hier weder Bigottismus, noch eine Zer¬ riſſenheit, wie die meinige, in den Kauf, ſon¬ dern weiden ſich an der reinen, ungetrübten, natürlichen Weiblichkeit, an einem ſinnlichen Schmelz der Liebe, welcher die der Chriſtinnen bei Weitem übertreffen ſoll. Bei einer Jüdin reduzirt ſich Alles einſeitig auf ihre Liebe, Rückſichten tauchen nirgends auf: ihre Liebe iſt ganz pflanzenartiger Natur, orientaliſch, wie eingeſchloſſen in das Treibhaus eines Ha¬

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/222>, abgerufen am 24.11.2024.